Essen/Dortmund. Für Schausteller sind Weihnachtsmärkte die letzte Chance, Geld zu verdienen. Die steigenden Infektionszahlen machen aber auch ihnen Sorge.
Hätte man auch nicht gedacht vor einem Jahr – dass man knapp zwölf Monate später mal in einen „Glühweingarten“ auf dem Weihnachtsmarkt gehen würde. Wo man meist nicht stehen, sondern nur sitzen darf. Und wo man vor dem Betreten seine Adresse hinterlassen muss. Aber so ist das nun einmal in Corona-Zeiten und für viele Menschen ist das, laut mehrerer Umfragen, „besser als nichts“.
Weniger Buden, mehr Platz und Absperrungen
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Ein paar Tage erst ist es her, dass NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erklärt hat: „Ja, Weihnachtsmärkte darf es geben.“ Natürlich nur „unter Auflagen“. „Aber das war klar“, sagt Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes und gleichzeitig Vorsitzender des Schaustellerverbands Essen/Ruhrgebiet. „Darauf sind wird vorbereitet.“
Dann kann Florian Hecker, Sprecher von Essen Marketing, nur zustimmen. „Wir haben einen Markt geschaffen, der allen gesetzlichen Anforderungen genügt.“ Auch weil die äußeren Bedingungen passen. „Wir haben Glück, dass wir in der Innenstadt breite Straßen und große Plätze haben.“ Denn 2020 wird der Markt (13. November bis 23. Dezember, www.visitessen.de) entzerrt, um Ansammlungen zu vermeiden. Abstände werden vergrößert und Buden deshalb auch dort stehen, wo bisher keine standen. Zudem sinkt die Zahl der Stände, weil ausländische Schausteller und Anbieter abgesagt haben. „Das spielt uns in die Karten.“
Keine spontanen Treffen möglich
Und wie auf den meisten anderen Märkten gilt auch in Essen: Für ein Treffen an den 14 Glühweingärten muss man sich vorab online anmelden und seinen Namen in Adresslisten eintragen. Und natürlich gibt es überall Security sowie Desinfektionsständer.
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Beim Weihnachtszauber auf Crange (www.cranger-weihnachtszauber.de), der in diesem Jahr vom 19. November bis zum 10. Januar besonders lange dauert, gelten ähnliche Regeln. Veranstalter Sebastian Küchenmeister will das Gelände darüber hinaus einzäunen und einen mobilen Weihnachtsthemenmarkt präsentieren.
Hygienemaßnahmen kosten Veranstalter viel Geld
Einen Zaun gibt es auch rund um den Dortmunder Hansaplatz, wo mit dem größten Weihnachtsbaum der Welt, vom 19. November bis zum 30. Dezember wieder das Herz der „Dortmunder Weihnachtsstadt“ (www.weihnachtsstadt-do.de) schlägt. Die Kosten für den Baum – immerhin rund 300.000 Euro – übernimmt in diesem Jahr die Stadt Dortmund. Wofür Patrick Arens, Vorsitzender des Markthandel- und Schausteller-Verbands Westfalen und gleichzeitig einer der Organisatoren, sehr „dankbar“ ist. Am Budget des Marktes ändert das allerdings nichts. „Die neuen Hygiene und Sicherheitsmaßnahmen kosten ähnlich viel.“
In manchen Städten werden Konzepte noch geprüft
Noch nicht ganz so weit wie Essen, Dortmund und Crange sind derzeit Bochum, Duisburg und das Centro in Oberhausen. Dort wartet man noch darauf, dass das eingereichte Hygiene-Konzepte genehmigt werden und hofft, dass die Zahl der Infizierten bis Ende November nicht explodiert. In Hattingen dagegen ist der Weihnachtsmarkt abgesagt. Zu eng sei es in den alten Gassen der Stadt, heißt es.
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So ausgefeilt die Konzepte auch sind, Ungewissheit bleibt. Selbstverständlich könne niemand sagen, wie sich die Infektionszahlen in den kommenden Wochen entwickeln und was bei einem Anstieg für Regeln gelten würden, räumt Essen-Marketing-Sprecher Hecker ein. „Aber das sind Dinge, die nicht in unserer Hand liegen.“
Schausteller fordern Gleichbehandlung
Auch Albert Ritter kennt alle Unwägbarkeiten. „Die Branche ist es gewohnt, mit Risiken zu leben.“ Und natürlich, sagt der oberste deutsche Schausteller, „ist die Gesundheit das höchste Gut. Wenn alles zumacht, müssen wir eben auch wieder zumachen.“ Aber, sagt Ritter auch, „wir fordern Gleichbehandlung“. Zuschauer in vielen Theatern, Museen geöffnet, Weihnachtsmarkt geschlossen – „das kann nicht sein“. „Vor allem, weil sich bei uns alles draußen abspielt, wo es ungefährlicher ist.“
Hinzu kommt, dass es der Branche schlecht geht, wie kaum einer zweiten. „Das letzte Geld haben die meisten von uns auf den Weihnachtsmärkten 2019 verdient. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Die Wochen vor dem Fest seien deshalb „überlebenswichtig“. Arens bestätigt das. Gerade einmal vier Prozent seines normalen Jahresumsatzes hat er bisher gemacht. „Wie viele Betriebe kennen Sie, die so etwas lange verkraften?“
Gar nicht erst aufzumachen ist keine Alternative
Nicht aufzumachen aus Angst davor, mit noch mehr Miesen im Gepäck wieder schließen zu müssen, sei trotzdem keine Alternative gewesen, da sind sich Ritter und Arens einig. „Wer nichts versucht, kann nichts gewinnen“, sagt der Bundeschef. Arens drückt es etwas drastischer aus. „Lieber in der Schlacht fallen, als im Bett sterben.“