Essen. Anklage wirft Arzt der Uniklinik Essen Totschlag in drei Fällen vor. Gericht sieht nur in einem Fall genügend Beweise. Nun beginnt der Prozess.

Das Essener Landgericht sieht offenbar Beweisnöte in der Anklage gegen einen Oberarzt des Essener Uniklinikums, dem die Staatsanwaltschaft Totschlag in drei Fällen vorwirft. Der Mediziner soll den Tod von drei Patienten durch unzulässige Medikamentengabe beschleunigt haben. Doch das Schwurgericht hat das Verfahren nur in einem Punkt eröffnet, lässt die anderen beiden Fälle nachermitteln. Ab Dienstag, 17. August, wird sich der 45 Jahre alte Mediziner deshalb nur für den Tod eines 47-jährigen Familienvaters aus den Niederlanden verantworten müssen.

An den bis 23. November geplanten 15 Verhandlungstagen werde es nur um den Fall des Niederländers gehen, so der Essener Gerichtssprecher Thomas Kliegel. Anklage erhoben hatte die Staatsanwalt auch in den Fällen zweier im Klinikum verstorbener Männer: eines 65 Jahre alten Esseners und eines 50-Jährigen aus Gelsenkirchen. "In diesen Fällen soll nachermittelt werden, unter anderem neue Gutachten eingeholt werden".

Tod von drei Corona-Patienten: Grenzbereich zur verbotenen Sterbehilfe

In allen drei Fällen geht es um den Grenzbereich zur illegalen aktiven Sterbehilfe. Alle drei Patienten waren an Corona erkrankt, ihr Leben trotz der Behandlung auf der Intensivstation nicht mehr zu retten. Davon geht im Grunde auch die Staatsanwaltschaft aus. Sie wirft dem Arzt aber vor, durch die Überdosierung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln den Sterbeprozess eigenmächtig verkürzt zu haben. Im Fall des Niederländers soll der angeklagte Mediziner zusätzlich Kaliumchlorid gespritzt haben.

Der Haupteingang des Universitätsklinikums Essen: Der angeklagte Oberarzt hat seit Anfang Februar 2020 an der Uniklinik Essen gearbeitet. Hier war der heute 45-Jährige zuletzt für die Sterbebegleitung auf der Intensivstation zuständig. Nun ist der Oberarzt wegen Totschlags in drei Fällen angeklagt.
Der Haupteingang des Universitätsklinikums Essen: Der angeklagte Oberarzt hat seit Anfang Februar 2020 an der Uniklinik Essen gearbeitet. Hier war der heute 45-Jährige zuletzt für die Sterbebegleitung auf der Intensivstation zuständig. Nun ist der Oberarzt wegen Totschlags in drei Fällen angeklagt. © FUNKE Foto Services

Für dieses Medikament, so sagen Gutachter, gibt es keinerlei medizinische Begründung im palliativ unterstützten Sterbeprozess. Es bewirkt Rhythmusstörungen des Herzens und letztlich dessen Stillstand. Offenbar sieht das Essener Schwurgericht den Verdacht des Totschlags gegen den Arzt nur in diesem Fall als begründet an.

Anwalt begrüßt Zurückweisung von zwei Anklagepunkten

Der Verteidiger des Mediziners, der Essener Rechtsanwalt Harald Wostry, begrüßt die Entscheidung des Gerichtes, die Eröffnung des Verfahrens in zwei Fällen abzulehnen. Er schränkt aber ein: "Ich hätte es begrüßt, wenn das Gericht diesen Schritt auch im dritten Fall gegangen wäre und die Anklage insgesamt zurückgewiesen hätte."

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Wostry betont, dass sein Mandant nur im zulässigen Rahmen den Sterbeprozess seiner Patienten begleitet habe: "Ich bin mir sicher, dass er sich strafrechtlich nichts vorzuwerfen hat." Die Menge Kaliumchlorid sei so gering, dass sie für den Tod des Patienten nicht ursächlich gewesen sei, sagt der auf Medizin- und Strafrecht spezialisierte Jurist.

Mediziner war auf der Intensivstation für die Sterbebegleitung zuständig

Der angeklagte Arzt hat seit Anfang Februar 2020 am Essener Universitätsklinikum gearbeitet. Zuvor hatte der Anästhesist am Uniklinikum in Heidelberg gearbeitet. Gemeinsam mit zehn weiteren Mitarbeitern war er nach Essen gewechselt, als sein Heidelberger Chef, Professor Thorsten Brenner, die Leitung der Anästhesie in Essen übernahm.

In Essen war der Arzt zuletzt für die Sterbebegleitung auf der Intensivstation zuständig. Im Ermittlungsverfahren soll er angegeben haben, während seines Berufslebens rund 800 Patienten in den Tod begleitet zu haben. Ihm sei ein würdevoller Abschied seiner Patienten immer wichtig gewesen. Dieser Verantwortung habe er sich gestellt.

Arzt soll Kaliumchlorid gespritzt haben - Pfleger hatten Verdacht geschöpft

Am 17. November 2020 hatten sich Pflegekräfte der Intensivstation an ihre Vorgesetzten gewandt und angegeben, sie hätten beobachtet, dass der Arzt Patienten Kaliumchlorid gespritzt habe und diese darauf verstorben seien. Das Essener Universitätsklinikum schaltete deshalb die Staatsanwaltschaft ein, ein Amtsrichter erließ einen Haftbefehl. Konkret ging es um den Tod des Niederländers am 13. November 2020, der zehn Tage zuvor aus einem Krankenhaus in Venlo nach Essen verlegt worden war.

Der zweite Fall betraf den am 17. November verstorbenen Gelsenkirchener, der am 3. November vom Gelsenkirchener Marienhospital nach Essen gebracht worden war. In den späteren Ermittlungen ergaben sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft Verdachtsmomente beim Tod eines Esseners am 3. November, der vorher im St. Vinzenz-Krankenhaus im Stadtteil Stoppenberg behandelt wurde. Diese drei Fälle kamen in die Anklage. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Angehörigen der drei Verstorbenen offenbar keine Anzeigen erstattet haben.

Seit seiner Festnahme am 18. November sitzt der 45 Jahre alte Anästhesist in Untersuchungshaft. Länger als sechs Monate darf diese Haft ohne den Beginn einer Hauptverhandlung nicht dauern. Das Oberlandesgericht Hamm erlaubte im Mai aber die Verlängerung der U-Haft.