Gelsenkirchen. . Blau und weiß für immer. Das Schalker Fanfeld auf dem Friedhof Beckhausen-Sutum in Gelsenkirchen ist nur halb so groß wie ein Fußballplatz, sieht aber aus wie ein ganzer: zwei Tore inklusive.

Bruno Kalinowski ist noch einmal umgezogen, und „er wäre glücklich“ darüber. Jedenfalls nimmt seine Familie das an, sie kann ihn nicht mehr fragen: Bruno ist schon fünf Jahre tot. Aber blau und weiß war er ein Leben lang, 60 Jahre ein Schalker – und nun bleibt er es noch länger. Für Kalinowski war es die zweite Beerdigung, aber für den neuen Fan-Friedhof in Gelsenkirchen die allererste. Unter blau-weißen Kränzen liegt Kalinowskis Asche jetzt, im obersten Rang, die Arena im Rücken und daneben seine Frau. Hannelore ging immer mit auf Schalke, nun tat sie es auch im Tod – nur ohne „S 04“ auf dem Stein.

Königsblaue Flutlichtmasten

Natürlich war das ein trauriger Moment, die kleine Familie, zwei Urnen im Schneetreiben. Zugleich war er aber auch skurril: eingefangen von Dutzenden Kameras, beleuchtet von königsblauen Flutlichtmasten, eingerahmt von Menschen in Vereinsfarben statt in Schwarz. Menschen, die dem Ganzen mit einer gewissen, ja, Vorfreude begegnen: „Ich weiß schon, wo ich liegen werde, ist doch super-geil!“ Sagt etwa Markus Kotowski, schon wieder so ein Name. Er hat sechs Fan-Schals am Arm und Grabstelle Nummer 620 gekauft, mit gerade einmal 45 Jahren. Und er ist gekommen, weil zur „Einweihung“ alle 60 Schalker eingeladen sind, die hier schon ein Plätzchen gefunden haben. „Vielleicht kenn’ ich den einen oder anderen, der auch hier liegt, dann bin ich auch im Tod unter Gleichgesinnten.“

Tatsächlich steckt ebendiese Idee hinter dem Friedhof, der eigentlich „nur“ ein Gemeinschafts-Grabfeld ist auf der Anlage in Beckhausen-Sutum. Das „Schalker Fanfeld“ ist nur halb so groß wie ein Fußballplatz, sieht aber aus wie ein ganzer: zwei Tore, ein geblümtes Vereinsemblem, wo sonst der Mittelkreis wäre, ansteigende „Ränge“, blau-weißer Gitterzaun. Die Gärtner haben ganze Arbeit geleistet, 15 000 Tonnen Boden ausgehoben, 30 000 Bodendecker gepflanzt, die Hälfte blau gespritzt.

Freddy Pachtmann nennt das Ergebnis seinen „Heiligen Gral“. Jeden Sonntag ist der 54-Jährige aus Herne hergekommen zuzusehen, wie seine letzte Ruhestätte wächst. Er besaß schon eine anderswo; die hat er nun, sagen wir, umgetauscht und neulich beim Bestatter auch eine Urne ausgesucht. Pachtmann zeigt ein Foto: blau-weißer Fußball auf dem Deckel, was sonst („daneben stand so ein Zeckending“). Auf Platz 29 wird er liegen, dieselbe Nummer wie seine Sitzschale in der Arena. Kotowski im königsblauen Ornat hat nach der Sicht ausgewählt; „wie in der Nordkurve im Parkstadion, damals“.

Vielleicht ist das alles tatsächlich „ein normaler Vorgang“, wie sogar Schalke-Pfarrer Hans-Joachim Dohm sagt – bei diesem Verein, in dem Babys manchmal eher angemeldet werden als auf dem Standesamt. „Ober-Fan“ Rolf Rojekt (übrigens gebucht für die Grabstelle 04) jedenfalls fragt: „Wenn man überall Schalke hat, im Schlafzimmer, im Badezimmer, warum nicht auch auf dem Friedhof?“

Oder Dagmar Scholl aus Bonn, die „muss hier beerdigt werden“, auf 504, weil das aussieht wie „S04“. Der Bestatter weiß Bescheid: Trikot, Schal, „muss alles mit ‘rein“. Dann hat sie, 55, dereinst „alles so wie ich will: ein bisschen Heimat“.

Und Markus Kotowski entkommt mit dem Tod sogar dem Teufel: „Winterpause, Sommerpause in der Liga, das ist die Hölle für mich!“ Der Himmel wird der Fan-Friedhof nicht sein, aber Unterschiede macht er keine mehr.