Düsseldorf. Die Grünen feiern einen historischen Wahlsieg in NRW. Das schwarze Kleid der Spitzenkandidatin soll aber noch keine Koalitionsaussage sein.
„Königsmacherin“ haben sie Mona Neubaur schon vor der Wahl genannt, denn es war ja klar: An ihren Grünen würde keiner vorbeikommen. Mit gut 18 Prozent nach Hochrechnungen holte ihre Partei so viele Stimmen wie noch nie in NRW. Schöner kann ein dritter Platz kaum sein. Die grüne Spitzenkandidatin wird damit nicht gleich selbst Ministerpräsidentin werden - aber ohne sie wird in Düsseldorf nicht regiert.
Wer auch immer ihr „König“ wird, sie selbst ist so gar nicht der Typ Majestät. Mona Neubaurs roter Teppich ist die grüne Wiese am Rheinufer, sie kommt sieben Minuten zu früh. Bündnis 90/Die Grünen will eigentlich im Apollo Theater feiern, aber dazu lacht die Sonne zu schön: Man trifft sich draußen in Sommerkleid und offenem Hemd, es ist ein einziges Umarmen, was noch gar nicht an den Ergebnissen liegt, sondern an der langen Corona-Zeit. Masken werden nur noch getragen, wenn sie grün sind.
Spitzenkandidatin feiert schon vor Schließung der Wahllokale
Die Umfragen haben verraten, dass es für diese Party einen Grund geben wird; es wird schon gefeiert, da sind die Wahllokale noch gar nicht geschlossen. Neubaur lächelt, als sie heraneilt, gerade haben sie im Fernsehen gesagt, dass die Grünen „entspannt“ in diesen Abend gehen können, und doch wird sie begrüßt mit verkrampften Fingern: gedrückten Daumen, nervös gepressten Fäusten. Mona Neubaur reiht sich ein vor der Bühne, die Bildschirme haben sie in diesem Moment eingeblendet: Bilder aus der vergangenen Woche, als sie kühn schon ein „Regierungsprogramm“ vorstellte. Sie flüstert ihrem Co-Vorsitzenden Felix Banaszak etwas ins Ohr, legt den Finger auf die Lippen. Pssst! Kennt sie die Prognosen schon?
Als um sechs Uhr die Balken nach oben gehen, ist es still auf der Wiese, erst das FDP-Resultat wird mit spöttischem Gelächter quittiert: „Hoho!“, Buh-Rufe gibt es für die AfD. Doch dann geht alles unter im ohrenbetäubenden Jubel. 18,5 Prozent stehen da zunächst im Bild, Mona Neubaur legt die Hand aufs Herz, dann umarmt sie Banaszak innig. Und springt auf die Bühne. „Liebe Alle! Was für ein Vertrauensvorschuss!“ Die 44-Jährige wird noch viel von Vertrauen reden an diesem Abend, und von einem „riesigen Auftrag“. Sie atmet wiederholt tief durch, schluckt, blinzelt. Mona Neubaur ringt um Fassung.
„Es ist nicht spielentscheidend, welcher Mann Ministerpräsident wird“
Was war das aber auch für ein Auf und Ab mit diesen Grünen im Landtag NRW: 2010 verdoppelt, 2017 wieder halbiert, nun fast verdreifacht. Und wer auch immer bald regiert, „ohne uns ist nichts möglich“. Als indes ein Wahlreporter über mögliche Koalitionen spricht, legt Mona Neubaur die Hände vor ernstem Gesicht zusammen, es werden Entscheidungen zu treffen sein. Wenn Zwei sich streiten, freuen sich die Grünen, hatte das Land geunkt. Sie selbst hat das so kommentiert: „Es ist gar nicht spielentscheidend, welcher Mann Ministerpräsident wird.“ Ob Hendrik Wüst (CDU) oder Thomas Kutschaty (SPD), Schwarz-Grün oder Ampel, das entscheidet jetzt ihre Partei. Dass die Grüne Schwarz trägt an diesem Abend, diesmal ein Etuikleid, ist ja noch keine Koalitionsaussage, das tut sie immer.
Kenner haben ihr zuletzt eine Nähe zur CDU nachgesagt, am Wahlabend will Neubaur nicht konkret werden – auch nicht, als man ihr vorhält, ihre Wähler wollten am liebsten Rot-Grün. Eine Farbenpräferenz dürfe es nicht geben. Wohl sagt sie dies: Die „Menschheitsaufgabe Klimaschutz“ sei in Sondierungsgesprächen nicht verhandelbar. Welcher Koalitionsvertrag auch immer, „es wird eine starke grüne Handschrift geben“. Nur wenig später wird CDU-Mann Wüst den „Klimaschutz“ unter den wichtigsten Themen im Land zuerst nennen. Und er wird „Antworten auf die Fragen dieser Zeit“ ankündigen. Mona Neubaur spricht gern von Politik „auf der Höhe der Zeit“.
Grüne lobt „Haltung und Kompass“ der Kollegen im Bund
Sie selbst hat am Morgen im Klassenzimmer einer katholischen Grundschule gewählt. „Jedes Mal ein Gänsehaut-Moment“, twittert sie. Mit zwei Sonnenblumen garniert sie das, was sie auch in die Mikrofone sagt: „Ich bin froh, in einem freien Land wählen zu können.“ In der Politik sei es gerade in Krisenzeiten wichtig, „Haltung und Kompass zu haben“, sagt sie am Abend vor ihren Anhängern. Die Düsseldorferin mit bayerischen Wurzeln lobt den Politikstil ihrer Partei im Bund: „Ehrliche Kommunikation, Ziele behalten, pragmatische Wege finden.“
Wie anders ist dieser Wahlsonntag in NRW als jener 2017, als die Partei fast fünf Prozent der Wählerstimmen verlor und damit ihren Platz in der Regierung – und beinahe auch noch den Fraktionsstatus im Parlament. 6,4 Prozent holten die Grünen am Ende, weniger als die AFD. Eine bittere Niederlage. Fünf Jahre und eine Ampel-Koalition in Berlin später wird Mona Neubaur, bisher nicht einmal Abgeordnete, zum ersten Mal regieren: wohl als stellvertretende Chefin.