Essen. Die Trennung von der Freundin akzeptierte der 23-jährige Essener nicht. Da stach er auf ihre Mutter ein. Jetzt steht er vor Gericht.
Er hatte beste Startchancen, machte beruflich etwas aus seinem Leben. Aber am Ende akzeptierte der 23 Jahre alte Felix S. es einfach nicht, dass seine Freundin sich von ihm getrennt hatte. Seit Dienstag steht er vor dem Essener Schwurgericht, weil er auf die Mutter seiner Ex-Freundin eingestochen haben soll. Auf versuchten Mord lautet die Anklage von Elke Hinterberg.
Heimtücke wirft die Anklägerin, im Saal wird sie von ihrer Kollegin Sarah-Kristina Erl vertreten, dem jungen Mann vor, der in einer ruhigen Wohngegend in der Nähe des Essener Uni-Klinikums gelebt hat. Sein Lebensweg vor jenem verhängnisvollen 30. August 2021 kannte keine Hürden. Das Abitur hatte er problemlos auf dem Burggymnasium bestanden, danach zwar ein BWL-Studium nach drei Semestern abgebrochen. Direkt anschließend absolviert er aber erfolgreich eine Lehre zum Immobilienkaufmann und arbeitete in diesem Bereich bei einem großen Essener Unternehmen.
Beim Opfer gehörte er zur Familie
Bei seinem späteren Opfer gehörte er zur Familie. Zwei Jahre lang war er mit seiner etwas jüngeren Freundin zusammen, fuhr mit ihrer Familie in den Urlaub. Aber im Juni 2021, etwa sechs Wochen vor der Tat, machte die Freundin Schluss. Er reagierte heftig darauf, erzählte sie. Immer wieder bat er um Aussprachen, schickte WhatsApp-Nachrichten, bettelte um eine gemeinsame Zukunft.
Und drohte mit seinem Selbstmord. Das führte dazu, dass die Freundin ihre Mutter informierte. Die beherzte Frau nahm sich des jungen Mannes an, sprach mit ihm über seinen Liebeskummer und fuhr ihn zu seinen Eltern. Herzlich umarmten beide sich zum Abschied. Auf den Rat seiner Eltern ging er zum Uni-Klinikum, kam auf die Kriseninterventionsstation.
Auf eigenen Wunsch Klinik verlassen
Die Ärzte empfahlen zwar eine Langzeittherapie, doch ihm dauerte das alles zu lange. Auf seinen Wunsch hin verließ er am nächsten Morgen die Station und kehrte zurück zu den Eltern.
Geheilt war er zu diesem Zeitpunkt keineswegs. Die Chat-Verläufe zeigen, dass er nach der Entlassung am 30. August mehrfach seine Ex-Freundin anschrieb und um ein letztes Treffen bat. Sie lehnte ab, mehrfach.
Selbstgebackener Kuchen als Geschenk
Was danach in seinem Kopf vorging, wird vielleicht nur er selbst wissen. Seinen Eltern sagte er, er wolle noch einmal zur Mutter der Freundin und sich bei ihr für die Hilfe am Vortag bedanken. Dabei wolle er ihr einen selbstgebackenen Kuchen schenken. Die Eltern hielten davon eigentlich nichts.
Er fuhr dennoch zur Doppelhaushälfte nach Essen-Schuir. Es ist ein ruhiges Wohnviertel mit Reihen- und Einfamilienhäusern, in dem die Freundin lebte. Das Reiche-Leute-Viertel des Essener Stadtteils Bredeney ist nur durch eine Straße getrennt.
Plötzlich Messer gezogen
Felix S. schellt an, überreicht der etwas skeptischen Mutter seiner Ex-Freundin den Kuchen. Sie geht damit in die Küche, um ihn auf einen eigenen Teller zu legen. Felix S. folgt ihr wie selbstverständlich. Tatsächlich ist es selbstverständlich, denn er ist in diesem Haus jahrelang ein- und ausgegangen.
Arg- und wehrlos ist die Frau, sagt die Anklage. In diesem Moment habe Felix S. das vorher verborgene Messer gezückt und mit der elf Zentimeter langen Klinge mehrfach auf die 50-Jährige eingestochen. Er stach laut Anklage auf ihren Brustkorb ein, traf ihre Arme, ihr Gesicht.
Notoperationen retten ihr Leben
Ihre lauten Schreie alarmierten ihre Tochter im Dachgeschoss und Nachbarn. Diese stürzten herbei, Felix S. lief zu seinem Auto und flüchtete. Mit Notoperationen retteten die Ärzte im Uni-Klinikum der Frau das Leben.
Felix S. fuhr zu einer ländlichen Gegend in Düsseldorf. In Telefonaten mit seinem Vater, seinem Bruder und einem Kripo-Beamten drohte er zwar immer wieder mit Selbstmord, verwirklichte die Ankündigung aber nicht. Irgendwann teilte er seinen genauen Standort mit und ließ sich festnehmen.
Psychiaterin von Notwehr berichtet
Bei Polizei und Haftrichter schwieg er. Erst bei der Untersuchung durch die psychiatrische Gutachterin Maren Losch erzählte er seine Version der Tat. Recht langatmig, so formulierte er schon seine WhatsApp-Texte an die Freundin, schilderte er seine Nöte, berichtete aber auch von einer Art Notwehrsituation.
Er könne sich zwar nicht erklären, warum er auf die Frau eingestochen habe, sagte er mal. Er wisse aber noch, dass diese auch ein Messer in der Hand gehalten habe.
Felix S. gilt als voll schuldfähig
In einem von seinem Verteidiger Volker Schröder eingereichten Brief des Angeklagten behauptet Felix S. sogar, das Opfer habe ihn vorher mehrfach als "Schwein" beleidigt. Das wiederholte er am Dienstag auf zwölf eng beschriebenen Seiten. Er warf dabei ausführlich seinen Eltern vor, ihn nur unter Druck gesetzt zu haben. Auch seine Ex-Freundin habe kein Verständnis für seine Nöte gehabt.
Juristisch hat er damit bislang nicht viel erreicht. Die Anklage sieht keine Notwehrsituation, und Gutachterin Losch stuft ihn als voll schuldfähig ein in ihrem vorläufigen Gutachten. Das Schwurgericht hat erst einmal fünf Verhandlungstage angesetzt.