Ruhrgebiet. Ärzte rechnen vor: Geimpfte Menschen reduzieren ihr Corona-Risiko um mehr als 90 Prozent. Auf den Intensivstationen liegen die Ungeimpften.
Die Impfzentren im Land sind dicht – auch weil zuletzt immer weniger kamen, um sich ihre Spritze abzuholen. Dabei wäre die so wichtig, wie aktuelle Zahlen zeigen. Die deutschen Kassenärzte haben ausgerechnet: Menschen, die gegen Corona geimpft sind, haben ein um mehr als 90 Prozent reduziertes Risiko, mit Covid-19 ins Krankenhaus zu müssen.
Über die „Pandemie der Ungeimpften“ spricht Deutschland schon seit Wochen. Da warnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, rechnete vor, dass auf den Intensivstationen mehr als 90 Prozent der Covid-Patienten ungeimpft seien. Tatsächlich lagen etwa auf Dortmunds Intensivstationen zu 95 Prozent Patientinnen und Patienten, die noch gar nicht oder nicht vollständig immunisiert waren. Essens Universitätsmedizin zählte 15 Prozent Geimpfte, die in den Kliniken behandelt werden mussten. Die große Mehrheit: Ungeimpfte. Es sei wichtig, dass die Menschen diesen „eklatanten Unterschied“ sehen könnten, mahnte Chef-Virologe Prof. Ulf Dittmer gegenüber dieser Zeitung.
Herdenimmunität erst ab einer Impf-Quote von mehr als 80 Prozent
Die Zahlen haben sich seither nicht großartig verändert. Die Impfquote kletterte nur um wenige Prozentpunkte auf 64 Prozent, zur Erinnerung: Von einer Herdenimmunität in Deutschland geht das Robert-Koch-Institut (RKI) erst ab einer Quote von mehr als 80 Prozent aus. Städte, Länder, Ärzte grübeln, wie sie Millionen Deutsche doch noch von einer Impfung überzeugen könnten – zumal jetzt, wo seit dem 30. September die Impfzentren geschlossen sind und bestenfalls ein Termin in einer Arztpraxis gemacht werden muss.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen versuchen es erneut mit nackten Zahlen. Auf der Grundlage bundesweiter Statistiken aus den letzten Sommerwochen rechnete die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) aus: Das Risiko, mit einem schweren Covid-Verlauf auf der Intensivstation zu landen, lag im vergangenen Monat bei den über 60-jährigen Ungeimpften bei 13,5 Fällen pro 100.000. Bei den Geimpften gleichen Alters nur bei 0,6 Fällen. Das bedeutet: Geimpfte Menschen reduzieren ihr persönliches Risiko, sehr schwer an Corona zu erkranken, um 96 Prozent.
Risiko einer schweren Erkrankung um mehr als 90 Prozent reduziert
Genauso stark verringert ist die Gefahr bei den 18- bis 59-Jährigen, auch „nur“ im Krankenhaus behandelt werden zu müssen: 1,3 Fälle zählten die deutschen Kassenärzte auf 100.000 Menschen binnen vier Wochen – bei den Geimpften. In dieser Altersgruppe kamen jedoch 31 Ungeimpfte in die Kliniken.
Um immer noch 93 Prozent reduzieren 12- bis 17-Jährige ihr Risiko zu erkranken, wenn sie sich impfen lassen. 33 Impfdurchbrüche bei Geimpften kamen im vergangenen Monat auf fast 500 Krankheitsfälle bei Ungeimpften. Hier wurden allerdings nur jene gezählt, die auch symptomatisch erkrankt waren. Gerade junge Menschen merken bei positiven Tests körperlich oft wenig bis nichts von ihrer Infektion.
Impfung als „begrenzender Faktor“
Die Zahlen, sagt der Vorstandsvorsitzende der KVNO, Dr. Frank Bergmann, bestätigten „die sehr gute Schutzwirkung der Impfung“. Er appelliert einmal mehr an die Bevölkerung, sich immunisieren zu lassen. „Es geht darum, möglichst viele Menschen zu überzeugen, dass sie sich impfen lassen.“ Eine Impfung sei der „begrenzende Faktor“, hat auch der Dortmund Gesundheitsamts-Chef Dr. Frank Renken schon früh festgestellt, unter allen positiv Getesteten seien nur zwischen 12 und 15 Prozent Geimpfte. Und die hätten meist einen eher milden Krankheitsverlauf.
Wer derzeit mit Covid-19 auf der Intensivstation liegt, obwohl er nicht gegen eine Impfung ist, sagen Ärzte, das sind Patientinnen und Patienten, die sich nicht impfen lassen können oder bei denen die Spritze nicht wirkt: weil sie an Blutkrebs leiden oder eine Organtransplantation hinter sich haben. „Die Menschen“, sagt der Essener Virologe Dittmer, „können sich nicht selber schützen.“