Ruhrgebiet. Benzinpreis und steigender Mindestlohn führen dazu, dass Taxifahren teurer wird. Warum steigt die Branche nicht um auf günstigere E-Taxis?

Taxifahrer wundern sich ja vermutlich über nichts mehr. Fahrgäste, die es zueinander treibt, Fahrgäste, die partout nicht plaudern wollen oder die noch Restblut im Alkohol haben - alles oft gesehen. Wirklich schockierend aber ist, was diesem Kollegen aus Oberhausen widerfährt: „Wir werden immer mal wieder aus Mülheim oder Duisburg angefordert. Die Leute sagen, es ist einfach billiger, ein Taxi aus Oberhausen zu bestellen.“

Der Grund, so Sezgin Onur: natürlich die Tarife. „Wenn es immer heißt, ihr seid preiswerter, tut das auch ein bisschen weh.“ Tatsächlich ist Oberhausen mit einem Grundpreis von drei Euro pro Fahrt und zwei pro Kilometer im Ruhrgebiet sehr günstig, zumindest für die Kundinnen und Kunden. Weniger für die Unternehmer: „Mit dem aktuellen Tarif können wir nicht überleben“, sagt Onur, der Betriebsleiter von „Taxi Team“. Und so haben die Taxifirmen bei der Stadt beantragt, höhere Preise einführen zu können - wie fast überall im Ruhrgebiet.

„Wir sitzen den ganzen Tag auf dem Auto und kämpfen ums Überleben“

Das Unternehmen der Brüder Sendogan Onur (links) und Sezgin Onur (38) unterhält 15 Taxis, drei Mietwagen und Schulbusse.
Das Unternehmen der Brüder Sendogan Onur (links) und Sezgin Onur (38) unterhält 15 Taxis, drei Mietwagen und Schulbusse. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Dass Taxifahren in den meisten Städten deutlich teurer wird, steht bereits fest: um 15 bis 20 Prozent. Kurz bevor steht es auch: Juli, August, auch mal Oktober, je nach Stadt, aber es kommt. Die Kreise Recklinghausen und Ennepe-Ruhr haben das beschlossen, die Kreise Unna und Wesel werden es tun. Dasselbe gilt für Städte wie Essen, Mülheim, Dortmund, (Oberhausen) . . . Und die beiden wesentlichen Gründe sind überall dieselben: der Mindestlohn von 12 Euro ab Oktober und der Spritpreis auf seinem Hochplateau.

„Wir sitzen den ganzen Tag auf dem Auto und kämpfen ums Überleben“, sagt Dirk Debald. Gerade wartet er vor dem Hauptbahnhof von Witten auf Kundschaft: „Erst haben wir in der Corona-Umklammerung gesteckt, jetzt noch der Sprit-Knaller.“ Die Gewinnmarge sei inzwischen „verschwindend gering“.

Kommunen und Kreise legen die Tarife fest und müssen abwägen

Doch die schönsten Preise nutzen nichts, wenn kein Kunde mehr einsteigt. Und so müssen Kommunen und Kreise zwischen den Interessen der Taxiunternehmen an einem vernünftigen Gewinn und denen der Fahrgästen an einem vernünftigen Fahrpreis abwägen. Kommunen und Kreise legen nämlich die Tarife fest, und kein Taxifahrer darf teurer oder günstiger fahren: Darauf steht Bußgeld.

Doch es gibt auch Meinungsunterschiede in der Branche selbst. So sind die Essener Taxi-Unternehmen in zwei Verbänden organisiert. Die sind sich einig, „allerspätestens“ zum 1. Oktober mehr Geld kassieren zu wollen, aber uneinig, in welcher Form. Der Teufel steckt in der Kurzstrecke.

„Die Leute fahren jetzt ja nicht zweimal um den Block“

Sie soll nach dem einen Modell deutlich teurer werden. Das Argument: „Kurze Fahrten sind unser Hauptkostenfaktor. Sie müssen wirtschaftlicher werden.“ Das andere Modell will eher den Kilometer- als den Grundpreis erhöhen, und hier ist das Argument: „Gerade viele Ältere nutzen Taxis für Einkaufsfahrten unter zwei Kilometern.“ Die würde man bei einem hohen Grundpreis nicht wiedersehen.

Nach Schätzung sind seit Beginn der Corona-Pandemie etwa 100 Taxis von den Straßen Essens verschwunden, und in Bochum ruhen rund 15 Prozent der Konzessionen. Der „Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM)“ glaubt, dass in Deutschland ein Fünftel aller Taxis nicht mehr fährt und dieser Anteil noch auf ein Drittel wachsen wird. Anders als viele andere Branchen habe man keinerlei Nachholeffekt: „Die Leute fahren jetzt ja nicht zweimal um den Block, weil sie in den letzten Jahren so wenig Taxi gefahren sind,“ sagt Geschäftsführer Michael Oppermann.

Kreisverwaltung sieht keine „große Insolvenzwelle“

Seit Beginn der Corona-Krise soll jedes fünfte Taxi verschwunden sein.
Seit Beginn der Corona-Krise soll jedes fünfte Taxi verschwunden sein. © Funke-Foto-Services | Jörg Schimmel

Freilich sind Taxifahrer auch routinierte Profis an der Klagemauer. So weist etwa die Kreisverwaltung Unna darauf hin, dass der Markt funktioniere: Taxi-Unternehmen würden weiterhin gekauft und verkauft sowie neue Konzessionen beantragt. Eine „große Insolvenzwelle“ gebe es nicht. Im Kreis wird die Preiserhöhung bei etwa 17 Prozent liegen - und damit im regionalen Vergleich nicht besonders hoch ausfallen.

Bleibt die Frage, warum nicht längst mehr Taxi-Unternehmen Elektro-Taxis einsetzen: Strom ist billiger als Diesel und Super, der Verschleiß des Wagens ist deutlich geringer und mit ihm die Werkstattkosten. Doch die Branche hat große Vorbehalte. Stichwort Reichweite, Ladeinfrastruktur, Lebensdauer der Batterie bei dauernder Schnellladung. Doch selbst der BVTM fordert, in diesem Jahrzehnt mehr als 80 Prozent der 50.000 Taxis in Deutschland auf Elektrobetrieb umzustellen.

Einer, der in die Richtung unterwegs ist, ist Markus Wahl von „Taxi Bednarz“ in Bochum: Ein Drittel der Flotte fährt elektrisch. Bei den Energiepreisen, wie sie jetzt sind, sei ein E-Taxi auf 100 Kilometer 2,50 bis drei Euro günstiger unterwegs. Freilich hat Wahl seine eigene Ladeinfrastruktur gebaut - und für weit führende Fahrten ja noch die Diesel-Wagen im Fuhrpark. „Es gibt rund 300 Taxis in Bochum“, sagt Wahl: „Die meisten sind Einzelunternehmer, die haben ein oder zwei Fahrzeuge und gar nicht die Möglichkeit, umzusteigen.“