Ruhrgebiet/Gelsenkirchen. Die Hochzeit als Hotspot: Gelsenkirchen hat private Feiern bereits eingeschränkt. Veranstalter glauben aber, dass sich das Risiko nur verlagert.
Das Private ist pandemisch. Hochzeiten und Geburtstagsfeiern stehen im Fokus, seitdem die Covid-Zahlen in Hamm und Remscheid in die Höhe geschnellt sind nach Großfesten. Dortmunds Nachbarort erreichte am Mittwoch den bundesweiten Spitzen-Inzidenzwert von 94,9. Wie reagieren andere Städte? Werden Feiern stärker eingeschränkt? Und was bedeutet das für die Veranstalter?
Gelsenkirchen hat bereits zu Wochenbeginn die Regeln angezogen, da hier die Neuerkrankungsrate kritisch anstieg (Inzidenzwert44,1): Nur noch 50 statt 150 Gäste sind nun zu gewerblich organisierten Feiern zugelassen. Rein private Feste sollen auf 25 Personen beschränkt bleiben. „Unsere Analyse hat ergeben, dass private Veranstaltungen ein wichtiger Grund für den Anstieg sind“, erklärt Thomas Richter, beim Ordnungsamt verantwortlich für „Lage und Strategie“.
Mehr Kontrollen, aber nur bei organisierten Feiern
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Schon am Wochenende habe man viele organisierte Feiern kontrolliert. „Natürlich nicht in privaten Wohnungen.“ Vorbeugende Kontrollen sind hier weder gewollt noch möglich, schon weil eine Fete daheim nicht angemeldet werden muss. Nur wenn Hinweise auf Verstöße eingehen, können die Offiziellen hier eingreifen. Den Kontrollplan will Richter noch einmal intensivieren.
Nur bei den Kontaktdaten stellten die Kontrolleure am Wochenende Verstöße fest. „Häufig waren die Namen nicht deutlich geschrieben“, erklärt Richter, aber auch Fantasienamen wie Donald Duck, Micky Maus oder Darth Vader seien keine Seltenheit. Im Schnitt seien wohl weniger als die Hälfte aller Kontaktdaten korrekt. „Das ist besonders ärgerlich, weil man durch die Nachverfolgbarkeit vieles stattfinden lassen kann.“
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Ob die Beschränkung auf 50 Feiernde im gewerblichen Bereich tatsächlich etwas bringt, bezweifelt Ahmet Yigit. Er betreibt mit seinem Bruder die „Vision Festhalle“ in Schalke-Nord. „Ich habe natürlich Verständnis für die Maßnahme, aber die Gäste kommen ohnehin zu neunzig Prozent von außerhalb – und eine Hochzeit zum Beispiel, die am Wochenende bei uns stattgefunden hätte, ist nun nach Bochum abgewandert.“ So sehe es mit fast allen Veranstaltungen der nächsten drei Monate aus, erklärt Yigit. Fast alle seien bereits ausgewichen, denn die Veranstalter suchen Planungssicherheit.
Jede Stadt löst es anders
Wirtschaftlich sei das existenzbedrohend, sagt Yigit. Ein halbes Jahr lag der Betrieb still, dann ging es auf Sparflamme wieder los – nur drei Wochen lang. Nun scheint der Rest des Jahres im Grunde gelaufen. Die Entscheidung der Stadt habe ihn überrascht. „In Hamm haben die das anders gelöst.“ Dort muss bei Veranstaltungen über 50 Personen nun ein Hygienekonzept vorgelegt werden.
Ein solches hätten die Brüder schon vor den Sommerferien mit der Stadt besprochen, sagt Yigit. Es sei besonders penibel: „Unsere Tische stehen drei Meter auseinander, doppelt so weit, wie es die Coronaschutzverordnung vorschreibt.“ Die Halle ist eigentlich für 1000 Personen ausgelegt. „Wir messen die Temperatur. Die Tische sind familienweise belegt, und wir begleiten die Leute zu ihren Plätzen. Wir bieten Masken an.“ Und wenn die Gäste an Händen im Kreis tanzen wollen, unterbrechen die Hausherren freundlich, aber bestimmt.
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Die Hammer Gesellschaft mit 600 Gästen hatte ihre Feier aufgeteilt auf mehrere Tage und auf Hamm, Dortmund und Werl. Offenbar wurde nur in Dortmund die Personenzahl von 150 überschritten. Die Stadt will nun stärker kontrollieren, erklärt Sprecher Maximilian Löchter. Alle Veranstalter werden schriftlich sensibilisiert. Auch hier sollen Fantasienamen angegeben worden sein: „Tarzan und Jane“.
Flächendeckende Kontrollen sind ohnehin kaum möglich
In der Nachbarschaft scheinen schärfere Regeln kein Thema. „Wir hatten keine größeren Verstöße“, sagt Bochums Sprecher Thomas Sprenger. Auch in Duisburg habe es bislang „keine Beanstandungen zur Überschreitung der Personenzahl“ gegeben, so Sprecher Sebastian Hiedels. Man kontrolliere stichprobenartig und bei Beschwerden. Alle Feste in der Stadt ließen sich mit dem vorhandenen Personal unmöglich überprüfen.
Und auch in Essen ist die Lage derzeit entspannt. Lediglich nach einer Trauerfeier im September habe es sechs Corona-Fälle gegeben, erklärt Sprecherin Silke Lenz. Offenbar seien hier Abstände nicht eingehalten worden. Die zulässige Zahl der Personen sei jedoch nicht überschritten worden, und die Dokumentation sei gut gewesen. Lenz appelliert an die Bürger, sich auch im Privaten an die Regeln zu halten. „Niemand findet es schön, seine Geburtstagsfeier oder Hochzeit als Corona-Hotspot wiederzufinden.“
>> Info: Was den Veranstaltern droht
Was droht Veranstaltern, wenn sie zu viele Personen zulassen oder die Dokumentationspflicht verletzen? Die Coronaschutzverordnung sieht Ordnungsgelder von 2000 Euro vor. Bei Wiederholung mehr. Dann ist auch ein Gewerbeuntersagungsverfahren möglich.
Hamms Oberbürgermeister hat angekündigt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Brautpaar oder den Veranstalter für entstandene Schäden in Regress zu nehmen. Ob das überhaupt möglich ist, ist juristisch unklar. Hamms Rechtsamt prüft. Dortmund behält sich lediglich weitere Schritte vor.