Lüdenscheid/Dortmund. Wir haben einen 94-Jährigen auf seinem Weg durchs Impfzentrum begleitet. Wer ein paar Dinge beachtet, ist schneller wieder zu Hause als er denkt.
Es schneit und gäbe es hier ein Thermometer an diesem Montagmittag würde es gerade minus acht Grad anzeigen. Trotzdem hat sich gegen 13.30 Uhr bereits gut ein Dutzend Menschen vor dem Eingang der Historischen Schützenhalle in Lüdenscheid versammelt. Denn in der Halle ist das Impfzentrum für den Märkischen Kreis.
Über seinen Standort lässt sich streiten. Denn so einfach wie im Vorfeld gerne erzählt, ist es nicht zu erreichen. Zumindest nicht, wenn Winter ist. Nicht übermäßig breit und oft zugeparkt sind die Straßen, die durch ein Wohngebiet zur Halle führen. Und anders als im Radio mehrfach angekündigt, ist der Weg – mit Ausnahme der letzten Meter – schlecht oder gar nicht geräumt, was nicht wenige, die hier warten „völlig unverständlich“ finden. „Man muss doch Prioritäten setzen.“
Manche warten 20 Minuten in eisiger Kälte
Auch sonst ist die Stimmung zunächst eher verhalten. Den selbst, als es gegen 14 Uhr losgeht, will sich die Schlange vor dem provisorischen, kleinen Zelt nicht auflösen. Manch einer steht 20 Minuten oder länger in der eisigen Kälte. Zittern am Rollator, Frieren im Rollstuhl. „Macht mal voran“, fordert einer der Wartenden. „Sonst brauche ich Spritze gegen Corona nicht mehr, weil ich vorher an Grippe sterbe.“
Die Sicherheitskräfte am Eingang bedauern, sind aber zum Auftakt des Nachmittags erst einmal ratlos. „Was sollen wir machen“, fragt eine Security. „Um 14 Uhr kommen Leute, die erst um 15.30 Uhr einen Termin haben.“ Ja, das ist Unsinn, weil jede Diskussion den Betrieb aufhält. Aber es war zu erwarten – besonders bei diesem Wetter. „Wir sind extra früher los gefahren, um den Termin bloß nicht zu verpassen“, erzählt ein Ehepaar aus Hemer. „Aber dann sind wir besser durchgekommen, als wir gedacht haben. Und nun stehen wir hier.“
Griffbereite Dokumente beschleunigen den Einlass
Kurz vor halb drei kommt jemand vom Sicherheitsteam auf die Idee, die Wartenden vor der Tür nach ihren Impfzeiten zu sortieren. Von nun an läuft’s, auch weil sich bis draußen herumgesprochen hat, dass der Einlass wesentlich zügiger geht, wenn man Krankenkassenkarte und/oder Personalausweis bereithält, statt erst umständlich in den Taschen zu kramen, wenn am Eingang danach verlangt wird. Nur so lässt sich nämlich prüfen, ob der Besucher tatsächlich einen Termin hat und auch schon über 80 Jahre alt ist.
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Anders als im Vorfeld immer wieder behauptet, ist es kein Problem, eine Begleitperson mitzunehmen. Natürlich gelten Abstandregeln und Maskenpflicht aber die Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. Impfcentren-Betreiber haben offen erkannt, dass das ganze Procedere viel schneller und reibungsloser läuft, wenn jemand dabei ist, der stützt und beruhigt, der notfalls vorliest oder mithört und Vertrauen genießt. Kinder und Enkel sind es, Schwiegersöhne und –töchter, Neffen oder Nichten. Wer allerdings keine Begleitung für seinen Impftermin bekommen hat, muss nicht verzweifeln. Überall stehen sehr freundliche Helfer und Helferinnen, die gerne zur Seite springen.
Im Zentrum „läuft alles wie am Schnürchen“
Einmal in der Halle, „funktioniert alles wie am Schnürchen“, wie Hubert Sinn anerkennend feststellt. Zuerst wird Fieber gemessen, dann an einem Schalter die Krankenkassenkarte eingelesen. Am nächsten gibt es Formulare mit der Einwilligungserklärung, der Anamnese und das Aufklärungsmerkblatt, verbunden mit der Bitte „Alles gut durchlesen beziehungsweise sorgfältig ausfüllen.“
Das kann man im nächsten Wartebereich machen, man kann sich – zumindest im Geltungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe - alle Formulare aber bereits zu Hause aus dem Internet herunterladen und ausdrucken. Was nicht nur viel weniger Stress ist, sondern auch jede Menge Zeit im Impfcenter spart. Kaum hingesetzt, wird Sinn dann auch schon weitergeleitet in die Kabine eines Arztes. „Und von ihnen kriege ich die Spritze?
Erleichterung in allen Gesichtern
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Kriegt er nicht. Der Mediziner geht mit Sinn noch einmal alle Bögen durch, fragt ob es Fragen gibt und schickt den Senioren zu nächsten Station wo dann die ersehnten Worte fallen. „Machen Sie bitte den Arm frei“, sagt eine Krankenschwester und kontrolliert in der Zwischenzeit noch einmal die Formulare, dann gibt es den lang ersehnten Piks gegen Corona. Und so unterschiedlich die Männer und Frauen auch sind, die anschließend aus den Kabinen kommen, eines haben sie alle gemeinsam. In ihren Gesichtern spiegelt sich Erleichterung, ja manchen stehen sogar Tränen in den Augen. Und eine ältere Dame sagt das Wort, das alle denken: „Endlich.“
Keine 15 Minuten hat der Gang durch das Center bisher gedauert – „Ging viel schneller als ich dachte“, ist Sinn angenehm überrascht. Dann aber muss er warten – mit Abstand und 30 Minuten lang. Um sicher zu gehen, dass es keine allergischen Reaktionen gibt, heißt es. Eine halbe Stunde, die sich gut nutzen lässt, um nach dem zweiten Termin zu fragen, den Sinn, wie so viele andere, bedingt durch technische Störungen bei der Online-Vergabe nicht vereinbaren konnte. Als er die Schützenhalle schließlich verlässt, steht auf seinem Impfordner: 1. März, 14 Uhr. Dann haben wir’s“, blickt der 94-Jährige in die nahe Zukunft. „Gott sei Dank.“