Essen./Gelsenkirchen. Der deutsche Staat existiert für sie nicht, aber laut Anklage wollte das Reichsbürger-Trio von diesem Staat illegal Rente kassieren.

Reichsbürger sollen es sein, die da am Mittwoch Platz nehmen auf der Anklagebank vor der VI. Essener Strafkammer. Zumindest behauptet das die Staatsanwaltschaft von den drei Gelsenkirchenern, denen sie einen Betrug in Millionenhöhe vorwirft. Das Trio soll versucht haben, das Geld als Leibrente von Finanzbehörden zu erschwindeln.

Hauptangeklagter ist ein 42-Jähriger, der im Handelsregister als Unternehmensberater eingetragen ist. Mitangeklagt ist seine 39 Jahre alte Lebensgefährtin. Das Trio komplettiert ein 51 Jahre alter Gelsenkirchener, der als Beruf Musiker angibt und mit seinem wallenden Haar durchaus der Künstlerszene zuzurechnen ist.

Angeklagte äußern sich noch nicht

Ob sie auch Reichsbürger sind, dazu äußern sie sich am Mittwoch nicht, weil sie dazu vor Gericht keine Gelegenheit bekommen. In einer Pause äußert allerdings der 51-Jährige gegenüber mehreren jungen Zuhörerinnen, sie seien gar keine Reichsbürger.

Das mag früher anders geklungen haben. Zumindest die Polizei ging fest von der Zugehörigkeit aus, als sie 2017 mit dem SEK die Räumlichkeiten des damals in Hünxe beheimateten Vereins durchsucht hatte, in dem die Angeklagten sich mit gut 20 anderen Mitgliedern zusammengeschlossen hatten. Vereinsziel sollen wohltätige Zwecke sein, laut Anklage sollen die Wohltaten aber vor allem für die Vereinsmitglieder selbst gedacht gewesen sein.

Mit Lastschriften Leibrenten erschwindelt

Die Staatsanwaltschaft geht jedenfalls davon aus, dass die Vereine nur gegründet wurden, um Betrugstaten zu begehen. Geschädigt werden sollten ausschließlich Behörden des öffentlichen Dienstes. Mit unberechtigten Lastschriften oder gefälschten Verrechnungsschecks, die der 42-Jährige erstellt haben soll, soll versucht worden sein, monatliche Renten zu erschwindeln. Meist betrugen diese Zahlungen rund 6000 Euro, mal 3000. In einem Fall ging es auch um einen Einzelbetrag in Höhe von eine Million Euro.

Zu den Opfern zählten laut Anklage Finanzämter, das Landesamt für Besoldung oder die Bundesagentur für Arbeit. So richtig erfolgreich war die Masche nicht. Zwar gingen die Beträge auf den Vereinskonten ein, wurden aber schnell zurück gebucht. Tatsächlich blieben nur rund 13.000 Euro echter Schaden übrig. Versucht hatten sie es laut Anklage aber für rund zwei Millionen Euro.

Schadenersatz für die Bürger

Begründet hatten es die Vereinsmitglieder mit ideologischen Argumenten, heißt es in der Anklage. Denn aus Sicht der Reichsbürger besteht die Bundesrepublik Deutschland ja gar nicht. Weil sie aber Hoheitsrecht wahrnimmt, Steuern erhebt und Gebühren kassiert, handele sie unrechtmäßig. Deshalb stehe jedem Bürger eine derartige Leibrente vom Staat zu, quasi als Schadenersatz.

Das Gericht als staatliche Institution scheinen die Angeklagten am Mittwoch anzuerkennen. Sie leben alle drei von Hartz IV, scheinen auch in diesem Punkt keine Berührungsängste zu haben. Der Hauptangeklagte ist vor Jahren schon einmal vom Amtsgericht Dinslaken wegen gleichartiger Fälle verurteilt worden. Seitdem hat er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen.

Gericht bietet Bewährung an

Auch vor diesem Hintergrund bietet Richter Martin Hahnemann allen Beteiligten an, den Prozess mit Bewährungsstrafen schnell zum Abschluss zu bringen. Dafür müssten die Angeklagten ein Geständnis ablegen.

Die scheinen keine Einwände zu haben. Staatsanwältin Aylin Dohle macht nicht mit. Sie will dreieinhalb Jahre Haft für den Hauptangeklagten. Weil es dafür kein Geständnis gibt, müsste die Kammer zig Schecks und Lastschriften Stück für Stück prüfen. Für einen solchen Aufwand über mehrere Wochen hat die Kammer aktuell keine Termine. Deshalb platzt das Verfahren, fängt frühestens Anfang nächsten Jahres neu an.