Essen. / Gladbeck. Gequält und ausgeplündert hatte das Gladbecker Ehepaar laut Anklage Minderbegabte. Aber das Landgericht Essen sah dafür keinen Beweis.
Die Anklage klang gewaltig. Das Gladbecker Ehepaar soll in seiner früheren Essener Wohnung minderbegabte Menschen gequält und ausgeplündert haben. Doch diesen Vorwurf sah die I. Essener Strafkammer nicht bestätigt. Es sprach die beiden am Freitag frei.
Betrug, Nötigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen - all diese Delikte zählten zu den Vorwürfen gegen die beiden 32-Jährigen aus Gladbeck. Sie sollen Bekannte, die an einer Minderbegabung leiden, in ihrer früheren Wohnung im Essener Stadtteil Frohnhausen aufgenommen und dann übel behandelt haben.
Nur zwei Scheiben Brot am Tag
Die Anklage sprach davon, dass beide Opfer in den Jahren 2018 und 2019 nur wenig zu essen bekommen hätten. Kontakte nach außen seien von den Angeklagten unterbunden worden. So habe das männliche Opfer nur zwei Scheiben Brot am Tag bekommen. Dem weiblichen Opfer sei eine Lebensversicherung über 8926,36 Euro gekündigt und das Geld auf das Konto des Angeklagten geleitet worden.
Die finanzielle Bereicherung, so die Anklage, sei dadurch möglich geworden, dass das Ehepaar sich von beiden eine Generalvollmacht ausstellen ließ. So sei es auch gelungen, staatliche Hilfen auf das Konto des Angeklagten überweisen zu lassen.
Juristerei als Hobby
Das klang zwar eindeutig, aber ein Hinweis von Verteidiger Andreas Wieser zeigte auch den nicht vorbereiteten Zuhörern, dass die Beweisführung nicht so einfach sein dürfte. Denn der Angeklagte, die laut Staatsanwaltschaft treibende Kraft, weist nach seinen Worten selbst einen Intelligenzquotienten von nur 59 auf. Bemerkenswert: Trotz dieses Handycaps gelang es ihm in den letzten Jahren, die Juristerei als Hobby für sich zu entdecken. Seitdem gibt er Bekannten Tipps im Umgang mit Behörden, schreibt gerne Eingaben an die Ämter.
Die Beweisaufnahme mit der Vernehmung der Zeugen brachte keine Bestätigung der Anklage. Das Gladbecker Ehepaar bekam einen Freispruch. Offenbar ließ sich eine Einwilligung der mutmaßlichen Opfer nicht ausschließen. Ganz ohne Strafe kam der angeklagte Mann allerdings nicht davon. Für zwei S-Bahn-Fahrten zu seinem damaligen Heimatbahnhof Frohnhausen, für die er kein Ticket hatte, verurteilte ihn das Landgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro (40 Tagessätze).