Gelsenkirchen. 25 Jahre nach seinem Tod hat Schalke seine Legende Stan Libuda umgebettet: Er liegt jetzt auf dem Fan-Feld, sein Grab trägt seine Rückennummer.

Sein Grab ist bereits eingeebnet, aber Stan Libuda ist nicht „weg“. Einen wie ihn kann Schalke nicht gehen lassen, nicht ein zweites Mal, und diesmal wäre es ja wirklich für immer gewesen. Mehr als 25 Jahre nach seinem Tod hat der legendäre Rechtsaußen am Samstag seine allerletzte Ruhe gefunden, nun soll sie aber „ewig“ dauern, sagen sie bei der Stiftung Schalker Markt: Reinhard „Stan“ Libuda wurde umgebettet auf das Fan-Feld, er liegt jetzt unter blau-weißen Blumen in Grab Nummer 7 – seine alte Rückennummer.

Nicht jeder hat ihn noch spielen sehen, 50 Jahre ist das jetzt auch schon wieder her, aber diesen Spruch kennen immer noch alle: „Keiner kommt an Gott vorbei – außer Stan Libuda.“ Ein Satz „wie ein Denkmal“, wie Schalkes Sportvorstand Peter Knäbel sagt. In Gelsenkirchen formuliert, unter einer kirchlichen Werbung in einer Dortmunder Straßenbahn ergänzt, von Gott persönlich „hingepinselt“, wie Probst Markus Pottbäcker („Gott hat Humor“) in seiner Traueransprache neu deutet? „Alles gar nicht wahr“, sagt ein Schalker am Samstag im Gehen, „aber trotzdem eine schöne Geschichte.“ Die Stiftung erzählt sie auf ihrer Kranzschleife noch einmal anders: „Keiner kommt an Gott vorbei. Und das ist auch gut so.“

Stan Libuda mit dem Pokal von 1972: So verabschiedete sich Schalke am Samstag ein zweites Mal von seinem Helden.
Stan Libuda mit dem Pokal von 1972: So verabschiedete sich Schalke am Samstag ein zweites Mal von seinem Helden. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Keiner kommt an Gott vorbei, außer Stan Libuda

Es gibt keinen Zweifel in der eisigen Trauerhalle von Beckhausen-Sutum: Der schnelle Stan, der ist auch nicht an Gott vorbeigerannt, der ist jetzt bei ihm. Und diese zweite Trauerfeier, sie ist eine zweite Gelegenheit, Abschied zu nehmen, „noch einmal Danke zu sagen für dieses Leben, das bis heute seine Wirkung auf uns ausdehnt“, sagt Probst Pottbäcker. Sie werde die Erinnerung wach halten, verhindern, dass sie verschwindet, so ähnlich hat das auch Ender Ulupinar, Geschäftsführer des Fan-Felds, gesagt: Man werde „einen Erinnerungsort für einen der größten Schalker aller Zeiten schaffen, damit Stan Libuda nie vergessen wird“.

Aber wie könnten sie: diesen Stan, der Fußball spielte wie wohl nie wieder ein anderer bei Schalke 04. Diesen Stan, den sie so nannten nach seinem englischen Kollegen Stanley Matthews, weil er ähnlich schnell dribbelte; „links einknicken, rechts vorbeiziehen“, das erzählen sie auch am Samstag immer wieder: „Überirdisch“ sei das gewesen, keiner konnte das so wie er (und er beherrschte denselben Trick auch andersrum). Stan, der bei der WM 1970 ein „Jahrhundertspiel“ machte, den sie auf Schalke glühend verehrten und in Dortmund ebenso liebten – weil er dort das vielleicht wichtigste Tor aller Zeiten schoss: Seine berühmte „Bogenlampe“ zum 2:1 in der Nachspielzeit brachte dem BVB 1966 den Europapokal.

„Legenden im Ruhrgebiet haben etwas von Gelsenkirchener Barock“

Ein Gelsenkirchener, der auch in Dortmund historische Erfolge feierte: Deshalb gehört auch BVB-Präsident Reinhard Rauball zu den Trauerrednern.
Ein Gelsenkirchener, der auch in Dortmund historische Erfolge feierte: Deshalb gehört auch BVB-Präsident Reinhard Rauball zu den Trauerrednern. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Deshalb reden sie beide, Schalke-Sportvorstand Peter Knäbel und BVB-Präsident Reinhard Rauball, und sie überbieten sich ein bisschen in ihrem Anspruch auf den Helden: „Er war glücklich auf Schalke.“ – „Er war ein Westfale und stolz darauf.“ Zudem haben sie ihn alle auch noch gemocht, den „stillen Stan“, der Bodenständigkeit gelebt habe, den „Spielkameraden im tiefsten Sinne des Wortes“, wie der Probst sagt. „Legenden im Ruhrgebiet haben nicht goldene Schnörkel. Sondern etwas von Gelsenkirchener Barock.“

Aber es gab auch die andere Geschichte, die traurige: wie Stan mitmischte beim Bundesliga-Skandal, wie er später arbeitslos war, wie er starb schon mit 52 nach einem Schlaganfall. „Libuda war kein Betrüger, aber er war wankelmütig“, sagt Knäbel. Sein Meineid 1972 brachte ihm eine Vorstrafe ein – der Grund, warum die Stadt Gelsenkirchen ihm kein Ehrengrab schenken konnte. Was also tun, als der Vertrag für die Grabstätte auf dem Ostfriedhof kürzlich nach einem Vierteljahrhundert auslief? Die Stiftung Schalker Markt und der Verein finden eine Lösung, die Familie ist einverstanden. Und so kommt es, dass Stan Libuda am Samstag um 11.54 Uhr (die Feier begann um 11.04 Uhr) von sechs Herren mit Vereinsschal in einem neuen Sarg ein zweites Mal in die Erde gelassen wird. Gleich da, wo die Blumenrabatten ein S formen: S wie Schalke, aber auch S wie Stan.

Klaus Fichtel, Klaus Fischer, Sigi Held und die Kremers-Zwillinge am Grab

Am Grab nimmt Sohn Matthias Libuda Abschied. Im Hintergrund Probst Markus Pottbäcker (r.) und Trauergäste, unter ihnen ehemalige Schalker.
Am Grab nimmt Sohn Matthias Libuda Abschied. Im Hintergrund Probst Markus Pottbäcker (r.) und Trauergäste, unter ihnen ehemalige Schalker. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Klaus Fischer, auch so eine Vereinslegende, trägt die Fahne. Andere sind gekommen, die immer mit Schalke verbunden sein werden: Fischers Sturm-Partner Rüdiger Abramczik, die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut, Klaus Fichtel, Olaf Thon, Ex-Präsident Gerhard Rehberg. Aus Dortmund sind die 1966er-Mitspieler Sigi Held und Wolfgang Paul gekommen. Es wird leise gelacht auf dem Friedhof, es ist auch ein Wiedersehen: „Du hast dich gar nicht verändert.“ Dabei sind sie fast alle weiß geworden, wenigstens: grau. Ganz vorn im Trauerzug geht Matthias Libuda, der Sohn, mit blaugemustertem Schal und Schalke-Käppi. Ein Saxophon spielt das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich dich“.

Reinhard „Stan“ Libuda, 10. Oktober 1943 bis 25. August 1996, liegt am Mittelkreis des als Stadion angelegten Grabfeldes, begraben neben den Meisterspielern Adolf „Ala“ Urban und Ernst Poertgen, beide ebenfalls umgebettet. Am Kranz des „Supporters Club“ weht eine Schleife: „Legenden sterben nie.“ Libuda selbst, das ahnen sie hier alle, wäre das viele Aufhebens unangenehm gewesen, aber er hätte sich bedankt. Und so bedankt sich auch der Pfarrer noch ein letztes Mal. Die Botschaft am neuen Grab sei: „Du bist in Frieden und geborgen. Und jetzt ist es gut.“

>>DAS FAN-FELD IN GELSENKIRCHEN

Das Schalker-Fan-Feld ist ein Gemeinschaftsgrabfeld auf dem Friedhof in Beckhausen-Sutum im Gelsenkirchener Norden, mit Blick auf die Arena. Es wurde im Dezember 2012 eingeweiht. 1904 Gräber stehen auf dem einem Fußballplatz inklusive Rängen und zweier Tore nachempfundenen Gelände zur Verfügung. Fans können sich eine Grabstätte reservieren lassen und sie für 25 Jahre kaufen.