Essen. Ein Besuch mit Selbstversuch beim „Superhändler“ Markus Siepmann (56) aus Essen. Wird der TV-Trödler meine alte chinesische Wunderlampe kaufen?
Die orange-golden geschwungene runde Tischlampe mit chinesischen Motiven liegt seit Jahren bei mir in einer Kommode. Ich wollte noch mehr Dekoartikel in dem Stil sammeln, damit sie zu meiner Einrichtung passt. Es ist dabei geblieben.
Das gelbliche Kabel verrät, dass die Lampe doch schon recht alt sein muss. Im Inneren sind Ränder und Spuren von Feuchtigkeit, auch eine sehr vorzeitliche Glühbirne, die schon angeschwärzt ist. Ich weiß, dass die Leuchte aus dem Elternhaus meiner Mutter stammt. Also frage ich sie, was es damit eigentlich auf sich hat. Sie erzählt mir die Geschichte dazu: Es handele sich um einen Rauchverzehrer. Also nicht nur eine gewöhnliche Tischlampe. Ihre Eltern und auch ihre Großeltern hätten viel in der Wohnung geraucht, das war ja die normalste Sache der Welt damals. Da haben die Großeltern, also meine Ur-Großeltern, diesen Qualmlöser aus dem Urlaub mitgebracht. Das Prinzip ist simpel: Hinein kamen etwas Wasser und ein paar Tropfen Duftöl. Mama zeigt mir die Löcher an den Seiten, aus denen der Duft steigen kann. Im Deckelinneren hängt die Glühbirne, die durchs Einschalten die Porzellan-Leuchte und somit auch das Wasser mit dem Öl erwärmt, um das Raumklima zu retten.
Meine Mutter erinnert sich, dass sie 12 oder 13 Jahre alt war und diese kleine Wunderlampe auf dem Tisch bei ihren Großeltern stand. Wir rechnen nach. Das war Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Somit ist klar: Ich besitze ein altes Schätzchen mit Geschichte.
Das muss doch was wert sein! Ich will es genauer wissen und lande im „Rumpelstilzchen“ bei Markus Siepmann, dem „Superhändler“ des Ruhrgebiets, quasi umme Ecke in Essen.
Er feilscht mit drei Kombattanten in der gleichnamigen Sendung auf RTL im dritten Jahr in der siebten Staffel von montags bis freitags im Nachmittagsprogramm. Dabei geht es ihm vor allem um kleine Exponate, die er selbst transportieren kann. „Mir ist mal eine Figur aus Marmor zerbrochen, weil es bei Easyjet kein Handgepäck gibt. Das hat mich unheimlich geärgert und es war auch ein nerviges Hin und Her.“ Die handlicheren Exponate, die er gern ankauft, müssen jetzt am besten in die Hosentasche passen, das ist auch platzsparender im Lager. So wie eine goldene Taschenuhr für 2000 Euro, sein bisher teuerster Zuschlag. „Vier Räume, ein Deal“ heißt es dann unter der Moderation des Mönchengladbachers Sükrü Pehlivan, wenn einer der Superhändler das Gebot abgibt, das nicht zwingend das höchste sein muss, unbedingt aber das am ausgebufftesten gebluffte. Nachdem Normalos wie ich einen Kellerfund oder ein Speicherstück meistbietend versucht haben, an Germany’s Next Top Trödler zu bringen.
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Der 56-Jährige hat Erfahrung und das Know-how. Seinen ersten Laden eröffnete er 1989 in der Holzstraße in Essen, wo auch schon sein Urgroßvater ein Geschäft hatte. Patina pur. Siepmann hatte zu Beginn noch kein Internet, es gab keine Smartphones. Nur Kataloge und viel Recherchearbeit. „Mein Wissen habe ich mir mühsam erarbeitet. Ich konnte ja nicht mal eben ins Netz und zum Beispiel bei einer Uhr die wichtigen Merkmale ergoogeln“, sagt der gelernte Schreiner.
Zu Beginn hat er die Preise aus dem Bauch heraus gemacht. Heute weiß er genau, worauf er achten muss. Er erkennt eine Fälschung oder Nachahmung sofort.
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Aber wie wird man eigentlich Superhändler? Markus Siepmann lacht: „Das ist wie beim FC Bayern, da wird man gerufen.“ Schon vor 15 Jahren hat er andere TV-Formate gedreht. Darunter „Das Flohmarkt-Duell“, „Bieten handeln kaufen“ oder auch das „Tauschduell“. Siepmann erklärt sich seine Bildschirmpräsenz so: „Wenn man nichts falsch macht und schon öfter im Fernsehen war, dann wollen die Menschen einen sehen.“
Das bestätigt sich dann auch auf der eigenen Fanpage. „Manche wissen genau, wie wir ticken. Was wir wohl kaufen würden und was so gar nicht unser Fall ist.“ Markus Siepmann lacht und zeigt – auch bei meinem Besuch in seinem Superhändler-Signature-Outfit: Weste und Schiebermütze – auf das gelbe M&M‘s-Männchen. Das hat bei ihm im Eingang einen Ehrenplatz gefunden und präsentiert auf einem Tablett Wundertüten für 5,90 Euro. Inhalt: alte Schätzchen im Wert von 20 Euro.
Dabei ist der Plastik-Werbeaufsteller im Antiquitäten-Abenteuerland mit Preziosen aus der Gründerzeit, Jugendstil und Art Deko überhaupt nicht sein Ding. Und trotzdem hat er das kindgroße Männchen lieb gewonnen. Bei einer Donald-Duck-Figur hingegen war es Liebe auf den ersten Blick. Da kommt es dann auch schon mal mit den anderen Superhändlern abseits der Kamera zu Wer-bietet-mehr-Szenen, erzählt der Schatzjäger. In der Sendung hatte er 130 Euro auf seine Tafel geschrieben. Sein exaltierter Gegenspieler Markus Reinecke, den der Nachmittags-Ruhm bis ins Dschungelcamp geführt hat, zahlte 150 Euro und bekam den Zuschlag. Hinter den Kulissen verhandelte der Essener Experte dann nochmal nach, zahlte schließlich 170 Euro für Donald an seinen Kollegen, quasi Tand-Tantieme.
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Die professionelle Rivalität, das Sticheln und Stechen: alles Showgeschäft. Sie sind letztlich freundschaftliche Konkurrenten – und vor allem: Händler mit Herz. „Wenn jemand in den letzen Raum kommt und echt sympathisch ist, dann kauft man das Exponat auch schon mal aus Mitleid“, erzählt er. Dabei konnte man mit dem Mann bald selbst Mitleid haben, so lange wie Corona das Gewerbe lahmgelegt hat. Sein ehrliches Geständnis: „Die Sendung hat mich finanziell über Wasser gehalten.“
In den letzten Jahren hat die Basar-Branche tatsächlich wieder einen echten Auftrieb erlebt, Stichwort „Bares für Rares“. Markus Siepmann bekommt leuchtende Augen und plaudert aus dem Schatzkästchen: „Jeder kennt das von zu Hause. Das hat doch die Oma Liesbeth gehabt. Ein Schatz im Keller, der will gehoben werden.“ Gestehe, ertappt!
Schaut man sich in Siepmanns „Rumpelstilzchen“ um, sieht man so manche Klassiker, es riecht nach Nostalgie. In einer Vitrine steht Blechspielzeug, sehr gut erhaltene Steiff-Tiere, darunter ein Zebra, das noch einmal bespielt oder zumindest bestaunt werden will. Der Name des Ladens ist selbst eine Geschichte wert: „Da stecken Märchen und Altertum drin und meine Mutter sagte mal zu mir: Du rumpelst doch immer so rum, das passt doch. Ich bin wirklich ein kleiner Messi und muss zwischendurch mal entrümpeln.“
Superhändler Siepmann verkauft aber nicht nur alte Uhren und Designer-Handtaschen, sondern auch besondere Lampen. Meine beäugt er bloß kurz. „Ja, das ist ein Rauchverzehrer. Davon hatte ich mal eine ganze Sammlung hier. Das kauft keiner mehr. Zwischen 30 und 50 Euro ist das vielleicht wert. Aber die würde hier ewig stehen.“ Ein Ladenhüter.
Ich blicke etwas ernüchtert durch den pickepackevollen Verkaufsraum. Fünf Jahre lang könnte er hier wohl einfach nur abverkaufen, findet der Inhaber tröstliche Worte der Erklärung. „Ich kaufe nur noch Sachen in der Sendung. Eigentlich habe ich nämlich genug hier. Die Ware wird ja nicht schlecht, sie wird sogar noch älter.“
Und dann gibt es sogar noch einen zweiten Teil des Ladens, das Schnäppchen-Lager; eigentlich eher ein Raum, der durch Regale führt: Entsafter, Mikrowellen, Kisten voller Glühbirnen, Werkzeuge wie Schraubenschlüssel, ganze Heizkörper, Waschmaschinen. „Ich mache auch Haushaltsauflösungen, pauschal.“ Wer bei ihm für die eigenen vier Wände fündig wird, kann auch echte Schnäppchen machen, bei mehreren Artikeln gibt’s Rabatt: „Zehn Prozent können da schonmal runter gehen.“
In einem weiteren Geschäft in Essen hat er dann auch noch Möbelstücke stehen. Vom Küchentisch bis zum Fernsehschrank, die komplette Einrichtung. Und wie hält es der Supertrödler privat? „Ich wollte mich schon immer mit schönen Sachen umgeben. Bei mir ist es eine Mischung aus alt und modern. Ich liebe zum Beispiel Bronze-Figuren.“
Chinesische Lampen weniger, wie ich jetzt weiß. Meinen Schatz habe ich dann auch wieder mitgenommen. Die Geschichte dahinter und die Erinnerung an Oma sind mir dann doch mehr wert als schnöde Scheine.
Schatz im Keller?
Wer einen Schatz bei sich im Keller vermutet, der kann bei Markus Siepmann auch persönlich anklopfen in Essen (Kahrstr. 87) oder eine Mail schreiben (info@rumpelstilzchen.de). Dafür hat der Superhändler einen Tipp, der Gold wert ist: „Die Fotos müssen dann aber gut sein, damit man alles erkennt. Und das Wichtigste ist die persönliche Ansprache. Ich bekomme oft Sammelmails ohne ein richtiges ,Guten Tag, Herr Siepmann‘.“ Und: Jedem, der etwas verkaufen will, muss klar sein, dass er nicht unbedingt den Preis erzielt, den er gern hätte. „Man bekommt meistens nur ein Drittel oder Viertel. Der Rest geht für Ladenmieten, Personal, Strom und Steuern drauf. Da sind viele enttäuscht.“
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