Ruhrgebiet. Seit Wochen pendeln Tausende in Bussen zwischen Essen, Mülheim und Duisburg. Jetzt ist auch noch die A40 dicht. Trotzdem kommt man irgendwie an.
Morgens um 7 ist die Welt nicht in Ordnung. Nicht, wenn man mit zwei Rollkoffern auf dem Bürgersteig eines großen, dunklen Autotunnels neben dem Essener Hauptbahnhof steht und mit 40 anderen Leuten auf den Ersatzbus wartet. Der Flieger von Felix Müller (Name geändert) startet um 10 Uhr in Düsseldorf nach Lappland. Herr Müller, Sie sehen aber ganz entspannt aus. „Das ist nur äußerlich. Innen drin brodelt’s.“
Züge fahren hier ja nicht mehr wegen der beschädigten Eisenbahnbrücken in Mülheim. Und die Autobahn 40 ist jetzt auch noch gesperrt. Der Unfall des Tanklasters: Ganze Arbeit, muss man sagen. Mindestens zwei Wochen heißt das jetzt für Pendler zwischen Essen, Duisburg und Mülheim jeden Morgen: „Schauen wir mal.“ Der Regionalexpress 1 ist heute ein gelber Gelenkbus. 7.25 Uhr ab Essen.
„Fährt dieser Bus auch weiter als Duisburg?“
Planmäßig fahren Ersatzbusse schon seit fast zwei Wochen zwischen den drei Städten, aber bisher konnten sie ja komplett die A40 nehmen. Nun nicht mehr. Rund 40 Leute sind in diesem Bus, die meisten können sitzen, nicht alle. Viele lesen oder schreiben am Handy oder gucken Brillen beim Beschlagen zu. Alle tragen Maske bis auf einen Mann. Ansonsten: Rucksäcke, Laptops, Umhängetaschen. Zwei Männer mit Koffern. Herr Müller fragt seine Nachbarin: „Fährt dieser Bus auch weiter als Duisburg?“ Nein, nicht.
Heraus aus Essen-Mitte. Auf die A40. Holsterhausen, Frillendorf, Heimaterde, Heißen – geht doch. Zu früh gefreut: In der Abfahrt Mülheim-Zentrum steht der Stau versteckt, Von nun an wird es schwierig, nach Mülheim hineinzukommen über verschlungene Straßen in ein verplantes Zentrum. Auf dem Bildschirm im Bus steht gerade eine unpassende Werbung: „Hybridbusse. In der Bewegung liegt die Kraft.“
Nach Mülheim geht es nicht mehr auf die Autobahn zurück
Dabei liefen die letzten Wochen mit intakter A40 nicht schlecht. „Das funktioniert gut“, haben die Leute bei einer Umfrage dieser Zeitung gesagt. Oder: „Ungewollt, aber gut.“ Es gab in den knapp zwei Wochen „unter den gegebenen Umständen keine großen Negativmeldungen“, sagt Dino Niemann, Sprecher des Verkehrsverbundes (VRR). Am Montag schaut man auch dort gespannt auf die Verkehre: Wie läuft’s?
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Mülheim frisst gerade Zeit. In die Stadt hineinzukommen, ist schwer. Am Nordausgang des Hauptbahnhofs steigen dann mehr Menschen ein als aus. Herauszukommen aus der Stadt, ist leichter, aber nicht leicht. Die Busfahrerin steuert jetzt gar nicht mehr die A40 an. Warum sich sehenden Auges vor die Sperrung stellen, in den Stau von Styrum? Sie fährt unten herum, Stadtstraßen, am Duisburger Zoo vorbei. Überquert Autobahn und Gleise, unten fahren viele Autos, wir sind schon jenseits der Sperrung. Keine Züge.
Normalerweise braucht die Bahn zwölf Minuten, der Bus braucht heute 47
„Nächster Halt Duisburg-Hauptbahnhof“ ruft die Fahrerin leicht heiser in den langen Rückraum. Irgendwas ist mit der Sprechanlage. Ankunft ist um 8.12 Uhr, also 47 Minuten nach der Abfahrt. Für einen Montagmorgen mit erwartetem Verkehrschaos ist das gar nicht schlecht. Und im Auto wäre man kaum schneller gewesen. Allerdings braucht die Bahn normalerweise nur zwölf Minuten zwischen Essen und Duisburg. Herr Müller rollt seine Koffer zu einem Taxi. „Wenn jetzt jemand meinen Blutdruck misst, komme ich ins Krankenhaus.“
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Auf der elektronischen Anzeigetafel im Hauptbahnhof fallen acht von 24 Zügen aus; es sind jene, die von der Sperrung betroffen sind und die an diesem Montag eigentlich wieder hätten fahren sollen. Regelmäßig geht im Bahnhof diese Durchsage an: „Wegen eines Brückenschadens . . . Ersatzkonzept . . . bis auf Weiteres verlängert.“ Gute Fahrt, bis auf Weiteres.