Essen. Der Duisburger soll die Essenerin isoliert, geschlagen und getreten haben. Dann starb sie. Jetzt steht der 43-Jährige vor Gericht.

André D., der Angeklagte, hatte selbst die Rettungskräfte in die Wohnung im Essener Stadtteil Rüttenscheid gerufen. Seine Freundin sei zusammengebrochen, hatte der 43-jährige Duisburger der Feuerwehr unter 112 berichtet. Als Sanitäter und Notarzt ankamen, bot sich ihnen ein Bild des Grauen. Für die Frau kam jede Hilfe zu spät. Sie starb am 18. November 2019, nur eine Stunde nach dem Notruf, im Uniklinikum. Verantworten muss André D. sich vor dem Essener Schwurgericht wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge.

Seit August 2018 hatte die Rüttenscheiderin eine Beziehung mit dem 43-Jährigen aus dem Duisburger Stadtteil Ruhrort, wo er in einer Dachgeschosswohnung lebte. Einen Beruf hat er offenbar nicht, geriet schon früh wegen Diebstahls und Betrugsdelikten mit der Justiz in Konflikt. Zeitweise stand er unter Betreuung. Seine heute etwa 15 Jahre alte Tochter lebte nicht bei ihm.

Beziehung voller Konflikte

Die Freundschaft mit der Essenerin war von Anfang an konfliktbeladen. Anfang 2019 kam es sogar zu einer mehrwöchigen Trennung, nachdem André D. mit dem Vater seiner Freundin eine körperliche Auseinandersetzung hatte.

Als sie zu ihm zurückkehrte, soll er ihr keine Freiheiten mehr gelassen haben. In der Anklage heißt es, er habe ihr die Wohnungsschlüssel abgenommen und sie sozial isoliert. Kontakte zu ihren Eltern oder Freunden habe er unterbunden. Im Juni 2019 kam zwar ein gemeinsamer Sohn zur Welt, doch der Anklagte und seine Freundin besuchten das schwer behinderte Kind nur unregelmäßig, zeigten kein Interesse.

Anklägerin spricht von "Blumenkohlohren"

Nach dem Ermittlungsergebnis und der Obduktion soll André D. seine Freundin spätestens seit Frühjahr 2019 regelmäßig misshandelt haben. Die Rechtsmediziner stellten Rippenbrüche fest, listeten Blutergüsse am ganzen Körper auf und sahen innere Verletzungen der Organe. Staatsanwältin Elke Hinterberg berichtet in ihrer Anklage auch von "Blumenkohlohren" der Toten. Diese seien durch Schläge aufs Ohr oder durch das "scharfe Knicken der Ohrmuschel" verursacht worden.

Dazu passt die Beobachtung von Zeugen, dass die Frau verwahrlost aussah, als sie im Juni 2019 mit dem Krankenwagen zur Geburt ihres Kindes ins Krankenhaus gebracht wurde. Ein weiterer Befund erschreckt: Bei einer Körpergröße von 1,53 Meter hatte die Frau nur noch ein Gewicht von 37 Kilogramm. "Aufliegegeschwüre" belegen aus Sicht der Ärzte, dass sie die letzte Zeit vor ihrem Tode im Bett gelegen haben muss.

Kopf unter einem Kopftuch verborgen

Ihre Eltern hatten im Ermittlungsverfahren erzählt, dass sie ihre Tochter nicht mehr hätten besuchen dürfen. Sie hätten aber wahrgenommen, dass ihr Kind dunkle Schminke dick aufgetragen und einen Großteil des Kopfes unter einem Kopftuch verborgen habe. Einen Bluterguss im Gesicht habe die Tochter mit einem Sturz in der Dusche erklärt.

Die Anklage ist sicher, dass André D. für die schweren Verletzungen seiner Freundin verantwortlich ist. Eine Nachbarin hatte immer wieder vorwurfsvolle Schreie des Angeklagten in der Rüttenscheider Wohnung vernommen, von seiner Freundin sei nur ein Wimmern zu hören gewesen. Auch frühere Freundinnen des Angeklagten hatten der Polizei erzählt, wie dominant und gewalttätig er sei. Soziale Kontakte habe er auch bei ihnen unterbunden.

Anklage sieht keine vorsätzliche Tötung

Für eine vorsätzliche Tötung sieht Staatsanwältin Hinterberg keine Grundlage. Dagegen spricht aus ihrer Sicht, dass der nicht berufstätige Angeklagte finanziell von seiner Freundin abhängig war. Er hatte ihre EC-Karte an sich genommen und regelmäßig Geld von ihrem Konto abgehoben. Diese Mittel habe er dringend benötigt, weil er regelmäßig in Spielhallen gegangen sei. Deshalb habe er an ihrem Tod keinerlei Interesse gehabt.

André D. wird sich erst am nächsten Prozesstag zu den Vorwürfen äußern. An bisher fünf geplanten Sitzungstagen wird das Schwurgericht überprüfen, ob es bei der rechtlichen Bewertung der Anklage bleiben wird.