Düsseldorf. Seit einem Jahr arbeiten rund 5000 Düsseldorfer Vodafone-Mitarbeiter zuhause. Es gab Probleme, so die Betriebsärztin. Aber sie wurden gelöst.
„My Home is my Office“ sagen sie jetzt bei Vodafone Deutschland: 95 Prozent der 16.000 Beschäftigten des Düsseldorfer Telekommunikationsunternehmens arbeiten seit einem Jahr daheim. „Ich hätte nicht gedacht, dass Menschen zu Hause (…) produktiver arbeiten als im Büro. Und dazu weniger krank sind“, stellte Geschäftsführer Hannes Ametsreiter im Januar fest. Doch ganz ohne „Nebenwirkungen“ blieb das Corona-bedingte Homeoffice nicht.
Im März 2020 machte Vodafone überall in Deutschland die Büros dicht: Auch die rund 5000 Mitarbeiter am Standort Düsseldorf wurden bis auf wenige Ausnahmen nach Hause geschickt. Sie wechselten, erklärt Dr. Lisa Hirthe, die leitende Betriebsärztin, „von einem supermodernen Bürogebäude, bei dessen Planung sich viele Menschen viele Gedanken gemacht haben, vom perfekten Lichteinfall bis zum ergonomischen Bürostuhl, ins Homeoffice. In dem es teilweise keine höhenverstellbare Tische, Hocker ohne Lehnen oder schlechte Lichtverhältnisse gibt. Also in sehr individuelle Gegebenheiten, räumlich wie persönlich“.
Nach ein paar Wochen kommen die Verspannungen
Ist ja nicht für lang, dachten sich die meisten vermutlich. Doch sie stecken noch heute daheim, lediglich im Sommer durfte, wer wollte, 20 Prozent seiner Arbeitszeit wieder im Büro verbringen.
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„Wer nur einige Stunden in ungünstiger Position sitzt, merkt das nicht“, sagt Hirthe, Fachärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin. „Aber nach ein paar Wochen kommen die Verspannungen.“ Probleme mit Rücken und Nacken waren daher das eine Hauptthema, mit dem sie während der Corona-Pandemie zu tun bekam. Fragen der „Abgrenzung – auch das wenig überraschend -- das andere: Vielen fiel es im Homeoffice schwer zu trennen zwischen Privatem und Beruflichem. Es gehe ihm gut, berichtete Hirthe ein Kollege. Er vermisse nur das Tageslicht. Der Mann, erfuhr die Ärztin, hatte sich einen Arbeitsplatz im Keller seines Hauses eingerichtet.
Virtuelle Sprechstunden mit der Betriebsärztin, Online-Workouts vom Fitnessstudio
Hirthe ging in die Offensive. Seit 2017 arbeitet die heute 39-Jährige für Vodafone, im April übernahm sie die Leitung des betriebsärztlichen Teams in Düsseldorf. Aktiv sprach sie Mitarbeiter an, erklärte, warum es klug sei, sich neben Notebook auch Maus und Tastatur aus dem Büro heim zu holen („Dann kann man den Bildschirm weiter weg schieben.“), schlug vor, klare Reglungen mit Kindern und Boss zu treffen („Für dieses und jenes dürft Ihr mich während der Dienstzeit bzw. in meiner Freizeit stören, für anderes nicht“). Ihr Team lud zu virtuellen Sprechstunden ein, stellte eine „Corona-Kachel“ mit typischen Corona-Fragen und -Antworten und Online-Vorträge ins Intranet produzierte kurze Filme zu Themen wie „So steht der Laptop optimal“. Das hauseigene Fitnessstudio bot Videokurse zum Mitmachen an.
Noch im April verschickte das Unternehmen einen ersten „Pulse Check“, eine kurze Befindlichkeits-Umfrage, schaltete zudem eine Hotline für Corona-Fragen frei. War anfangs die Ansteckungsgefahr (wie wann wo?) das wichtigste Thema, ist es heute das Impfen. „Wenn mir nur Astrazeneca angeboten wird, soll ich annehmen?“, ist jetzt die häufigste Frage. „Natürlich“, antwortet Hirthe. Mit Nachdruck.
Die Chefs gingen mit gutem Beispiel voran – und joggen vor dem Meeting
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Vermehrte Anfragen aufgrund von Suchtproblemen oder Depressionen gab es nicht, versichert Hirthe. Sie glaubt, es liege daran, dass Vodafone „früh hingeguckt hat“, dabei auch „Dinge erkannt hat, die nicht so gut laufen“ – und gleich zu Beginn der Pandemie reagierte. Denn natürlich vermissten auch Vodafone-Mitarbeiter den Austausch mit ihren Kollegen. Man organisierte virtuelle Spaziergänge und echte „GehSpräche“ (zu zweit am Rhein), Online-Kaffeepausen, -Rezeptbörsen, und -Kochabende, ermunterte jeden, sich zu bewegen. „Was aber nur funktioniert, wenn es dafür Vorbilder gibt“, erklärt Hirthe. Weswegen auch der CEO mal ein Meeting mit der knappen Begründung verschob, er wolle vorher noch joggen. In Zusammenarbeit mit den „Detox Rebels“, einem jungen, frechen Kölner Startup, erfand man zuletzt das Programm zum entsprechenden Sinneswandel. „Be Kind to Yourself“ nennen sie es: Sei nett zu dir.
„Auch wer im Büro sitzt, surft vielleicht mal privat im Internet“
Dass die Arbeit deswegen liegt bleibt, fürchtet Vodafone nicht. Leistung müsse ja nach wie vor erbracht werden, betont Hirthe. „Vielleicht nutzt der ein oder andere seine Freiheiten aus. Aber auch, wer im Büro sitzt, surft vielleicht mal privat im Internet.“
Der Krankenstand im Unternehmen sank jedenfalls im vergangenen Jahr. „Deutlich“, sagt Hirthe, ohne genauer zu werden. Die Infektionswelle sei wegen der Corona-Hygienemaßnahmen ausgefallen, sicher, aber: Der jüngste „Pulse Check“, der sechste in Folge, zeige auch: Die Vodafone-Mitarbeiter haben Freude im Homeoffice: 40 Prozent sagen inzwischen: Es ist gut, so wie es ist. Weitere 30 befinden sogar: Es geht mir besser als früher. „Es sind die kleinen Dinge, die helfen“, sagt Lisa Hirthe.
>>>> INFO Selbstorganisation
Schon vor Corona war bei Vodafone Homeoffice möglich: bis zu 50 Prozent der Arbeitszeit. Aber nicht viele Mitarbeiter hätten das Angebot voll ausgenutzt, so ein Unternehmenssprecher.
Im Homeoffice helfen Rituale, den neuen Alltag zu strukturieren, rät Dr. Lisa Hirthe. Sie selbst etwa starte ihren Arbeitstag immer mit einem großen Milchkaffee und ihrem Buch mit der To-Do-Liste. Abends schließe sie das Buch, packe das Notebook in den Schrank und stelle die Kaffeetasse in die Spülmaschine. Dann sei Feierabend.