Essen. Die Ministerpräsidenten hätten früher auf Kanzlerin Angela Merkel hören sollen. Nun geht es nur noch darum, die drohende Katastrophe abzumildern.

Spätestens seit diesem Freitag ist klar, dass ein relativ unbeschwertes Weihnachtsfest unter etwas gelockerten Bedingungen nur ein frommer Wunsch war. Wir stehen bei den Corona-Neuinfektionen bundesweit und auch in NRW wieder vor einem beginnenden exponentiellen Wachstum. Schlimmer noch: Die drohende Katastrophe völlig überlasteter Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern ist nicht mehr abzuwenden.

Denn selbst dann, wenn der komplette Lockdown bereits in der kommenden Woche startet, dauert es mindestens zwei Wochen, bis wir eine Wirkung in den Krankenhäusern sehen. Wir müssen uns also ausgerechnet zu Weihnachten auf Bilder einstellen, die wir uns alle gerne erspart hätten.

Merkel hat vor dem „Unheil“ gewarnt

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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wirkte an diesem Freitag bei der Pressekonferenz in Düsseldorf ruhig und gefasst. Wie es in ihm wirklich aussieht, lässt sich nur erahnen. Er muss jetzt nahezu panikartig die Reißleine ziehen und der Wahrheit ins Gesicht blicken: Die bisherigen Maßnahmen waren unzureichend, und es geht auch auf sein Konto, die vielen warnenden Stimmen der vergangenen Wochen nicht ernst genug genommen zu haben.

Die mit Abstand prominenteste Stimme war die der Bundeskanzlerin. Sie hatte schon Ende Oktober nach den Beratungen mit den Länderchefs auf härtere Maßnahmen gedrängt. Sie hatte eindringlich vor dem drohenden „Unheil“ gewarnt, das sich mit Halbherzigkeit nicht abwenden ließe. Recht hatte sie.

Nun passiert, was passieren muss

Und dann der für Merkels Verhältnisse extrem emotionale Appell im Bundestag, nun endlich auf die Wissenschaft zu hören – während sich Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer von der FDP noch bis diesen Donnerstag (!) vehement gegen die Vorschläge der Wissenschaftsakademie Leopoldina wehrte, die Geschäfte zu schließen und die Schulpflicht aufzuheben. Laschet ließ sie gewähren, doch die Zahlen vom Freitagmorgen ließen ihm und seinem FDP-Vize Stamp keine Wahl mehr.

Nun passiert, was passieren muss. Der Lockdown kommt, jetzt. Die Geschäfte so schnell wie möglich zu schließen, ohne zu provozieren, dass die Menschen an diesem Samstag noch schnell massenweise in die Städte fahren, um sich für die Festtage einzudecken, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Da helfen nur Appelle an die Vernunft.

Schul-, nicht Präsenzpflicht: Ein politischer Taschenspielertrick

Das gilt auch für die Eltern. Sie entscheiden von Montag an, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht. Wer keine Betreuungsmöglichkeiten hat und/oder sich überfordert sieht, die entstehenden Bildungslücken bei den Kindern nicht zu groß werden zu lassen, für den bleiben die Schulen geöffnet. Alle anderen sollten zu Hause bleiben.

Was es bedeuten soll, hier dennoch weiter von einer „Schulpflicht“ zu sprechen, bleibt indes unklar. Aber das kennen Lehrer, Eltern und Schüler in NRW ja nicht anders, dass man am Freitagmittag noch nicht weiß, was am Montag passiert.

Die Wahrheit ist: Zu sagen, es gebe zwar keine Präsenzpflicht, aber eine Schulpflicht, ist ein politischer Taschenspielertrick, damit Ministerin Gebauer halbwegs ihr Gesicht wahren kann. Eine Schulpflicht ohne Präsenz würde voraussetzen, dass es eine entsprechende Ausstattung für Hybrid- und Distanzunterricht gibt. Aber genau die gibt es bekanntlich nicht.