Köln. Nach dem Tod einer Autofahrerin unter einer Betonplatte auf der A3 entdeckt ein Gutachter weitere Schwachstellen. Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nach dem tödlichen Unfall mit einer Betonplatte auf der A3 hat ein Gutachter in der betroffenen Lärmschutzwand offenbar ein weiteres absturzgefährdetes Teil entdeckt. Zwei Fahrspuren bei Köln-Dellbrück bleiben weiterhin gesperrt.
Der Sachverständige, erst am Montag von der Staatsanwaltschaft eingesetzt, dokumentierte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in seinem Vorabgutachten einen bereits verbogenen Schweißanschluss an einer benachbarten Betonplatte, es bestehe eine erhöhte Gefahr, dass auch diese Aufhängung reiße. Die gefährlichen Bauteile sollten nun schnellstmöglich ausgebaut und als Beweismittel gesichert werden, empfahl der Gutachter.
Baufirmen sollen verschiedene Befestigungssysteme verwandt haben
In seinem Vorgutachten stellte der Ingenieur fest, dass manche Betonplatten rund um die Unglücksstelle korrekt angebracht wurden, andere – darunter die abgestürzte – aber nicht. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte zuerst berichtet, dass am Bau der Wand zwischen 2005 und 2008 unterschiedliche Unternehmen beteiligt waren, die verschiedene Befestigungssysteme verwendet haben könnten. Die korrekt angebrachten Bauteile sollen mit bloßem Auge zu erkennen sein: Der Abstand zur oberen Kante der Wand ist offenbar unterschiedlich. Neben einer abgebrochenen Schraube fand der Gutachter nach dpa-Informationen eine deutlich zu kleine Unterlegscheibe.
Das wäre eine deutliche Antwort auf die vielen Fragen nach der Tragödie vom Freitag: Da stürzte die wohl mehr als sechs Tonnen schwere Betonplatte aus der Lärmschutzwand der Autobahn 3 auf ein Auto, die Fahrerin (66) war sofort tot. „Kein klassischer Verkehrsunfall“, sagt die Polizei. „Kein Unfall im herkömmlichen Sinne“, sagt Straßen.NRW. Schlimmer, „eine Tragödie“.
Tagelang tappten die Behörden im Dunkeln: Wieso kippt dieses Stück Beton einfach um? Am Freitag, dem 13., morgens um viertel nach zehn. Wieso stürzt es in die Front des schwarzen Polos, genau dorthin, wo die Fahrerin aus Köln sitzt, unterwegs auf der rechten Fahrspur Richtung Norden. Warum nicht hinten, warum nicht in eine Lücke im Verkehr? Letzteres wird wohl nie zu klären sein, wird „unglücklicher Zufall“ bleiben. Ingenieure untersuchen die Wand das ganze Wochenende, nun liefert das Gutachten unerwartet schnelle Erkenntnisse.
Ermittler wollen wissen, ob jemand für das Unglück verantwortlich ist
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Die Kölner Staatsanwaltschaft hat erst am Montag offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Der Verdacht: fahrlässige Tötung. Es müsse geklärt werden, heißt es, ob der Tod der Verkehrsteilnehmerin auf ein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten einer oder mehrerer Personen zurückzuführen ist. Also, erklärt ein Polizeisprecher, „ob jemand dafür verantwortlich gemacht werden kann, soll, muss“. Der Sachverständige wird eingesetzt, die Leiche der Kölnerin soll obduziert werden. „Es wird alles untersucht, was in diesem Zusammenhang wichtig sein könnte“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.
Der Gutachter sollte herausfinden, ob Materialermüdung, unterbliebene Inspektionen oder fehlerhafte Befestigungen ursächlich seien für das Unglück. Aus seinem schnell veröffentlichten Vorgutachten geht nun hervor, dass sich das tonnenschwere Teil gelöst habe, weil die Metallhalterungen in der dahinter stehenden Betonwand fehlerhaft waren. Die Betonplatte und ihre Aufhängungen waren dafür bereits beschlagnahmt worden, unmittelbar nachdem ein großer Kran am Freitag das Stück Lärmschutzwand vom Autowrack gezogen hatte. Das Kriminalkommissariat KK11, zuständig für Todesermittlungen, hat die Sache in der Hand. Eine Mordkommission, wie eine Zeitung berichtet, gibt es aber nicht. An Vorsatz mag nun doch niemand glauben.
Je zwei Fahrspuren der A3 bleiben in beide Richtungen gesperrt
Das ganze Wochenende und auch am Montag tragen Experten der für die Autobahn zuständigen Behörde Straßen.NRW Puzzlesteinchen zusammen. Zu Wochenbeginn sagen sie noch: Es seien keine weiteren Platten, jede mindestens zwei mal vier Meter groß, lose. Jedenfalls nicht in diesem Autobahn-Abschnitt in unmittelbarer Nachbarschaft, zwischen der Abfahrt Köln-Dellbrück und dem Kreuz Köln-Ost. Das klingt nach dem Vorgutachten anders: Die fehlerhafte Aufhängung der Vorsatzschale scheint nun doch kein Einzelfall zu sein.
Gute eineinhalb Kilometer sind auf der A3 zu untersuchen, in beide Richtungen. Zwei Spuren haben sie dafür mit rot-weißen Hütchen abgesperrt. Wie lange die Sperrung noch bleibt, ist offen. Nun soll ein Ingenieurbüro alle weiteren Aufhängungen untersuchen.
Auch auf das große Ganze müssen die Ingenieure jetzt noch genauer blicken: Wo im Land sind solche Teile noch verbaut, mit welcher Technik? Sind Schäden von außen zu erkennen, wie der Gutachter sagt, oder müsste man die Platten abnehmen? Welche Rolle spielte welche Baufirma? Die Rede ist von einer „Unmenge an Daten“, bautechnisch anspruchsvollen Details. Fest steht: Der schmucklose graue Beton hat nicht überall Normmaß, wird nicht an jeder Straße gleich verbaut. „Das sind Maßanfertigungen“, sagt ein Sprecher von Straßen.NRW.
Erweiterung des Autobahnabschnitts erst 2008 abgeschlossen
Diese hier entstand, als der Autobahnabschnitt zwischen 2005 und 2008 auf acht Spuren erweitert wurde. Damals wurde die Straße in das Gelände gewissermaßen eingeschnitten, sie liegt also tiefer als das Gelände. Das Element, das sich nun löste, war ein Teil der Lärmdämmung auf Höhe der Fahrbahn, die eigentliche Lärmschutzwand steht erst oben, auf der Ebene der Stadtstraßen und Schilderbrücken.
Experten sprechen davon, dass Bauteile dieser Art eigentlich Jahrzehnte halten müssten. Stark beansprucht seien sie nicht, sie trügen nur ihr Eigengewicht. Warum die Befestigungen schadhaft waren, wer dafür verantwortlich ist, muss nun geklärt werden. Das sei man, sagten schon am Wochenende mehrere Landespolitiker, der Familie des Opfers schuldig. Am Mittwoch muss der Verkehrsminister in Düsseldorf berichten .