Düsseldorf/Ratingen. Miteigentümer eines Hauses in Ratingen fordern den Abbau eines Geldautomaten im Erdgeschoss. Sie fürchten um ihr Leben, falls er gesprengt wird.
Fußgängerzone Ratingen, Düsseldorfer Straße. Im Erdgeschoss eine Filiale der Santander Bank, darüber zwei Stockwerke mit Wohnungen und Büros. Und mit Menschen, die sich in diesen Räumen nicht mehr sicher fühlen und deshalb die Bank verklagt haben, damit der Geldautomat im Vorraum abgebaut wird. Denn sie fürchten, dass Verbrecher ihn in die Luft jagen könnten, um an Bargeld zu kommen. Und dass dabei das Haus irreparabel beschädigt werden könnte, im schlimmsten Fall so stark, dass das Leben der Anwohner in Gefahr gerät. „Es ist“, sagt Ulrich Möller, einer der Miteigentümer, „doch nur eine Frage der Zeit, bis auch hier etwas passiert. Das ist wie Russisches Roulette.“
Banden kommen oft aus den Niederlanden
Die Sorge des 65-Jährigen ist nicht unbegründet. Seit einigen Jahren schon geraten – vor allem in NRW – Geldautomaten ins Visier der Räuber. Die meisten Täter kommen nachts mit schweren Limousinen über die Grenze aus den Niederlanden, wo es wegen stetig steigender Kartenzahlungen kaum noch Bankautomaten gibt. Doch auch in Deutschland wird der Fischzug immer schwieriger.
So machen moderne Lüftungsanlagen eine Sprengung mit eingeleitetem Gas – lange Zeit die beliebteste Methode der Ganoven – mittlerweile fast unmöglich. Deshalb setzen die Banden nun immer öfter auf selbst gemischten Sprengstoff. Gefährlich sei beides, sagt Thomas Jungbluth, Leitender Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt in Düsseldorf. „Aber Sprengstoff ist in unseren Augen eine Steigerung.“
Der Schaden wird immer größer
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Zwar ist die Zahl der Fälle in NRW leicht gesunken – von rund 170 im Jahr 2020 auf 151 im vergangenen Jahr. Aber der Schaden, der bei den Sprengungen entsteht, wird immer größer. So gilt ein Haus im Essener Stadtteil Kupferdreh nach der Sprengung eines Geldautomaten im Januar als einsturzgefährdet. Und auch in Duisburg mussten in der vergangenen Woche 23 Anwohner in vorübergehend ihre Wohnungen verlassen, nachdem Unbekannte einen Geldautomaten in die Luft gejagt hatten. Erst nachdem ein Statiker das Haus inspiziert hatte und keine Einsturzgefahr bestand, durften sie wieder zurück.
„Die Täter werden immer brutaler“, hat nicht nur Möller festgestellt. Selbst Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) in Düsseldorf, räumten bereits im vergangenen Jahr ein, es sei „ein Wunder“, dass noch keine Menschen zu Schaden gekommen seien.
Aber auf Wunder will sich Ulrich Möller nicht verlassen. Deshalb ist er vor Gericht gezogen – und hat in erster Instanz verloren. Auch bei der Berufung scheinen die Chancen schlecht zu stehen. Zwar soll die Entscheidung des 9. Zivilsenates des Düsseldorfer Oberlandesgerichts erst am 21. März bekannt gegeben werden.
Richter geben erste Einschätzung ab
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Doch die Einschätzung des Vorsitzenden Richters Dr. Joachim Unger dürfte den Klägern wenig Mut gemacht haben. Natürlich kennt er die Problematik, aber dennoch hält Unger die Gefahr einer Sprengung für „abstrakt und gering“. Schließlich liege die Zahl der Sprengungen bei 70.000 Geldautomaten bundesweit bei 350, sagt der Richter und rechnet vor: „Das sind 0,5 Prozent.“
Es bringe aber auch nichts, den Geldautomaten gegen ein neues Modell auszutauschen. Je widerstandsfähiger die Automaten seien, desto mehr Sprengstoff würden die Täter einsetzen und die Gefahr für Kollateralschäden damit vergrößern. Das sei aber, genau wie eine Verkürzung der Betriebszeiten, in der Klage gar kein Thema gewesen.
Eigentümer müssen sich einig sein
Um all das, so Unger weiter, gehe es im aktuellen Fall allerdings ohnehin nicht. Denn es gibt eine Teilungserklärung der Eigentümer aus dem Jahr 1971 – also eine formelle Aufteilung des Gebäudes. Sie erlaubt eine Bankfiliale im Erdgeschoss und damit grundsätzlich auch einen Geldautomaten. Sein Einbau sei weder „eine unzulässige Veränderung am Haus noch eine unzulässige Nutzung“, so Unger.
Um so eine Teilungserklärung nachträglich zu ändern, ist die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich. „Einigen Sie sich“, gab das Gericht Möller mit auf den Weg. Dann ließe sich der Abbau des Bankomaten wohl durchsetzen. Doch genau da liegt das Problem dieses Falls. Denn der Miteigentümer, der seine Zustimmung beharrlich verweigert, ist – wenig überraschend – der Vermieter der Bankfiliale.
„Wahrscheinlich“, unkte Möller im Saal, „müssen wir warten, bis das Ding in die Luft fliegt. Dann hat sich das Problem erledigt.“