Ruhrgebiet. Die Debatte um die Impf-Reihenfolge hat Nebenwirkungen: Erste Gemeinden impfen nach eigenen Kriterien: Bestatter Erzieher, Kranke.
In Recklinghausen war es noch eine Panne, aber wenigstens gut gemeint. Als dort letzte Woche Impfstoff übrig ist, ruft ein Mitarbeiter des Impfzentrums eine Kita und ein Gymnasium an; Erzieher und Lehrer eilen natürlich herbei, und eine ganze Anzahl lässt sich tatsächlich impfen. Dass die Aktion gestoppt werden muss, erfährt die Schulleitung erst später: Die Leitung des Impfzentrums ist nur vorgedrungen bis zum Anrufbeantworter. Berechtigt waren Erzieher und Lehrer zur Impfung nämlich längst noch nicht.
Eine Panne also. Aber schaut man sich um in Nordrhein-Westfalen, dann sieht man, dass eine wachsende Zahl von Städten und Kreisen Sonderwege beschreitet bei der Impfreihenfolge. Die so typisch deutsche, überorganisierte Vergabe zerfasert.
Krefeld hat begonnen mit dem Personal an Schulen und Kitas
In Krefeld etwa wird schon seit Dienstag Personal von Kitas, Grund- und Förderschulen geimpft, weil 1200 Dosen von Astrazeneca übrig geblieben waren. Überfluss an Impfstoff ist auch der Grund, warum der Kreis Warendorf eigene Wege geht. Dort werden bereits Menschen geimpft, die unter 65 sind und „schwerst krank“. Eine Sprecherin erläutert das so: „Wenn jemand zum Beispiel ohne Impfung keine Chemotherapie bekommen könnte.“
Der Kreis Wesel bestellt inzwischen Impfstoff ab, weil sein Impfzentrum sieben statt sechs Impfungen aus jeder Dose gewonnen hat und mehr Menschen impft als geplant. Und in Duisburg haben es die Bestatter geschafft, dass sie bereits seit Tagen geimpft werden können.
Einige Städte und Kreise führen inzwischen Nachrückerlisten
Außerdem setzt Duisburg auf das Programm „Impfbrücke“: Wenn eine Dosis übrig ist, bekommen drei Menschen zugleich eine SMS gesandt. Geimpft wird von den dreien, wer sich am schnellsten meldet - sozusagen das Überleben der Fittesten. Freilich greift das Programm bei der Auswahl der Betreffenden auf die Daten der Impfzentren zurück, sprich: auf Impfwillige aus derselben Prioritätsgruppe. Weitere Kommunen hätten sich bisher nicht dafür interessiert, sagt der Entwickler des Programms.
Duisburg kommt mit diesem Vorgehen, nur einmal mehr technisch moderner, dem Ideal der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe nah, wer bei Ausfällen ersatzweise zu impfen ist. „Einige Städte und Kreise führen inzwischen Nachrückerlisten“, sagt ihre Sprecherin Vanessa Pudlo: „Wichtig ist, dass man mit den Nachrückern in der gleichen Prioritätsgruppe bleibt.“
"Maßvolles Überbuchen der Termine ein Weg, Impfstoffreste zu nutzen"
Letztendlich müsse aber jedes Impfzentrum für sich entscheiden, auch danach, ob es um das haltbare Präparat von Astrazeneca gehe oder das von Biontech/Pfizer, das, einmal angemischt, nur wenige Stunden brauchbar bleibt. Pudlos Kollege Christopher Schneider von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein meint: „Aus unserer Sicht wäre auch ein maßvolles Überbuchen der Termine ein möglicher Weg, Impfstoffreste vollständig zu nutzen.“
Um das abzuschließen: Die Lehrer aus dem Kreis Recklinghausen haben natürlich großen Ärger bekommen, sich so weit vor der Zeit impfen zu lassen. Etwa das halbe Kollegium ist jetzt versorgt - während die Schüler ganz überwiegend zuhause sitzen. „Wir wünschen euch viel Erfolg beim Lernen auf Distanz“, wünscht ihnen die Schule im Internet: „Bleibt gesund!“