Gelsenkirchen.. Die kleinen Kreisel erobern gerade die Klassenzimmer und die Schulhöfe. Einzelhändler sprechen von einem Ansturm. Die WAZ hat sich umgehört.
Wenn Sie das Gefühl beschleicht, Ihr Kind könnte gerade – sagen wir mal – am Rad drehen, dann liegen Sie gar nicht so falsch. Und es ist wahrscheinlich auch nicht die arg strapaziöse Trotzphase oder Pubertät, die den Sprössling befallen hat. Vielmehr schlägt Mädchen und Jungen der fiebrige Hype um den Fidget Spinner in ihren Bann – auch Fingerkreisel oder Finger Twister genannt. Das Gadget wurde jüngst noch von dem bekannten Wirtschaftsmagazin Forbes zum „Must-Have Büro Spielzeug 2017“ gekürt.
Geschick, Körpergefühl und Feuereifer zeigen Asya (8) und ihre Zwillingsbruder Goran mit dem kleinen Spielzeug. Egal ob Nase, Stirn oder Schuhspitze, der rotierende Spinner fällt partout nicht herunter. In Gorans Händen wandert der Kreisel sogar wie von Zauberhand von Finger zu Finger, fliegt von Hand zu Hand oder kreist trotz 360-Grad-Wanderung mit dem Handgelenk ungerührt weiter. „Die Tricks habe ich mir über Youtube abgeschaut“, verrät der Knirps aus der zweiten Klasse stolz.
Ursprung ist nicht genau geklärt
So recht weiß niemand, wie und wo genau der Hype um die Spinner begann. Erfunden haben soll die Mini-Drehscheibe in den Achtzigerjahren die US-Amerikanerin Catherine Hettinger, die ein Patent für ein Spielzeug anmeldete – das aber ganz anders aussieht als die aktuellen Fidget Spinner. Weil aber das Patent Medienberichten zu Folge abgelaufen ist, füllen nun viele andere ihre Kassen.
An den Zahlschaltern vieler Geschäfte klingelt es wegen der Spinner seit langem mehr als ordentlich. Benedikt Althaus, Azubi bei Müller an der Bahnhofstraße, berichtet etwa: „Mitunter haben wir die Charge für drei Wochen an einem Tag verkauft.“ Jetzt, wo viele sich mit den Kreiseln schon eingedeckt hätten, ginge es den Jugendlichen mehr um Design und Drehzeit.
Eine Vielzahl von Variationen auf dem Markt
Von Plastik über Metall bis hin zu Holz reicht das Spektrum, die Preisspanne bewegt sich von 1 bis 50 Euro, je nach Fertigungspräzision und Qualität der Kugellager der 50 bis 300 Gramm schweren Kreisel. Fünf Minuten Drehzeit mit „einem solchen aus Keramik locker drin“.
Der Fantasie sind bei der Ausstattung dabei kaum Grenzen gesetzt wie Miriam Brendle, Verkaufsleiterin bei Galeria Kaufhof, erklärt. Auch hier erleben die Verkäufer einen anhaltenden „Run auf Fidget Spinner“. Es gibt das Spielzeug mit zwei, drei oder mehr rotierenden Armen, einige erzeugen optische Muster, andere sind LED- beleuchtet oder gar mit Bluetooth für die „Musikwiedergabe per Handy ausgestattet“.
Spielzeug soll beruhigende Wirkung haben
Auf Kinder mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) oder Autismus soll der Fidget Spinner beruhigend wirken, heißt es. Nachgewiesen ist das aber nicht. Trotzdem wird das Anti-Stress-Spielzeug in den USA bereits seit einigen Jahren zu therapeutischen Zwecken eingesetzt.
So etwas in der Art hat auch Rita Frank, Lehrerin an der Hansaschule, im Sinn. Sie lässt sich bei Müller von Benedikt Althaus den Kreisel und seine Varianten genau erklären. „Der Trend hat uns überfallartig erwischt“, sagt die Pädagogin der Förderschule. Sie sucht für einen sehr regen Schüler solch’ einen Twister, und zwar „als Geburtstagsgeschenk“. Wohl in der Hoffnung, dass das unbedachte Fingerspiel seine Energie abebben lässt. Frank wählt einen stahlblauen Spinner – in Gelsenkirchen irgendwie logisch. Sie beäugt die Ware argwöhnisch und brummt ironisch: „Früher haben wir Mandalas (geometrische Schaubilder, Anm. d. Red.) gemalt, heute tippen wird einen Spinner zur Beruhigung an.“
Ob es was gebracht hat? Ist bis dato nicht überliefert. Ganz sicher wird der Junge aber vor Freude am Rad drehen.