Ruhrgebiet. Seit Monaten herrscht Terminstau bei Fahrprüfungen. Gibt es zu wenige Prüfer beim TÜV? Oder haben die Fahrschulen die Terminbuchung verpatzt?
Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer müssen in diesen Tagen ein besonders dickes Fell haben. Seit Wochen, ja seit Monaten haben sie, wenn man so will, auch in bürokratischer Hinsicht mit Stau und zähfließendem Verkehr zu tun. Es hakt bei den Terminen für Führerscheinprüfungen. „Nach wie vor gibt es zu wenig Prüfungsplätze und Prüfer“, sagt Michael Echelmeyer, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbandes Westfalen. „Wir bekommen den Frust von Fahrschülern – und häufig auch deren Eltern – unmittelbar ab. So langsam reißt deren Geduldsfaden.“
Für diese Woche hatte Fahrlehrer Echelmeyer acht Prüfungsplätze beantragt. „Ich habe keinen einzigen bekommen“, erzählt der Westfale, der mittlerweile ein Meister des vertröstenden Wortes geworden ist, auch wenn er für den Umstand nichts kann. Wer denn? „Mein Eindruck ist, dass wir es hier mit einer verfehlten Personalpolitik beim TÜV zu tun haben“, sagt er, und erinnert an das Monopol des TÜV auf dem Weg zur Fahrerlaubnis und dessen gern verwendeten Hinweis auf die Pandemie, in der Fahrschulen zeitweise geschlossen waren und sich ein Berg an Prüfungen angesammelt habe.
TÜV Nord: Eingeschränkter Prüfbetrieb während der Pandemie
Prüflinge mussten und müssen zum Teil mit Wartezeiten von mehreren Wochen rechnen. Insbesondere für angehende Berufskraftfahrer, die den Führerschein für ihren Job benötigen, ist die Situation unbefriedigend. „Das Problem ist, dass wir die bestellten Plätze nicht bekommen“, bemängelt auch Wolfgang Hermanski, der ein halbes Dutzend Fahrschulen in Essen betreibt, die geringen Kapazitäten beim TÜV. Etwa 80 Fahrschülerinnen und Fahrschüler seien prüfungsreif. Statt an zwei bis drei Tagen könnten derzeit jedoch nur an 1,5 Tagen Prüfungen stattfinden.
Nachfrage beim TÜV Nord, dessen Presseabteilung mittlerweile darin geübt ist, zu erklären, was es mit dem Prüfungsstau auf sich hat: Sprecher Rainer Camen verweist darauf, dass der „Fahrschul- und Prüfbetrieb“ in der Pandemie „nicht uneingeschränkt durchgeführt werden“ konnte. Des Weiteren sei die Zahl der Wiederholungsprüfungen gestiegen, was zusätzliche Prüfkapazitäten zur Folge habe. Die zunehmende Zahl an Prüfungen in den Zweiradklassen sowie die Verlängerung der praktischen Fahrprüfung von 45 auf 55 Minuten wirke sich zudem aus.
„Es ist richtig“, erwidert Fahrlehrer Michael Echelmeyer, „dass nach dem Start der optimierten praktischen Führerscheinprüfung (OPFEP) Anfang des Jahres statt elf Prüfungen am Tag nur noch acht vorgenommen werden können.“ Aber: „Das war dem TÜV lange bekannt. Er hat zu lange versäumt, mehr Leute einzustellen.“
TÜV-Mann Rainer Camen will davon nichts wissen: „Den Effekt der OPFEP haben wir in unserer Planung berücksichtigt“, sagt er und verweist auf Personaleinstellungen in den Vorjahren. Aber: „Der gestiegene Gesamtaufwand in der aktuellen Corona-Pandemie führt zu einer nicht planbaren Verschärfung.“ Camen findet jedoch, dass die Verzögerungen bei den Prüfterminen durchaus in einem akzeptablen Rahmen seien: „In Anbetracht der gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie erscheint der etwas verspätete Erwerb eines Führerscheins in der Regel durchaus zumutbar.“
Termine im Voraus gebucht: „Für uns ist das Problem nicht so gravierend“
Dass viele Fahrschulbetreiberinnen und -betreiber „so ein Fass aufmachen“, kann Fahrlehrer Mark Bollmann nicht verstehen. „Das ist eine Frage der Planung“, sagt Bollmann, der vier Fahrschulen in Bochum betreibt. Zu Beginn des Jahres habe er die Termine für das ganze Jahr gebucht. Zwar sei auch er, bedingt durch den Prüfungsstopp beim TÜV während des Lockdowns, einige Wochen im Verzug. 31 Fahrschülerinnen und Fahrschüler stünden derzeit auf der Warteliste. Aber: „Die Termine stehen“, sagt Bollmann. „Wir arbeiten die Prüfungen jetzt nacheinander ab.“
Wer dagegen die Prüfungstermine nur drei Wochen im Voraus buche, müsse derzeit damit rechnen, erst in zwei Monaten einen Termin zu bekommen – und ist laut Bollmann selbst schuld: „Die Betreiber geben dem TÜV ja nicht die Möglichkeit, zu disponieren“, sagt er. „Für uns als Fahrschule ist das Problem nicht so gravierend.“
Für die Schülerinnen und Schüler dagegen schon: Erst kürzlich habe eine Mutter den Fahrlehrer angerufen und sich beschwert: Ihr Sohn sei schon vor vier Wochen prüfungsreif gewesen, müsse nun, kurz vor der Prüfung, aber noch einmal zwei Fahrstunden nehmen. „Das ist ärgerlich“, sieht Bollmann ein. Während die zusätzlichen 100 Euro dem einen egal seien, täten sie dem anderen „ganz schön weh“. Allerdings: Dass Fahrschülerinnen und -schüler vermehrt durchfallen, habe dadurch vermieden werden können.
Personalmangel beim TÜV: „Das war schon vor Corona so“
Michael Echelmeyer vom Fahrlehrer-Verband Westfalen befürchtet, dass der Prüfbetrieb erst im ersten oder zweiten Quartal 2022 wieder ohne Verzögerungen läuft. Der TÜV Nord verspricht, alles zu tun, um die Situation „schnellstmöglich zu normalisieren“. Man habe alle Dispositionsmöglichkeiten ausgeschöpft, so Sprecher Rainer Camen: „Die Bereitschaft für Mehr-, Samstagsarbeit und Urlaubsverzicht der Fahrerlaubnisprüfer, die Personalausleihe aus anderen Arbeitsgebieten und die Verschiebung bereits genehmigter Urlaubstage.“
Dass es „Defizite“ gibt beim TÜV, etwa zu wenig Personal, daran wird sich aus Sicht des Bochumer Fahrschulbetreibers Mark Bollmann aber so schnell nichts ändern. „Das war auch vor Corona so“, sagt er. Die „kreativste Ausrede des TÜV“, die Bollmann in Bezug auf den Terminstau in den vergangenen Wochen gehört habe: Einige Prüfer seien während der Pandemie in den Ruhestand gegangen. „Wie überraschend.“
Frist für Fahrprüfung verlängert
■ Innerhalb eines Jahres nach Bestehen der Theorieprüfung muss laut Fahrerlaubnis-Verordnung die praktische Fahrprüfung absolviert werden. Andernfalls verliert die theoretische Prüfung ihre Gültigkeit und muss wiederholt werden.
■ Weil die Fahrschulen zeitweise geschlossen waren und keine Prüfungen abgelegt werden konnten, hat das Landesverkehrsamt die Frist im Zuge der Corona-Pandemie um ein halbes Jahr verlängert. Schülerinnen und Schüler hatten nach der Theorie-Prüfung also anderthalb Jahr Zeit, die praktische Prüfung abzulegen. „Wenn jemand das nicht schafft“, so Fahrschulbetreiber Mark Bollmann, „hat das wohl andere Gründe.“