Dortmund. Eine halbe Stunde Wärme und eine Mahlzeit: Dortmund hat den Obdachlosen ein Zelt gebaut. Gäste sind ab Montag willkommen – mit Sicherheitsabstand.
Es geht der Suppenküche und dem Gast-Haus derzeit ja nicht anders als den Restaurants: Speisen abholen darf man, bleiben nicht. Was ein Problem ist, wenn die Gäste kein Zuhause haben, in das sie eine Mahlzeit tragen könnten. Dortmund hat seinen Obdachlosen deshalb für den Winter ein Zelt gebaut. Ab Montag bis Ende März gibt es hier etwas zu essen und warme Füße, mindestens für eine halbe Stunde.
Wenn der Monat seine Mitte überschritten hat, werden die langen Schlangen vor den Hilfseinrichtungen immer länger. Am „Gast-Haus“ wand sie sich zuletzt den Block entlang und um die Ecke, an der Suppenküche „Kana“, warteten die Menschen auf dem Mittelstreifen; das Sozialamt musste tatsächlich helfen mit einem „Schlangenmanagement“. Aber „anstehen können viele unserer Gäste ja gar nicht“, klagt Ursula Wierling von Kana, es sei „ein Elend“.
Auf 600 Quadratmetern sollen Obdachlose für eine halbe Stunde Ruhe finden
Und nun kommt der Winter.
Menschen, die auf der Straße leben , müssen auch dort essen. „Sie bekommen ihr Lunchpaket“, sagt Hans-Jörg Martin, der als Ehrenamtlicher im „Gast-Haus“ arbeitet, „und dann gehen sie auf die andere Straßenseite.“ Auch das ist wie beim Außer-Haus-Verkauf: Verzehr bitte nur mit 50 Metern Abstand. Nicht nur für Sozialdezernentin Birgit Zörner „überhaupt gar keine gute Perspektive“.
„Stress des Tages und der Nacht“
„Früher“, vor Corona, sagt Martin, hätten die Gäste tun können, „was wir auch machen“. Sich an einen Tisch setzen, in Ruhe frühstücken, ein Gespräch führen. „Die Wärme, die Ruhe, die Möglichkeit, Kraft zu tanken und den schweren Stress des Tages und der Nacht abzuwerfen“ – alles weg.
Ab Montag aber soll das in Dortmund wieder gehen. Das 600 Quadratmeter große Zelt am Fuße des U-Turms hat schon Flüchtlingen einen Dach geboten, nun soll es den Obdachlosen zur Winterhilfe werden. 70 Tische mit jeweils einem blauen Stuhl stehen bereit, 1,50 Meter Abstand, der Weg führt über eine „Hygienestraße“: Desinfektionsmittel, Fieberthermometer, Waschbecken, Toiletten vor der Tür. Zweimal täglich wird für drei Stunden geöffnet, mehr als 100 Ehrenamtliche helfen.
Vereine der Wohnungslosenhilfe betreiben das Angebot
Gekocht wird nicht im Zelt, die Schnitten schmieren sie im Gast-Haus gegenüber, die warme Suppe bringt der „Wärmebus“. Die Vereine der Wohnungslosenhilfe in der Stadt stemmen das Angebot gemeinsam, die Verwaltung baut, beschützt und bezahlt das Zelt: 200.000 Euro kostet das.
Wie vielen Menschen damit geholfen werden kann , ist nicht ganz klar. 250 bis 300 kommen jeden Tag allein ins Gast-Haus, etwa 700 Betroffene sind in der Stadt bekannt. Viele kennen sich auch untereinander; sei vermissen es, weiß Ursula Wierling, nach dem Essen miteinander zu reden. „Sie sehen sich sonst ja auch nicht, sie sind schrecklich alleine .“ Tischgespräche darf es im Zelt allerdings auch nicht geben, der Corona-Abstand muss eingehalten werden. Und wenn die Schlange draußen wächst, sollen Gäste nach etwa 30 Minuten Platz machen für den nächsten.
Aber immerhin, sagt Ursula Wierling, habe man „das Möglichste getan, um wenigstens eine halbe Stunde Normalität anzubieten“. Hans-Jörg Martin sagt: „Es hat etwas mit Menschlichkeit zu tun.“