Ruhrgebiet. 1500 Kirchen werden in diesem Jahrzehnt in NRW überflüssig. Gemeinden sind keine Immobilienmakler, aber es gibt Hilfe für sie.

Ein Schild wie "Gebrauchte Ware ist vom Umtausch ausgeschlossen" klingt nicht direkt nach Kirche, und "Jeder Diebstahl wird zur Anzeige gebracht" eigentlich noch viel weniger. Und doch hängen sie im Vorraum von St. Michael in Oberhausen, wo sich die Kleiderkammer "Janne&Pit" immer breiter macht. Denn als Kirche hat diese Kirche keine Zukunft, sondern als . . . tja. "Die große Frage ist: Was macht man mit einer Kirche?", sagt Pfarrer Thomas Eisenmenger. Die Frage stellt sich vielerorts im Ruhrgebiet.

Denn fast alle Christengemeinden haben in diesen Jahren das gleiche, wachsende Problem: zu wenige Gläubige, zu viele Kirchen. Von 6000 Kirchen in ganz NRW sind 1500 im Jahr 2030 überflüssig, sagen Prognosen. Allein das Ruhrbistum hat in den vergangenen 15 Jahren 100 außer Dienst gestellt. Und was dann? Unter Geistlichen sind Architekten, Makler oder Immobilienentwickler doch wohl eher selten.

"Unsere Michelskirche" sagen die Leute - nur gehen sie nicht mehr hin

"Es verbietet sich, eine Kirche einfach abzureißen wie ein Kaufhaus", sagt Eisenmenger (66), der Pfarrer der Großgemeinde St. Marien, zu der auch St. Michael gehört. Der selbstbewusste Backstein-Bau prägt das Oberhausener Knappenviertel: "Unsere Michelskirche" sagen die Leute - nur gehen sie nicht mehr hin. Aber der Pfarrer weiß natürlich, dass er behutsam mit der Kirche umzugehen hat. Wo Menschen ihre Kinder getauft und ihre Eltern betrauert haben. So ein Kirchenschiff steckt schließlich voller Gefühle.

Schlauerweise haben sie sich jetzt Hilfe geholt. Denn die Landesinitiative "Baukultur NRW" vernetzt und fördert entschlossene Abrissverweigerer. "Kirchen prägen das Bild unserer Städte", sagt Programm-Geschäftsführer Peter Köddermann: "Schon das macht den Umgang mit den Gebäuden so wichtig." Jedes Alter ist vertreten, jeder Baustil: Wobei interessanterweise die aus den 1950er- und 1960er-Jahren eher abgerissen werden.

In Gelsenkirchen wird die Pauluskirche zum Stadtteilzentrum

Jedenfalls unterstützt die Initiative 2021 fünf Gemeinden in NRW, indem sie die Beratung durch Experten bezahlt. Von den fünf sind zwei im Ruhrgebiet, die ihre Kirche im Vorort belassen wollen: St. Michael ist die eine, die Pauluskirche in Gelsenkirchen ist die andere. Dort hat das Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium schon länger einen Blick auf das Gebäude geworfen, alles andere wäre auch ein, nun ja, Wunder, liegt es doch direkt gegenüber.

Das erneuerte, noch nicht beschlossene Konzept sieht nun vor, dass die Pauluskirche von der Schule mit genutzt wird, aber auch von anderen Bildungseinrichtungen im Vorort Bulmke-Hüllen. Probenraum. Lernort. Ausbildungsstätte für Orgelmusiker. Lager der Puppenbühne des Musiktheaters. Willkommen, kulturelle und spirituelle Initiativen! Also irgendwie ein Stadtteilzentrum.

"Ein Ort, wo man sich begegnet und hinsetzt"

Vielleicht ist es ja gar kein Zufall, dass die Überlegungen für St. Michael in eine ähnliche Richtung gehen. Dass Kirchen weiter eine zentrale Funktion behalten, nur nicht mehr ausschließlich für Gläubige. Der Reiz an St. Michael, heißt es bei der Baukultur, sei "einen Campus zu entwickeln, der für Jung und Alt, Kinder und Erwachsene Lebensort, Spielort und Begegnungsstätte sein kann". Eisenmenger kann es auf handfest sagen: "Ein Ort, wo man sich begegnet und hinsetzt."

Es reicht ein Blick in die Gemeinde St. Marien, um die Dimension des Problems zu erkennen: In dieser, in einer einzigen Pfarrei haben wohl nur zwei Kirchen von sechs eine gesicherte christliche Zukunft. Und das Ruhrbistum hat 42 Pfarreien. Und die evangelische Kirche auch noch dasselbe Problem.

St. Johannes wird verkauft, umgebaut und dann bewohnt

Also: In "Heilige Familie" ist die Oberhausener Tafel untergekommen, ein ebenso ehrenwerter Gast wie die Kleiderkammer in St. Michael; aber im Zweifelsfall könnten beide die Gebäude nicht unterhalten. St. Johannes wird verkauft, umgebaut und dann bewohnt sowie von einer Kita genutzt. "Heiliggeist" heißt heute "Tagungskirche" mit verkleinertem Kirchenraum, und "Unsere liebe Frau", bei allem Respekt, hängt wohl in der Schwebe.

Entweiht ist St. Michael noch nicht. "Das passiert erst, wenn Handwerker die Wände aufreißen." Doch die Kleiderkammer, inzwischen eher ein sehr großer Gebrauchtwarenladen, hat sich schon in den Innenraum ausgedehnt und Teile davon mit Leichtbauwänden vereinnahmt. Das Kreuz, es rostet, bitter kalt und unbeheizt ist es auch hierinnen. Frühling ist erstmal nur draußen.