Ruhrgebiet. Einige Heime drohen mit Quarantäne, sollte das Gelände verlassen werden. Dies ist unzulässig, will das Gesundheitsministerium nun klarstellen.

Pflegeheime sollen keine allgemeinen Ausgehbeschränkungen mehr aussprechen. Das Landesgesundheitsministerium will die Praxis vieler Heimleitungen beenden, Bewohner mit Quarantäneandrohungen von Ausgängen abzuhalten. „Ein zulässiges Verlassen der Einrichtung nach der Coronaschutzverordnung ist kein Anlass für eine Isolierung“, erklärte das Ministerium auf Anfrage. Eine neue Allgemeinverfügung soll dies kurzfristig klarstellen. Ausnahme sind stationäre Krankenhausaufenthalte, die weiterhin zu einer Quarantäne führen. Allerdings soll die neue Regelung festlegen, dass diese Isolierung durch Testungen soweit wie möglich zu verkürzen ist.

Die Konsequenz: Heime müssen Ausgänge akzeptieren – auch in Begleitung von Besuchern, anderen Bewohnern (oder Patienten) und Mitarbeitern. So wie es auch heute schon in der Coronaschutzverordnung vom 15. Juni steht. Voraussetzung ist, dass die Bewohner auf „die gebotene Kontaktvermeidung“ zu Dritten achten. Eine Klausel erlaubt aber doch Einschränkungen durch die Heimleitung in Ausnahmefällen, wenn „in dem Wohnangebot außergewöhnliche Infektionsrisiken bestehen oder eine besondere Vulnerabilität der anderen dort lebenden Menschen dies erfordert“.

Umfrage zeigt großen Frust bei Angehörigen

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Im „Normalfall“ allerdings sind Isolierungen hinfällig, wie sie derzeit vielerorts Praxis sind. In NRW werden rund 170.000 Menschen in mehr als 2.800 Pflegeeinrichtungen stationär versorgt. Der Pflegeschutzbund Biva hat die Situation Ende Mai abgefragt. Die Umfrage mit über 1100 Teilnehmern bundesweit und 314 in NRW ist keineswegs repräsentativ, aber sie zeichnet ein Bild davon, was vor allem Angehörige bewegt.

Ein Viertel klagt, dass die Besuchstermine für Berufstätige nur schwer wahrzunehmen sind und dass es kaum Privatsphäre gibt. Nicht selten beträgt die Besuchszeit weniger als 30 Minuten (17,5%). Nur 8 Prozent der Einrichtungen ermöglichen Besuche auf dem Zimmer und 6 Prozent außerhalb der Einrichtung. Etwa die Hälfte hat nun Plexiglasabtrennungen eingebaut. Dennoch bestehen 82 Prozent der Heime auf dem Mundschutz. Und 46 Prozent lassen Besuche nur unter Aufsicht zu.

Auch nach den Lockerungen dürfen fast 5% der Bewohner nicht ihr Zimmer verlassen, auf den Wohnbereich ist ein Fünftel beschränkt. Volle Bewegungsfreiheit gewähren nur 4 Prozent der Heime – wobei diese Zahlen nur den Ausschnitt der Umfrageteilnehmer spiegeln.

Sie fordern eindeutige Regeln

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So stellen 85 Prozent bei ihren Lieben im Heim ein Nachlassen der Lebensfreude fest. Aber auch der Allgemeinzustand (72%), die kognitiven Fähigkeiten (70%), Gewicht (57%) und Orientierungsvermögen (56%) nehmen ab, die Pflegebedürftigkeit legt stark zu (42%).

Was die Befragten erwarten: Besuche auf dem Zimmer (77%) vor allem; dass man wieder bei der Betreuung helfen kann (59%) und dass gemeinsame Ausgänge erlaubt werden (54%). Dafür, dass dies nicht aus rein egoistischer Perspektive gefordert wird, spricht: Mehr Menschen haben dafür votiert, dass Schutzkleidung für Besucher vorgeschrieben wird (31%) als dafür, dass Umarmungen erlaubt werden (27%). Die große Mehrheit wünscht sich eindeutige Regelungen für Ausgangsbeschränkungen und einheitliche Vorgaben für Besuchskonzepte. Diese sollten auch Bettlägerigen und Dementen Kontakte ermöglichen.