Heiligenhaus. Pflanzaktionen gibt es viele, Ausgleichsbäume für Neubauten auch. Dass Bürger einen Wald ganz neu anlegen, ist selten: auf 78.000 Quadratmetern.

Da kommen sie den Weg neben der Landstraße herunter: Vorneweg der Förster mit einer Schubkarre voller Setzlinge, dann 25 Erstklässler, die sich an 25 Bäumchen abschleppen, puuuh, und doch an jedem Regenwurm interessiert anhalten; dann Frau Reker, die Klassenlehrerin, und noch zwei Frauen aus der Schule. Am Schild „Bürgerwald Pflanzung“ gehen sie scharf links, noch einen Feldweg hinauf, und schon steht die Gruppe im werdenden Wald, der sich derzeit noch als braunes Feld präsentiert.

Die Pflanzaktion an einem sonnigen, kalten Vormittag in Heiligenhaus ist nicht irgendeine, selbstverständlich gute. Diese ist größer. Denn hier haben die Bürger der kleinen Stadt südlich von Essen begonnen, sich einen ganzen Wald zu pflanzen: 6000 Bäume, aber das ist natürlich erst der Anfang in den nächsten vier Wochen.

„Klimaschutz ist eine Kraftanstrengung, da muss man groß denken“

Stadtförster Hannes Johannsen steht auf der früheren Ackerfläche, auf der nun ein Wald entsteht.
Stadtförster Hannes Johannsen steht auf der früheren Ackerfläche, auf der nun ein Wald entsteht. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Zehn Jahre werden sie pflanzen. Auf 78.000 Quadratmetern. Die Freifläche geht bis zum Horizont, naja, dem Horizont der Kinder – aber man soll das nicht kleinreden, es ist trotzdem eines der größten gegenwärtigen Projekte dieser Art in Deutschland. Wann entsteht schon mal ein neuer Wald?

„Klimaschutz ist eine Kraftanstrengung, da muss man groß denken“, sagt Stadtförster Hannes Johannsen. 30.000 Bäume sollen hier in ein paar Jahren stehen, „in 100 Jahren dicke Linden und dicke Eichen, man muss da etwas weiter denken“. Der 52-Jährige ist vielleicht der einzige in Deutschland, der das Studium der Forstwirtschaft mit Sozialpädagogik kombiniert hat: Man merkt es daran, wie er die Kinder mit leichter Hand führt und anspornt.

Schüler, Familien, Vereine: Der Bürgerwald ist keine Kinderaktion

„Ihr Leute, passt auf!“ Erzählt vom Speierling, einem wilden Apfel, der auch hier gepflanzt wird; wie sie die Setzlinge in die vorbereiteten Löcher stellen sollen („Nicht zu tief, ihr sollt die ja nicht verbuddeln“), und dass das alles überhaupt nur klappt, wenn sie ihm jetzt helfen: „Ich kann ja nicht 400 Bäume alleine tragen.“ Die Mädchen und Jungen umdrängen ihn, „Ich“, „Ich“, „Ich“ mit der voll entflammten Begeisterung von Sechs- und Siebenjährigen. Zwei Passanten mit Hund, die gerade den Feldweg entlang kommen, werden von Johannsen auch direkt freundlich verhaftet: „Wollen Sie auch einen Baum pflanzen?“ Da soll man mal nein sagen. 25 Kinder schauen dich an.

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Wohlgemerkt: Der Bürgerwald von Heiligenhaus ist keine Kinderaktion. Natürlich kommen die Grundschulen gern und helfen. Doch auch Familien oder Vereine können nach Absprache pflanzen. Musiker gaben ein Konzert für den guten Zweck, die Lebenshilfe bastelte dafür, und die Spender sind eh erwachsen. Neulich kamen 500 Euro von einem Mann mit einer Begründung, der man kaum widersprechen kann: „Ich hab’ im Leben so viel Scheiß gemacht – nimm!“

Eichen, Linden, Tannen, Elsbeeren, Speierling: insgesamt zwölf Sorten Baum

Die Kinder sind mit Begeisterung dabei.
Die Kinder sind mit Begeisterung dabei. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Wir legen einen neuen Wald an, weil wir wissen, wie wichtig Klimaschutz ist“, sagt Bürgermeister Michael Beck (CDU). Die Parteizugehörigkeit ist aber diesmal zweitrangig, der Rat mit seinen sieben Fraktionen hat einstimmig für den Wald gestimmt. Und so kommt es, dass auf der verpachteten städtischen Fläche, wo bisher Kartoffeln und Wintergerste wuchsen, nun Eichen und Linden, Tannen und Elsbeeren wachsen. Zwölf Sorten Baum.

„So eine große Fläche ist wahrscheinlich mein Lebenswerk. Das macht man nicht so oft als Förster“, sagt Johannsen. Natürlich könnte er mit seinen Leuten und Maschinen die Fläche auch in wenigen Wochen aufforsten, doch darum geht es nicht: „Je mehr Leute sich beteiligen, desto mehr können sagen: unser Wald!“ Durch das Strecken auf zehn Jahre würden „Kinder einbezogen, die noch gar nicht geboren sind“, ja man darf unterstellen: Deren Eltern zum Teil noch gar nicht zusammen sind.

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Nach einer knappen Stunde hat die 1a der Regenbogen-Grundschule 400 Bäume gesetzt. „Und sind da noch Pflanzen?“, ruft Johannsen in Richtung Schubkarre. „Alle weg“, sagt ein Mann, der immer hilft, ein Rentner aus dem Hegering. Die Kinder gehen zurück zur Straße, sie sind geschafft, ein Schulbus wartet. Heute kommt die nächste Klasse.