Essen. Nach den Altenheimen sind die Kliniken dran. In Essen läutet NRW-Gesundheitsminister Laumann die Impfaktion für Klinikpersonal ein.

Als Minister, Oberbürgermeister und Kamerateams am Nachmittag eintreffen, ist es längst passiert. Da ist eine 35-jährige Anästhesistin in der Essener Uniklinik bereits seit Stunden geimpft. Um acht Uhr früh erhielt sie ihre Dosis, als erste an diesem Tag, an dem im größten Covid-Zentrum des Landes offiziell der Impfstart des Klinikpersonals in NRW eingeläutet wird. Nach den Altenheimen sind nun die Krankenhäuser dran.

Er freue sich, sagt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in Essen, „dass wir bei den Corona-Schutzimpfungen heute den nächsten Schritt gehen können“. Gut 90.000 Klinik-Mitarbeiter sollen in der ersten Stufe geimpft werden – vorrangig solche, die auf Isolier- und Intensivstation oder in der Notaufnahme arbeiten sowie die, die mit besonders vulnerablen Patienten etwa in der Onkologie oder in der Transplantationsmedizin zu tun haben. 1000 Impfdosen (der Firma Moderna) stünden ihm im Moment zur Verfügung, berichtet Prof. Jochen Werner, der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende der Essener Universitätsmedizin. In zwei, drei Tagen werden sie „verimpft“ sein, glaubt er.

Limitierender Faktor: Menge des zur Verfügung stehenden Impfstoffs

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Keine Frage, das Tempo der Impfungen bestimme die Menge des zur Verfügung stehenden Impfstoffs, räumt Minister Laumann ein. Er wäre gern „schon weiter“, hätte lieber noch früher mit den Impfungen in den Kliniken begonnen. Doch bei aller Kritik sei er „dem Herrgott dankbar“, dass es nach zehn Monaten Pandemie überhaupt schon einen Impfstoff gebe, „dass wir so kluge Menschen haben, die ihn entwickeln konnten“.

Mit den Altenheimen sei NRW „in dieser Woche durch“, verspricht Laumann. Den Kliniken folgten als nächste priorisierte Gruppe dann die ambulanten Pflegedienste. Ab Februar sollen sie angesprochen werden. In dieser Woche erhielten zudem die Über-80-Jährigen, die noch daheim lebten, ihre Impfeinladung. Der Minister brachte in diesem Zusammenhang stolz eine „sehr gute Nachricht“ mit nach Essen: Am Samstag habe er vom Hersteller Biontech erfahren, dass deren Impfstoff - anders als bislang angenommen - „unter bestimmten anspruchsvollen, aber nicht unmöglichen Umständen“ doch transportabel sei. Was bedeuten würde, dass über die Hausärzte hochbetagte Menschen auch in ihren eigenen Wohnungen geimpft werden könnten.

80 Prozent des Klinikpersonals will sich impfen lassen

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Über eine womöglich mangelnde Impfbereitschaft von Pflegekräften und Ärzten war bundesweit zuvor lange und heftig diskutiert worden, gar eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe gefordert worden. Er habe sich sehr darüber geärgert, räumt Laumann in Essen ein. Mit Information und Aufklärung, glaubt auch Jochen Werner, erreiche man viel mehr als mit Druck – sein Haus organisierte deswegen etwa eine Zoom-Konferenz zum Thema, in der alle offenen Fragen beantwortet wurden.

Inzwischen scheint die anfängliche Skepsis auch anderswo überwunden. In keiner Klinik liege die Quote noch unter 70 Prozent, erklärte am Montag der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Hans-Albert Gehle; in vielen sogar bei 90 Prozent. In der Essener Unimedizin wollen sich 80 Prozent impfen lassen. „Fragen“, weiß der Essener Virologe Prof. Ulf Dittmer, „kommen vor allem von jungen Frauen im gebärfähigen Alter.“

Frauen wie Vukosava Perovic und Jannet Boukorza. Die beiden „Fachgesundheits- und Krankenpflegerinnen für Anästhesie und Intensivpflege“ gehören zu denen, die am ersten Tag in Essen geimpft wurden. Einen Tag lang, erzählt Perovic, habe sie zu Nebenwirkungen und Folgen „recherchiert“. „Dann stand meine Entscheidung!“ Sich selbst und ihre Angehörigen will sie schützen, schließlich stünde sie täglich am Bett der Infizierten. Dass ihr die Impfung irgendwann Vorteile verschaffe gegenüber Nicht-Geimpften, „das darf es nicht geben“, findet die Intensivschwester. „Das führt zu einer Spaltung der Gesellschaft, die nicht akzeptabel ist.“

"Für uns ändert sich nichts"

„Für uns ändert sich nichts“, bestätigt Juliane Weidle, die Oberärztin, die seit Montag ebenfalls gegen Corona geimpft ist. Sie werde sich bei der Arbeit weiterhin schützen wie zuvor, Abstand halten und andere Regeln einhalten auch im privaten Bereich, schon um den Kindern ein Vorbild zu sein. „Es muss endlich in alle Köpfe rein, dass Covid nicht nur die Alten und Kranken trifft. Wir haben hier so viele schwere Verläufe gesehen, auch bei jungen, nicht vorerkrankten Menschen und Schwangeren…“. 1500 Corona-Patienten wurden seit März 2020 in der Essener Universitätsmedizin stationär behandelt. 230 von ihnen starben.

Wenn sie an diesem Abend ihren Nachtdienst antrete, werde sie sich nicht „sicherer“ als am Tag zuvor fühlen, sagt Boukorza beim Abschied. „Aber vielleicht ein wenig glücklicher!“

>>> INFO: Vereinzelte Impfungen schon zuvor

Tatsächlich sind schon vor dem offiziellen Start der flächendeckenden Impf-Aktion in NRW-Kliniken sind einzelne Pflegekräfte und Ärzte geimpft wurden – mit Ampullen, die in Altenheimen nicht benötigt wurden und sonst hätten weggeworfen werden müssen.

Im Bochumer St. Josef-Hospital erhielten bereits 121 Mitarbeiter aus Hoch-Risiko-Bereichen ihre Impfungen, die Intensivschwester Aneta Wojciuszkiewicz als vermutlich erste des Landes ihre am 30. Dezember – „ein historisches Ereignis für die Klinik“, so Sprecher Jürgen Frech.