Ruhrgebiet. Insektenstiche sind mindestens lästig, manchmal aber auch gefährlich. Die Allergologin Dr. Utta Petzold erklärt, was hilft - und was nicht.
Auf ein nasses und kaltes Frühjahr in Deutschland ist ja auch leider kein Verlass mehr. Immerhin, 2021! Die Wespen-Königinnen verspäten sich, die Bienen schwärmen später aus, „und die Mücken sind mindestens zwei Wochen zurück“, sagt der Landschaftsökologe Niels Ribbrock. Danke, 2021! Aber im Anflug sind sie doch. Bsssss.
Dr. Utta Petzold kennt wohl jedes Insekt, das in Nordrhein-Westfalen sticht und beißt. Also: uns sticht und beißt. Mücken, Bienen, Wespen, Bremsen, Hornissen, Gnitzen („Die sehen aus wie kleine schwarze Fliegen.“) Können Sie noch? Flöhe, Läuse, Bettwanzen, Zecken. Genug, genug.
„Eine abschreckende Wirkung, die sich über den Geruchssinn entfaltet“
Die Hautärztin und Allergologin arbeitet in der Barmer-Hauptverwaltung NRW in der Abteilung Vorbeugung. Was können wir also tun, um den Biestern nicht ins Auge zu fallen? Beginnen wir bei Abwehrmitteln mit den natürlichen Stoffen Neemöl, Lavendelöl oder Geraniol oder den chemischen Wirkstoffen DEET, Icaridin oder IR3553.
Was machen die? „Wenn man solche Repellentien auf die Haut aufträgt, beeinträchtigen sie den Orientierungssinn der Insekten und haben sie eine abschreckende Wirkung, die sich über den Geruchssinn entfaltet“, sagt Petzold. Die stinken, denkt sich die Mücke.
Es gibt keinen Nachweis, dass hohe Frequenzen Insekten fernhalten
Handfester geht so: Glühender Kaffeesatz, in der Nähe aufgestellt, soll gegen Wespen helfen, glühender Weihrauch auch gegen blutsaugende Insekten. Gegen Wespen kann auch ein künstliches Wespennest über dem Kaffeetisch helfen, ein großes, zapfenförmiges Gebilde aus braunem Papier. „Dann denken die Wespen, ein Konkurrenzvolk hätte das Revier schon besetzt.“
Fraglich findet die Wuppertalerin manche Abwehrmittel, die in die Steckdose gesteckt werden. „Es gibt keinen Wirksamkeitsnachweis, dass beispielsweise hohe Frequenzen die Insekten wirklich fernhalten.“ Eine Wirksamkeit aus der Steckdose sei aber dann gegeben, wenn Wirkstoffe verdampfen - die oben genannten.
Bis zu 3,5 Prozent haben eine bedrohliche Insektengift-Allergie
Im Normalfall wird man so einen Stich aber auch locker überleben: Er schmerzt oder juckt, und die Umgebung schwillt an - fertig. Aber „wenn örtliche Kühlung und frei verkäufliche Salben oder Gels nicht ausreichen, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden“, so Petzold. Ein Hausarzt oder ein Hautarzt. Aber „wenn eine Schwellung entsteht, die über die beiden angrenzenden Gelenke hinausgeht, sollte geklärt werden, ob eine Allergie vorliegt.“
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Experten vermuten, dass bis zu 3,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebensbedrohliche Insektengift-Allergien haben. Sie sollten immer ein Set mit Notfall-Medikamenten bei sich tragen, darunter ein Antihistaminikum (mildert die Symptome), ein Kortikosteroid (wirkt auf Herz und Kreislauf) und eine Adrenalin-Spritze. Petzold: „Wenn nach einem Stich lebensbedrohliche Kreislaufreaktionen auftreten, muss sofort der Notarzt gerufen werden.“
Allergien können sich in jedem Lebensalter entwickeln
„Die meisten Insekten-Allergien beschränken sich aber auf heftige Reaktionen an der Einstichstelle ohne Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens“, sagt Dr. Ulla Petzold. Man schätzt, dass 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung solche „ausgeprägten Allgemeinreaktionen“ zeigen.
Insekten-Allergien können sich, wie alle anderen auch, in jedem Lebensalter entwickeln. Und wer schon Allergien hat, kann genetisch bedingt zu weiteren Allergien neigen, muss das aber nicht. Bei Bienen, Wespen und Hornissen kann eine solche Allergie ausgetestet und letztendlich überwunden werden, bei allen anderen Stechinsekten nicht. „Denn dort stehen die Reaktionen nicht mit Gift in Verbindung, sondern mit Bestandteilen des Speichels, die nicht gewonnen werden können - deshalb sind Testung und Therapie nicht möglich.“
Warum man an Stichen nicht kratzen soll
Und warum soll man eigentlich an Stichen nicht kratzen? Utta Petzold erklärt das so: „Beim Kratzen geht es darum, den Juckreiz zu beseitigen.“ Das sei aber nur möglich, wenn die Haut statt Kitzel Schmerzen meldet. „Das tut sie, wenn sie durch das Kratzen beschädigt ist.“ Und durch diese Beschädigung könnten Krankheitserreger von den Fingern in die Wunde eindringen. „Das kann zu eitrigen Entzündungen oder Entzündungen der Lymphbahnen führen.“ Also: Finger weg!
Letzter Punkt. Manche Menschen fahren ja tatsächlich bald nach Süden. Gelten da dieselben Regeln gegen Stechinsekten? Im Prinzip ja. „Im Süden sind Repellentien und Insektenschutznetz wichtig, zumal dort viel häufiger Insekten Krankheiten übertragen.“ Der verlässlichste Schutz sind eh lange Hosen und lange Ärmel, möglichst hell. Und weiter im Süden wartet dann die Malariamücke. Anderes Thema. Thema für sich.