Ruhrgebiet. Von April an impfen auch Haus- und Fachärzte gegen Corona. Die Umstände sind noch unklar. Manche Ärzte fürchten „ein bürokratisches Monster“.
An sich ist es wirklich kein Akt: eine Impfung. Wenn die Corona-Schutzimpfung im April in die Praxen wandert, fürchten viele Haus- und Fachärzte vor allem die Bürokratie. Wir erklären die Hindernisse.
Terminvergabe: unklar. Der „Deutsche Hausärzteverband“ wünscht sich ein „flächendeckendes Einladungsmanagement“ durch die Kassen. Der Hattinger Facharzt für Allgemeinmedizin Knut Schlünder hat bereits alle seine Patienten angesprochen und angemailt, sich Anfang April zu melden: „Man geht dann zu denen, die nicht mehr raus können, und lädt die anderen ein.“ Der Vorsitzende der Bochumer Hausärzte Wilhelm Vermaasen setzt darauf, über die Medien bekanntzumachen: Ab dem Tage x wird in den Praxen geimpft. „Das gibt ein bis zwei Wochen Chaos, dann ist genug Impfstoff da.“
Impfung: Unverzichtbar sind ein Gespräch über das Impfen und die persönliche Krankengeschichte, der Pieks an sich, eine Wartezeit von bis zu zehn Minuten, ob eine allergische Reaktion auftritt, und die Eintragung in den Impfpass. Bei Aufklärung und Krankengeschichte geht es in Arztpraxen schneller als in Impfzentren, weil jeder Arzt seine Patienten kennt und nicht einem Fremden nach dem anderen gegenübersitzt, sagt Vermaasen.
Wenn genug Impfstoff da ist, wird die Priorisierung weniger wichtig sein
Priorisierung: unklar. Verhandelt wird über eine „Impfziffer“, damit der Arzt die Impfung abrechnen kann. Die kann an die Priorisierung geknüpft sein. „Dann wird es bürokratischer“, sagt Schlünder. Man müsse die Priorisierung einhalten bei „begründbaren Ausnahmen“, sagt ein Arzt in Witten. Beispiel: Ein Ehepaar wird gemeinsam geimpft, auch wenn einer von beiden noch nicht die zulässige Altersgruppe erreicht hat. „Da wird der eine oder andere mal dazwischenschlüpfen“, sagt Vermaasen in Bochum: „Aber das ist egal, wenn genug Impfstoff da ist.“
Sprechstunden: Der normale ärztliche Betrieb muss ja weitergehen. Viele Ärzte und ihre Beschäftigten denken daran, Abende und Mittagspausen zu opfern. Bei 20 bis 100 Impfungen pro Praxis täglich und einer unbekannten Zahl von Menschen, die sich nicht impfen lassen werden, wäre das Thema spätestens im August durch. „Unsere Mannschaft ist wild entschlossen, dem Schrecken ein Ende zu bereiten“, sagt der Arzt Guido Pukies aus Neuss im WDR.
Kassenärzte: Keine bürokratischen Hindernisse und aufwendigen Impfdokumentationen
Meldepflicht: das größte Hindernis. Bisher melden die Impfzentren den Gesundheitsämtern täglich ihre Impfungen, und die melden sie weiter nach Berlin. Das wird dort nicht zu stemmen sein, wenn 50- bis 75000 Arztpraxen allabendlich Zahlen durchgeben müssten. „Ärzte können das, aber muss es taggleich sein?“, sagt Vermaasen und erinnert daran, dass ja auch montags und dienstags ungenaue Infektionszahlen gemeldet werden, wenn manche Gesundheitsämter Wochenende hatten. Knut Schlünder in Hattingen meint, der medizinische Handel könne ja an Berlin die Zahl der Impfdosen melden, die er täglich ausgibt. Pukies in Neuss befürchtet allerdings, für die Meldungen werde „ein bürokratisches Monster“ geschaffen.
Was kommt? Es gebe „noch keine Antworten“, so eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Vieles werde auf politischer Ebene entschieden. Die Vereinigung für Nordrhein fordert, man dürfe das Impfen nicht mit bürokratischen Hindernissen und aufwendigen Impfdokumentationen überfrachten. Guido Pukies sagt: „Wir brauchen viel Impfstoff, wenig Bürokratie und ein gewisses Grundvertrauen.“