Mülheim. Anfang 2020 eröffnet Kristina Klaus, eigentlich Biologin, eine Boutique in Mülheim. Dann kam Corona. Wie eine Frau trotz Pandemie ihr Glück fand.
Das Konzept für „The Room“, ihren kleinen, feinen Secondhand- und Vintage-Mode-Laden in Mülheim-Broich entwarf Kristina Klaus in New York. Das war im Herbst vor Corona, festgehalten auf Hotelpapier am Abend nach einem Kongress, auf dem die promovierte Biologin der Ruhr-Uni über ihre Forschung referiert hatte. Zurück im Revier waren die passenden Räumlichkeiten so rasch gefunden wie die Bedenken der Familie beiseite geschoben. Zur Eröffnung des Geschäfts im Haagerfeld am 18. Februar 2020 „strömten die Massen“, doch vier Wochen später war „The Room“ wieder dicht: Lockdown. Und so ähnlich ging es dann, inzidenzabhängig, weiter bis heute. Bereut hat Kristina Klaus ihre Entscheidung indes nie. „Nicht eine einzige Sekunde lang“, versichert sie, spricht von einem „Befreiungsschlag“. Ihr Lebenswunsch sei wahr geworden.
Angepeiltes Zielpublikum: zwischen 16 und 40 – doch es kam auch anders
Klar, noch kann die 38-Jährige nicht leben, von dem, was sie verkauft, noch ist Corona nicht überstanden. Die Mühen der Buchhaltung hatte sie auch unterschätzt. Doch Überbrückungsgeld vom Staat und Steuerberater halfen. Und nun fühle sich ihr Leben „so erfüllt“ an, sagt Klaus. Die Kunden und Kundinnen liebten ihren Laden. Und sie ihre Kunden: die zwischen 16 und 40, auf die sie „geschielt“ habe; aber auch die anderen, die sie gar nicht nicht erwartet hatte, und die doch kommen. Die 80-Jährige etwa, die so froh sei, endlich ein Geschäft gefunden zu haben, „in dem es wieder vernünftige Kleidung zu kaufen gibt“.
Haargummis im Glas und Wildblumensamen im Säckchen
Von Samt-Robe bis Jeansshorts – bei Kristina Klaus ist es zu finden. Gebraucht, aber gepflegt. Jedes Teil von ihr persönlich gebügelt. Nach Farben sortiert hängt oder liegt die Ware in dem 40 Quadratmeter winzigen Laden aus. Das aktuell teuerste Teil ist ein rosa-grün-geblümtes Sommerkleid aus den 70ern. Es kostet 36, 90 Euro. Wer Kleidung „spendet“, bekommt einen Rabatt auf seinen Einkauf.
Vintage, echte alte Mode, sei gerade Trend, sagt Klaus. Aber sie fand es schon vorher richtig, nicht immer alles neu zu kaufen, Sachen wieder zu verwerten, statt sie wegzuwerfen. Nicht nur Kleidung. Auf den Regalen und einem großen Tisch in „The Room“ häuft sich darum vieles mehr, was für ein nachhaltiges Leben von Nutzen ist: Zahnbürsten aus Holz, Abschminkpads aus Bambus, Haargummis im Glas oder Spüli in Seifenform; sogar Menstruationstassen, „Bio-Tampons“ und „Einhorn-Kondome“ in papiernen Tüten. Stöbern lohnt sich.
Kunden kauften Gutscheine „ohne Ende“, um sie in der Krise zu unterstützen
Kristina Klaus wohnt „30 Sekunden Fußweg entfernt“ von ihrem Laden, in dem früher ein Friseur Haare schnitt. Sie sagt, die Lage sei ideal; drei Buslinien, eine Hochschule, das Studentenwohnheim in der Nähe und ein bisschen Gastronomie um die Ecke. Und natürlich, ja, Corona, sei ungelegen gekommen, sei „schrecklich“.. Aber sie habe gleich den ersten Lockdown genutzt, um auf Instagram viel Werbung für „The Room“ zu machen. Als sie wieder aufmachen durfte, „standen die Leute dann Schlange vor der Tür“. Überhaupt, der Zuspruch der Kunden, sei es, der sie über die schwere Zeit getragen habe. „Ohne Ende haben sie Gutscheine gekauft, um mir zu helfen“, erinnert sie sich.
Sie, die ihren Job an der Uni geliebt habe, die nur nicht der Karriere wegen ins Ausland oder in die Industrie gehen wollte, als ihr Professor in den Ruhestand verschwand (und mit ihr ihr Forschungsgebiet), sie sagt heute: Sie fühle sich um so viel freier als früher: „Wenn ich malen will, stelle ich mir einfach eine Staffelei in den Laden“, erklärt sie.
Lesungen, Fotoshootings, Konzerte….
Schade findet sie nur, dass sie Corona wegen all ihre weiteren Pläne für „The Room“ noch nicht verwirklichen konnte: kleine Events wollte sie eigentlich regelmäßig anbieten, Lesungen, Mini-Konzerte, Poetry Slams, vielleicht Fotoshootings. Nun muss all das warten. „Bis Herbst höchstens“, meint Kristina Klaus. Dass die Pandemie überwunden wird, auch daran hegt sie keine Zweifel.