Bochum. Es könnte der nächste große Hype nach dem „Fidget Spinner“ werden: Das Anti-Stress-Spielzeug „Pop it“. Was Ergotherapeuten von dem Trend halten.

Wer kennt es nicht: Das gute Gefühl, wenn die kleinen Luftbläschen der Polsterfolie zwischen den Fingern zerplatzen – plopp! Viele Kinder und Erwachsene können kaum die Hände davon lassen. Und genau deshalb hat die Spielwarenindustrie eine Art „endlose Luftpolsterfolie“ auf den Markt gebracht: „Pop it“ heißt das neue Trendspielzeug, manchmal auch „Push Pop“ oder „Push Pop Bubble“ genannt. Was steckt hinter der scheinbar sinnlosen Spielerei?

Es handelt sich um flache, bunte Formen aus Silikon, die viele runde, etwa daumengroße Noppen haben. Diese Blasen kann man mit den Fingern umstülpen, wodurch ein „Plopp“-Geräusch entsteht. Wenn man fertig ist, dreht man die Form einfach um und beginnt von vorne.

Befeuert hat den Hype um das Spielzeug aus Silikon das Internet. Auf Youtube und Tiktok kursieren Millionen Videos, in denen Kinder und Jugendliche zeigen, wie schnell sie die Noppen umstülpen können – und auch gegeneinander antreten. Das bunte Spielzeug gibt es für wenige Euro und in allen möglichen Farben und Formen: Als Quadrat, Rechteck oder Kreis aber auch als Herz, Ananas, Einhorn oder Dinosaurier. Als Handyhülle, Schlüsselanhänger und – natürlich – auch digital als App.

Ergotherapeut aus Bochum: „Pop it“ ist ein Trendartikel

Das „Ploppen“ soll laut einem Hersteller im Internet beim Stressabbau helfen und obendrein die Fingerfertigkeit verbessern. Und eigentlich machen wir es ja alle, ganz nebenbei, aus Langeweile oder weil wir nervös sind: Die einen zappeln mit dem Bein, andere spielen mit den Haaren oder einem Kugelschreiber. Und wieder andere, vor allem Kinder, „ploppen“. „Fidgeting“ heißt das Phänomen auf Englisch, auf Deutsch etwa „herumzappeln“. „Fidget“ wird auch mit „Zappelphilipp“ übersetzt. Doch helfen die bunten Silikonförmchen tatsächlich bei Nervosität, Unruhe und Stress?

Ergotherapeut Nick André Borgelt in seiner Praxis in Bochum.
Ergotherapeut Nick André Borgelt in seiner Praxis in Bochum. © Unbekannt | Privat

Nick André Borgelt, Ergotherapeut aus Bochum, ist skeptisch: „Ich sehe das ‚Pop it‘ eher als einen Trendartikel an“, sagt er. Es sei vergleichbar mit dem „Fidget Spinner“. Der kleine Finger-Propeller war vor vier Jahren das Trendspielzeug des Sommers. Hersteller versprachen eine beruhigende Wirkung, vor allem bei Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Wissenschaftlich erwiesen ist das aber nicht und mittlerweile sind die kleinen Kreisel längst wieder tief in der Spielzeugkiste verschwunden.

Auch wenn derartige „Anti-Stress-Spielzeuge“ den Bewegungsdrang kurzzeitig zufriedenstellen mögen: Eine Steigerung der Konzentrationsfähigkeit könne man von den Förmchen aus Silikon nicht erwarten, sagt Ergotherapeut Nick André Borgelt: „Ich traue dem ‚Pop it‘ zwar kurzfristige Ergebnisse zu, jedoch keine Langzeitwirkung.“ Die Aufmerksamkeit werde nur kurzfristig auf die Tätigkeit gelenkt. „Eine Unterstützung zur Steigerung der Fingermotorik sehe ich aber durchaus“, so Borgelt. Man könnte das von vielen Kindern geliebte Spielzeug außerdem „im Rahmen einer Konditionierung integrieren und das Ploppen zum Beispiel als Belohnung zum Ende einer gelungenen Therapieeinheit integrieren“.

Ergotherapie: Nicht immer teure Profiprogramme nötig

In seiner Praxis für Ergotherapie und Handrehabilitation in Bochum kämen vorwiegend computergestützte Programme zur Steigerung der kognitiven Funktion zum Einsatz. So würden je nach Patient Übungen zusammengestellt und als Serie bearbeitet. „Die Übungen orientieren sich zumeist an den Aktivitäten des täglichen Lebens des Patienten“, sagt Borgelt. Die Kinder müssten sich etwa Einkaufszettel oder Wegabschnitte merken und später wiedergeben.

Es müssten aber nicht immer gleich teure Profiprogramme sein. Auch ganz normale Spiele wie das Logik- und Strategiespiel „Rush Hour“, bei dem Kinder ein rotes Auto durch Rangieren mehrerer Fahrzeuge aus einem Stau befreien müssen, würden zum Beispiel zur Unterstützung des Planungsverhaltens eingesetzt. „Ich empfehle Patienten oft auch ein einfaches Memory mit verschiedenen Bildkarten“, so der Ergotherapeut. Eltern könnten so die Merkfähigkeit ihrer Kinder fördern. Auch ein Kreuzworträtsel oder die Wiedergabe kleiner Kurzgeschichten unterstützten die kognitive Vitalität.

Vermutlich wird das Spielzeug also bleiben, was es ist: Ein Trend, der kommt und wieder geht. Irgendwann ist eben einfach die Luft raus …