Ruhrgebiet. Autofahrer verabschieden sich gerne von Schnee und Eis. Die hinterlassen freilich neue Hindernisse: Etliche Schlaglöcher tun sich auf.
Auf der B1 hat es ja schon angefangen. In der Nacht auf Freitag hat die Stadt Dortmund zwei von drei Fahrspuren in jeder Richtung gesperrt, und vor den Augen des nicht völlig unerwarteten Staus sind ihre Leute im Einsatz, Schlaglöcher zu verfüllen. Wegen "verkehrsgefährdender Fahrbahnschäden". Elf Stunden lang. Und das ist erst der Anfang. Das Ruhrgebiet taut gerade, und da tun sich Abgründe auf.
Denn das Tauwetter bringt Schlaglöcher an den Tag. Viele. Mehr als eine Woche Eis, Schnee und Minustemperaturen haben jetzt den Straßen zugesetzt. In Essen und Heiligenhaus, in Dortmund, Wesel und Bochum, überall. Mit einigen zehntausend Schlaglöchern ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre zu rechnen. Nur neue, wohlgemerkt.
"Bei schlechtem Wetter können wir nur provisorisch reparieren"
An der Ruhrbrücke von Witten-Herbede etwa hat der Landesbetrieb "Straßen NRW" vorsorglich schon mal das Tempolimit verschärft: auf 30. "Wir gucken jetzt, wie wir das reparieren können", sagt Sprecher Andreas Berg: "Im Winter nehmen wir Kaltasphalt. Aber der hält nicht so lange."
Ein bisschen ist das nämlich für die Katz, Schlaglöcher mit Kaltasphalt zu verfüllen, auch wenn Rafael Stratmann das nie so ausdrücken würde. "Bei schlechtem Wetter und hoher Feuchtigkeit können wir nur provisorisch reparieren", sagt der Abteilungsleiter für Straßenunterhalt bei den Technischen Betrieben der Stadt Bochum.
Vor allem Motorrad- und Fahrradfahrer können schwer verunglücken
Heißasphalt, das eigentliche Mittel der Wahl, sei nun auch nicht zu bekommen: "Die Asphalt-Mischwerke sind geschlossen, weil im tiefen Winter kein Straßenbau stattfindet." Bis zum mutmaßlich letzten Frost im Frühjahr werde die provisorische "Situation aufrechterhalten", erst dann beginnen die tatsächlichen, die haltbaren Reparaturen. Das Flickwerk müsse aber sein, damit die Straßen sicher bleiben. Der ADAC weiß: "Vor allem Motorradfahrer und Fahrradfahrer können an Schlaglöchern schwer verunglücken, bei Autofahrern geht es eher um Sachschäden."
Von Frostschäden bleiben auch die Autobahnen nicht verschont. "Infolge der Wetterlage ist es zu extremen Schäden gekommen, typischerweise Schlaglöchern", sagt Anton Kurenbach, Sprecher der "Autobahn Westfalen Gmbh", die "Straßen NRW" für die Autobahnen abgelöst hat. Auf der Autobahn 1 zwischen Kamen und Dortmund haben sie stellenweise bereits repariert, auch auf der A45 zwischen Witten und Dortmund-Süd. Bald ist die A43 in Herne und Recklinghausen an der Reihe, und in den Nächten auf Donnerstag und Freitag kommt die A2 dran. Zwischen (Castrop-Rauxel-)Henrichenburg und Dortmund-Mengede ist in beiden Richtungen mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Auch die A40 fehlt natürlich nicht: Donnerstag und Freitag arbeiten sie von 9 bis 18 Uhr zwischen Bochum-West und Gelsenkirchen-Süd in Fahrtrichtung Essen, eine Spur ist gesperrt.
Wassergefüllte Hohlräume brechen unter der Last des Verkehrs ein
Aber warum platzen Straßen überhaupt gern im Winter auf? Es beruht im Prinzip auf demselben Effekt wie bei der berühmten, im Tiefkühlfach vergessenen Flasche Bier. Denn Wasser, das zu Eis wird, dehnt sich aus und entwickelt dadurch Sprengkraft.
"Durch Risse im Asphalt dringt Wasser ein und sammelt sich unter der Fahrbahndecke", sagt Sylvia Uehlendahl, die Leiterin des Dortmunder Tiefbauamtes. Als Eis braucht es mehr Platz, "hebt die Fahrbahndecke an, und es entstehen neue Risse". Bei Tauwetter wie jetzt entstehen so wassergefüllte Hohlräume, bis sie unter der Last des Verkehrs aufbrechen. Voila, ein Schlagloch. Und rumms!
Wie groß das Problem in den nächsten Tagen wird, ist noch nicht ganz klar. Ein Anhaltspunkt: Nach dem Winter 2010/2011 stand eine Stadt wie Bochum mit 14 300 zusätzlichen Straßenschäden da. Der Winter im Ruhrgebiet war damals deutlich strenger, es gab auch viel mehr der gefürchteten Wechsel zwischen Frost und Auftauen; aber die Straßen waren auch noch in einem besseren Zustand. Je älter, desto anfälliger.
Städte brauchen mindestens doppelt so viel Geld zur Erhaltung der Straßen
Vielen Ruhrgebietsstädten reicht seit Jahren das Geld nicht, um sie komplett und vernünftig instand zu halten. Fachleute schätzen, sie brauchten dafür das zwei- bis vierfache der bisherigen Summen. Das führt zu hübschen Zitaten von Anrainern traditionsreicher Marterstrecken wie: "Ich muss mich entscheiden, welches Loch ich nehme."
Laufen ist übrigens auch keine Alternative. Denn Wasser und Eis bewirken auch, dass Gehwegplatten sich aus dem Schotterbett lösen können. Viele werden typischerweise kippelig, wenn der Schnee sich verzieht, sie bilden Kanten und Stolperfallen. Etliche ruckeln sich aber eine gewisse Zeit nach dem Wetterwechsel wieder von selbst zurecht. Ähnliches hätte man von einem Schlagloch noch nie gehört. Und so verfüllen sie dieselben Löcher auf der Dortmunder B1 am Dienstag zum dritten Mal in fünf Tagen.