Ruhrgebiet. Viel Platz, weniger Randale: Trotz der Hitze blieb das Freibadleben am Wochenende friedlich. Wegen Corona müssen Badegäste draußen bleiben.

Sie nennen es „Veranstaltung“, und die ist mit 27 Personen im Planschbecken „ausverkauft“. Es ist alles ausverkauft, was Freibad heißt in Dortmund an diesem Wochenende; auch das Mülheimer Naturbad: seit Tagen ausgebucht. Ohne Online-Ticket kein Einlass in Corona-Zeiten, die Abstands-Regeln machen, dass sich darüber alle freuen – jedenfalls die, die drin sind: „Es ist viel ruhiger hier.“ Und sogar noch Platz für Talays aufblasbaren Wal.

Handtuch an Handtuch, so liegen sie hier sonst, wenn die Sonne so scheint, wie Hoch Detlef sie scheinen ließ am Wochenende. Die Wiese hat dann keinen Platz, um braun zu werden, das Wasser ist vor lauter Köpfen kaum zu sehen. Und jetzt: „Mit Abstand seid ihr die besten Gäste“, steht in Mülheim auf den heißen Bodenplatten. 850 Menschen verlaufen sich auf dem Gelände, normal wären bis zu 5000.

Rigoroser Einlass-Stopp in Essen und Oberhausen

Genug Platz für die Wasserschlacht: die Schulfreunde Lennox (8) und Oskar (8) schwer bewaffnet im Naturfreibad Mülheim.
Genug Platz für die Wasserschlacht: die Schulfreunde Lennox (8) und Oskar (8) schwer bewaffnet im Naturfreibad Mülheim. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Hin und wieder müssen Enttäuschte abgewiesen werden aus den Wartebereichen 1, 2 und 3. Nicht vorab gebucht für „Familienstrand“ (260 Personen) oder „Schwimmen und Erfrischen“ (540)? Keine Eintrittskarte im Internet gekauft? Sorry, voll ist voll, auch wenn das in diesen Zeiten eben nicht voll ist. In Oberhausens Aquapark oder Essens Grugabad, wo es dann einen rigorosen Einlass-Stopp gibt, müssen Besucher unverrichteter Dinge umdrehen. „Es wird nicht für alle reichen“, ahnt in Dortmund Jörg Husemann als Geschäftsführer der „Sportwelt“. „Wenn wir zehn Prozent des Badebedarfs abgedeckt kriegen, ist das viel.“

In seinem Volkspark haben sie die Startblöcke gesperrt, den Beckenrand mit Flatterband umspannt. Am Nichtschwimmerbecken sitzen Bademeister in Signalrot mit dem Klicker in der Hand. 73, dann wird zugemacht, am Nachmittag stehen 17 in der Warteschlange. Sie haben ihnen einen riesigen Sonnenschirm aufgespannt, „auf die Idee waren wir vorher gar nicht gekommen“, sagt Husemann. Die meisten stehen geduldig auf den nackten Füßen, das Kind im Schwimmring an der Hand, aber es gibt auch die, „die nicht 20 Minuten warten können“.

Jeder Turmspringer muss das Geländer desinfizieren

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Und die, die schimpfen, weil Hunderte Andere daran gedacht haben, dass das Wetter gut werden soll, aber sie selbst nicht. Die rauchen, obwohl sie in Mülheim die gute Gelegenheit beim Schopf gegriffen haben, um Raucherbereiche einzuführen. Die mit Freunden durchs Becken toben, obwohl sie nicht zusammen gebucht haben – und also Abstand halten müssten. Die sich weigern, den Aufgang zum Sprungturm zu desinfizieren, wie das jeder machen muss (aber auf der Rutsche nicht, die gilt gesetzlich nicht als „Leiter“).

Es gibt die, die etwa im Grugabad ohne Masken die Umkleiden blockieren, oder die in Dortmunds „Froschloch“ so lange die Regeln boykottieren, bis die „Sportwelt“ Sicherheitsleute ans Kinderplanschbecken stellte. Und es gibt die, die die Telefone heißlaufen lassen im wahren Wortsinn. Bei Husemann klingelt der Apparat am Hosenbund ohne Unterlass, Betriebsleiter Dustin Radde in Mülheim hat neue Geräte angeschafft: 2000 bis 4000 Anrufe am Tag haben die alten buchstäblich durchschmoren lassen.

Harte Linie war anfangs „sehr anstrengend“

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Natürlich gibt es die alle, oder besser: Es gab sie. Denn nicht nur Dustin Radde hat gerade zu Anfang deutlich durchgegriffen, Besucher rausgeschmissen, Hausverbote erteilt. „Wir haben eine harte Linie gefahren, das war sehr anstrengend.“ Der Erfolg ist: kaum noch Stress und eine Atmosphäre, die ein ziemlich stolzer Radde „gern in die Zukunft transportieren“ würde. „Viel weniger Auseinandersetzungen“, sagt auch Husemann, „weniger Ärger als in der Vergangenheit.“

Der darf sonst gar nicht mit: Talay (5) hat in Dortmund sogar Platz für seinen aufblasbaren Orca gefunden.
Der darf sonst gar nicht mit: Talay (5) hat in Dortmund sogar Platz für seinen aufblasbaren Orca gefunden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ein Jahr, nachdem das Land über jugendliche Randalierer in seinen Freibädern debattierte, sind Leute, die Ärger machen, schlicht nicht (mehr) da. Allenfalls nachts sind sie an diesem Wochenende gekommen, im Freibad „Hardenberg“ in Dortmund über den Zaun gestiegen, haben Sachen ins Wasser geworfen und schäumende Flüssigkeit hinterhergegossen. Das muss deshalb am Sonntag abgelassen und das Becken gesperrt werden – macht noch weniger Platz für Badegäste.

Nie gleichzeitig im Wasser

„Das Wasser ist nämlich der entscheidende Faktor“, sagt Husemann, nicht die Wiese. Sieben Quadratmeter soll nach der Verordnung jeder Schwimmer für sich haben. So kommen sie in Dortmund auf ihre Besucherzahlen, ein Fünftel nur der normalen Zeiten, in Mülheim haben sie schon aufgestockt. „Die sind“, sagt Dustin Radde, „ja nie alle gleichzeitig im Wasser.“

Trotzdem wird es finanziell nicht reichen für die Betreiber im Jahr 2020. „Natürlich nicht“, sagt Radde. „ein Schwimmbad rechnet sich sowieso nie“, sagt Husemann. Da steht er hinter den Geranien und schaut auf sein großes Freibad, von dem man mehr Freibad sieht als Menschen. Traurig? „Was ist trauriger: eine Pandemie oder ein leeres Schwimmbad?“