Soest. In Soest hat die Allerheiligenkirmes stattgefunden. Auf den ersten Blick war es eine Kirmes wie immer. Auf den zweiten aber war manches anders.

Gebrannte Mandeln und gebratene Würstchen, bunte Lichter, laute Musik. Es geht hoch in die Luft oder immer im Kreis herum. Manchmal auch beides und oft gefühlt Zentimeter an den Fachwerkhäusern vorbei. Kinder lachen, Erwachsene juchzen – es ist Kirmes. Nicht irgendeine, sondern Allerheiligenkirmes in Soest – nach eigener Einschätzung die größte Altstadtkirmes Europas mit bis zu einer Million Besuchern. „Endlich wieder“, sagen viele Menschen. „Viel zu früh“, finden andere angesichts der derzeit explodierenden Corona-Infektionszahlen.

Schon am Nachmittag herrscht Betrieb

Jung ist der Nachmittag, doch natürlich herrscht schon Betrieb in den Gassen der Soester Innenstadt. Vor allem Familien sind unterwegs zwischen Riesenrad und Musikexpress. „Natürlich macht man sich Gedanken“, sagt eine Mutter, die mit ihren sieben- und neunjährigen Töchtern gekommen ist. „Die Kinder sind ja nicht geimpft. Aber erklären sie den beiden mal, warum sie in die Schule müssen, aber nicht auf die Kirmes gehen sollen.“

Ein Problem, das auch Marco Waller kennt, der mit seinem elfjährigen Sohn an einer Bratwurstbude steht. „Man versteht ja so vieles nicht mehr in diesen Tagen.“ Ein paar Meter weiter herrscht Gelassenheit bei einer vierköpfigen Familie, die aus dem Nachbarort Werl angereist ist. „Ist ja draußen“, sagt der Vater, „da wird schon nichts passieren“. Seine Frau nickt. „Außerdem wird ja kontrolliert.“

Zugänge zur Innenstadt lassen sich nicht kontrollieren

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Was schwieriger ist, als es klingt. Schließlich lässt sich eine komplette Innenstadt mit ihren Geschäften und Anwohnern nicht mal eben kurzerhand über mehrere Tage absperren. Deshalb hat die Stadt das auch gar nicht erst versucht und auf Einlasskontrollen an den rund 100 Zugängen verzichtet. Stattdessen sind Streifen des Ordnungsamtes unterwegs, die „stichprobenartig“ kontrollieren, ob die 3G-Regeln erfüllt werden.

Die Veranstaltung in Soest gilt als größte Altstadtkirmes Europas
Die Veranstaltung in Soest gilt als größte Altstadtkirmes Europas © FUNKE Fotos Services | Fabian Strauch

Das werden sie anscheinend. „An den ersten beiden Veranstaltungstagen sind von den Teams der Stadt insgesamt 1733 Personen kontrolliert worden. Dabei wurde kein einziger Verstoß gegen die 3G-Regel festgestellt“, zitiert Stadtsprecher Thomas Bottin aus der „Halbzeitbilanz“ der „Abteilung Bürger und Ordnungsangelegenheiten“. 1365 Menschen machten in der gleichen Zeit an einer der extra aufgebauten Stationen einen Corona-Schnelltest – nur bei zwei von ihnen war das Ergebnis positiv. Auch das ist aus Sicht der Stadt „erfreulich“.

Nur wenige tragen eine Maske beim Kirmesbesuch

Und trotzdem: „Es sind eindeutig weniger Besucher als vor Corona“, hat Klaus-Peter Stahlschmidt festgestellt, der auf der Kirmes seit Jahren gebrannte Mandeln verkauft. „Es gibt immer noch viele Menschen, die verunsichert sind.“ Marlies Sindermann ist eine von ihnen. Brot und Aufschnitt für das Wochenende hat sie noch besorgt, ist aber froh, dass sie wieder heraus ist aus der Stadt. „Wenn ich die vielen Leute sehe, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Das kann doch nicht gutgehen“, fürchtet die 77-Jährige.

Gut nur, dass sie nicht mehr vor Ort ist, als sich Dunkelheit über die Stadt gelegt hat. Eng wird es da auf den Straßen, Abstand halten ist schwierig bis unmöglich und der Maskenempfehlung folgen nur sehr wenige Besucher. Magnus (22) und Moritz (21) haben damit keine Probleme. Sie wollen alle Abende kommen, obwohl das Feuerwerk, das sonst besonders viele Menschen anlockt, in diesem Jahr ausfällt. „Wir sind ja froh, dass endlich mal wieder etwas los ist.“ Sorgen machen sie sich keine. „Wir sind zweifach geimpft. Alle in unserer Clique sind das.“ Nicht aus Angst um die eigene Gesundheit. „Aber sonst kommt man ja irgendwann nirgendwo mehr rein.“

Kneipen in der Altstadt melden deutlichen Besucherrückgang

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Manchmal aber gibt es auch gar nichts, wo man herein kommen kann. Das beliebte Bördezelt etwa, sonst einer der Party-Hotspots der Kirmes, ist gar nicht erst aufgebaut worden. Die zahlreichen Kneipen in der Altstadt scheinen davon kaum profitiert zu haben. Wie die Kirmesveranstalter selbst melden sie geschätzt sogar einen Besucherrückgang von rund einem Viertel. Sven (34) zuckt die Schultern. „Wo ich letzte Nacht war, wurde am Eingang zwar streng kontrolliert, aber es war proppevoll.“ Und nach mehreren Gläschen Bier und „Bullenauge“, wie die so nur in Soest kredenzte Mischung aus Mokka-Likör und Sahne genannt wird, „haben wir uns irgendwann alle in den Armen gelegen.“ Macht nichts. „Bin ja geimpft.“

Rummel zwischen Fachwerkhäusern: Die Allerheiligenkirmes in Soest
Rummel zwischen Fachwerkhäusern: Die Allerheiligenkirmes in Soest © FUNKE Fotos Services | Fabian Strauch

Auch die Männertruppe, die aus Witten angereist ist, hat nicht lange über den Kirmesbesuch nachgedacht. Masken getragen, keinen Geburtstag gefeiert, immer wieder Tests gemacht und sich impfen lassen – „wir haben alles gemacht, was die Politiker sich gewünscht haben“, sagt Christian (48). „Aber irgendwann muss auch mal gut sein.“