Essen. Mit dem Messer stach die Essenerin auf ihren Lebensgefährten ein. Jetzt muss sie sich wegen versuchten Totschlags verantworten.

Er war die Liebe ihres Lebens, sagt die 25-jährige Essenerin. Und auf diesen Mann hat sie mehrfach mit einem Messer eingestochen, ihn lebensgefährlich verletzt. Seit Montag muss sie sich vor dem Essener Schwurgericht verantworten. Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag.

Es ist nicht die einzige Anklage, die Staatsanwältin Sabine Vollmer vorliest. Insgesamt sind es vier, alle berichten von Straftaten im Jahre 2020. Immer wieder kommt es zu Attacken, Beleidigungen, Bedrohungen und heftigen Widerstandshandlungen durch die Angeklagte. Wie von Sinnen wirkt die Frau bei diesen Handlungen, die ihr zugeschrieben werden. Tatsächlich ist die Freisenbrucherin seit ihrem 13. Lebensjahr immer mal wieder in psychiatrischer Behandlung, stand zeitweise auch unter Betreuung.

Mit dem gemeinsamen Kind überfordert

Mit ihrem Freund hatte sie seit etwa zwei Jahren mal in ihrer Wohnung, mal in seiner in Holsterhausen zusammengelebt. 2019 hatte sie ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht, fühlte sich aber schnell überfordert. Sie sagt, sie habe mit Zustimmung ihres Freundes das Jugendamt eingeschaltet. Das Kind sei dann zu ihrer Mutter gekommen.

Am 5. September hatte das Paar in seiner Wohnung in Holsterhausen den Geburtstag des heute 30-Jährigen nachgefeiert. Schnell kam es zum Streit. Mal ging es um Geld, mal um ihre Eifersucht. Wenige Wochen zuvor hatte sie eifersüchtig reagiert, weil eine Arbeitskollegin ihm eine SMS geschickt hatte, heißt es in der Anklage. Die 25-Jährige habe diese Frau in Textnachrichten als "Nutte, Schlampe" beschimpft und ihrem Freund erst einen Aschenbecher, dann eine Hantelscheibe vor Brust und Gesicht geschleudert. Ein "Brillenhämatom" erlitt er.

Mit Messer Schlagader verletzt

Am 5. September, Whiskey hatte sie getrunken und 0,7 Promille Alkohol im Blut, soll sie ein Messer ergriffen und ihm gedroht haben: "Ich stech' dich ab." Es kommt zur ersten Attacke, er blutet an der Hand. Der Streit geht weiter, da sticht sie erneut zu. Das Messer dringt in die Schulter ein, verletzt die Schlagader.

Er zeigt aber keine größere Wirkung. Nachbarn hatten den Streit gehört und die Polizei gerufen. Die Angeklagte wehrt sich heftig gegen die Festnahme, attackiert die Beamten, spuckt, beleidigt. Bilder der Bodycam zeigen die Aktion. Der Verletzte ist auch zu sehen, steht ruhig daneben. Erst später im Krankenhaus wird klar, dass er in Lebensgefahr schwebt, 2,5 Liter Blut verloren hat.

Stich ins Knie zweieinhalb Monate zuvor

Die weiteren Anklagen sind nur unwesentlich weniger schwerwiegend: Mal drückt sie aus 1,30 Meter Entfernung eine Schreckschusswaffe auf ihren Nachbarn ab, mal droht sie einem Mann auf dem Gehweg vor ihrem Haus mit dem Tode. Als nachher die Polizei kommt, wehrt sie sich heftig und beleidigend. Am 26. Juni schließlich sticht sie nach einem Streit ihrem Freund ins Knie.

Vor Gericht zeigt sie sich zunächst reumütig. Sie wundert sich über ihre Taten: "Ich habe ihn so geliebt. Ich habe noch nie so einen tollen Mann erlebt." Ihr Verteidiger Christian Ullmann kündigt an, sie werde alles gestehen. Da macht sie aber nicht mit, nachdem sie zunächst etwas aus ihrem Leben erzählt hatte. Plötzlich blockt sie ab, will nichts mehr sagen. Richter Jörg Schmitt fragt nach, doch sie bleibt beim Schweigen: "Das ist mein Recht."

Das Opfer will Beziehung fortsetzen

Ihr Freund, der als Nebenkläger am Prozess teilnimmt, ist auskunftsfreudiger. Ja, die Beziehung sei nicht einfach gewesen, aber er glaube nicht, dass sie ihn wirklich töten wollte. Er glaubt auch an eine Zukunft. Wenn das alles vorbei sei, wolle er die Beziehung durchaus wieder aufnehmen.

Fünf Tage hat das Schwurgericht geplant. Es wird nicht nur um die Frage gehen, ob die Angeklagte töten wollte. Es wird auch zu entscheiden sein, ob sie so gefährlich ist, dass sie auf nicht absehbare Zeit in die geschlossene Psychiatrie muss.