Rhein-Sieg-Kreis. Sozialarbeiter unterstützen im Rhein-Sieg-Kreis psychisch Kranke mit Soforthilfen aus der Spendenaktion der Funke-Mediengruppe und der Caritas.
Im Hof der Tagesstätte des Sozialpsychiatrischen Zentrums (SPZ) an der Adolph-Kolping-Straße sitzen einige Frauen und spielen Karten, und natürlich ist das wichtigste Gesprächsthema noch immer die Katastrophe, die vor zwei Wochen den Rhein-Sieg-Kreis nahe Bonn heimgesucht hat. Dass die Klientinnen an diesem Donnerstag hier sind, ist gut. Manche der 600 Menschen, die von den Mitarbeitern des SPZ betreut werden, mussten in stationäre Einrichtungen gebracht werden, weil das Unheil ihr ohnehin so instabiles geistiges und seelisches Gerüst zum Einsturz gebracht hat.
Die 25.000-Einwohnerstadt Meckenheim, in der das Zentrum liegt, ist vergleichsweise glimpflich weggekommen, einige Häuser in der Senke, in der die Swist durch ihr eingehegtes Bett fließt, hat es erwischt, an der Mühlenstraße steht vor vielen noch Müll. Kein Vergleich aber zu dem, was weiter westlich geschehen ist.
Trauer, Trümmer, zerstörte Infrastruktur
Im acht Kilometer entfernten Rheinbach waren Tausende Haushalte betroffen, als in der Mittwochnacht vor zwei Wochen die Flut kam. Der Strom fiel aus, das Telefonnetz. Häuser liefen voll. Menschen starben. Vor einem Gebäude stehen Kerzen und Karten, die an eine junge Frau erinnern, die am Tag nach der Überschwemmung leblos auf der Straße gefunden wurde. Im Ortsteil Oberdrees starb der Hausmeister des Rheinbacher Rathauses im Keller seines Hauses. „Er war unsere gute Seele, wir haben ihn gestern beerdigt“, erzählt der Sprecher der Stadt, und seine Stimme bricht. Fünf Tote beklagt die 27.000-Einwohner-Stadt.
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Sieben Kilometer weiter Richtung Nordwesten. In Odendorf, einem Ortsteil von Swisttal. Ein Bagger thront auf einem gewaltigen Berg von Schutt. Hier türmt sich auf, was übrigblieb, als das Wasser ging. Ganze Leben liegen hier, zerfetzt, zerknautscht, verschlammt. Zersplitterte Bilder, Aktenordner, ein Schaukelpferd. Auch in Swisttal starben Menschen. 80 Prozent des Gemeindegebiets mit seinen 6000 Haushalten war betroffen, berichtet ein Sprecher der Gemeinde. Die Grundschule im Ortsteil Heimerzheim ist zerstört. Die Gleise, auf der die Voreifelbahn zwischen Bonn und Euskirchen fuhr, Brücken, Straßen, Kindergärten, Fahrzeuge der Feuerwehr. Alles kaputt.
Im Sozialpsychiatrischen Zentrum in Meckenheim, das als Einrichtung des Katholischen Vereins für Soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis zum Caritasverband gehört, nehmen Koordinator Rodger Ody und seine Leute in diesen Tagen im Stundentakt neue Klienten auf, allein seit Donnerstag sind es 15. „Da sind Leute dabei, die mir sagen, dass sie die Bilder nicht mehr ertragen“, sagt Ody.
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Er kommt selbst aus dem Nachbarlandkreis Euskirchen, sein Keller war unter Wasser, bei seiner Schwester stand es bis ins Erdgeschoss und auch er kennt einen Menschen, der sein Leben verloren hat. In ihrem „Café Sofa“ haben sie in den ersten Tagen der Katastrophe Helfer versorgt, hier konnten sie ausruhen, Kaffee trinken, ihre Mobiltelefone aufladen.
Für die Menschen, die das SPZ betreut, ist die Katastrophe eine zusätzliche, eine gewaltige Belastung. Sozialarbeiterin Alexandra Wieschollek erzählt von einem alleinerziehenden Vater. Drei junge Kinder zwischen sieben und neun, der Vater hat das Borderline-Syndrom, eine schwere Persönlichkeitsstörung. „Seine Wohnung in Rheinbach ist nicht mehr bewohnbar, die gesamte Einrichtung ist weg. Er wohnt jetzt mit den Kindern bei den Großeltern.“
Fürs erste haben ihm die Leute vom SPZ geholfen, so wie 20 anderen Menschen. 800 Euro Soforthilfe. „Dann kann er seiner Tochter wenigstens zum Schulanfang einen Schulranzen kaufen“, sagt Monika Bähr, die Chefin von Sozialarbeiter Ody.
Kleine Kinder haben Leichen gesehen
Um die Kinder, die die Katastrophe erlebt haben, macht sich Rodger Ody viele Gedanken. Einige kommen jetzt wieder in die nicht zerstörten Kindertagesstätten zurück. „Es gibt kleine Kinder, die erzählen, dass sie Leichen gesehen haben“, sagt er. Die Kleinen kennen nichts anderes als eine Welt im Krisenmodus. Die Pandemie, die ihre Eltern in den vergangenen eineinhalb Jahren beunruhigt hat, nun die Flutkatastrophe.
Und dann sind da die Älteren. „Demenzkranke haben schon die Pandemie als problematisch erlebt. Manche haben jetzt ihre Wohnungen verloren, da kommen Ängste hoch, manche befürchten, dass alles zu Ende geht.“
Sozialarbeiterin Wieschollek war am Mittwoch mit fünf Familien, die das SPZ betreut, auf einem Ausflug, mit psychisch kranken Eltern und deren Kindern. Wenigstens einen Tag heraus aus dem Katastrophenmodus. Was sie berührt hat: „Diejenigen, die etwas geben können, haben den anderen versprochen, ihnen zu helfen.“