Gelsenkirchen. 107 Jahre alt wird Antonie Koslowsky am 9. Juni. Ihren Ehrentag feiern kann mit ihren beiden Söhnen nur getrennt durch eine Glaswand.

Noch vor dem ersten Weltkrieg kam Antonie Koslowsky in Gelsenkirchen an der Idastraße in Schalke zur Welt, als Antonie Hund. Heute feiert „Toni“, wie sie später von allen genannt wurde, die Vollendung von 107 Lebensjahren – ein wahrlich biblisches Alter. Die Kirche lag der gelernten Hauswirtschafterin tatsächlich immer am Herzen. In ihrer katholischen Kirchengemeinde war sie stets aktiv, nahm am Seniorenkreis teil, bis sie im Jahr 2016 aus der eigenen Wohnung ins St. Josef Seniorenhaus in Erle umzog. Ihre Selbstständigkeit gab sie damals trotz des hohen Lebensalters nur ungern auf, erinnert sich Sohn Dieter Koslowsky.

Bei Kriegsende im Sudetenland den Sohn zur Welt gebracht

Antonies Vater war bei Küppersbusch in leitender Funktion tätig, daher hatte die Familie es sich leisten können, an der Idastraße ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Dort lebte die verwitwete Mutter von zwei Söhnen bis zu ihrem Wechsel ins Seniorenheim. Ihren Ehemann hatte sie kurz vor dem Krieg geheiratet. Sohn Dieter kam in den letzten Kriegswochen im Sudentenland zur Welt, wohin sie als Schwangere evakuiert wurde. „Von dort konnte sie das brennende Dresden sehen. Wenn sie von der Zeit dort erzählt, ist sie kaum zu bremsen“, berichtet Sohn Dieter. Nach seiner Geburt und dem Kriegsende hatte die Mutter sich mit Kohle eingeschmiert und einen Buckel simuliert, wenn sie auf die Straße ging, um den zu der Zeit um sich greifenden Vergewaltigungen als Racheakte für begangenes Unrecht der Deutschen zu entgehen. „Aber meine Mutter hatte ein sehr gutes Verhältnis zu den Tschechen, deshalb durfte sie auch mit mir unbehelligt ausreisen“, erklärt Dieter.

Nach Umarmungen mit den Söhnen müsste sie in Quarantäne

Dass nur der Sohn in diesen Tagen von „Toni“ Koslowsky berichten kann, hängt wie so Vieles in diesen Tagen mit Corona zusammen. Die Jubilarin darf im Heim nur im Besucherraum hinter einer Glaswand besucht werden, die Besuchszeit ist deshalb zeitlich eingeschränkt. Kommuniziert wird über einen Lautsprecher. Das gilt auch für den Geburtstag, Sohn Dieter hat mehrfach nachgefragt, wollte die Mutter am liebsten mit nach Hause nehmen. Tatsächlich entspricht das den Regeln, die das Land vorgegeben hat, Augustinus-Sprecher Wolfgang Heinberg verweist auf die Notwendigkeit, alle Bewohner zu schützen. Wenn die Söhne die Mutter umarmen wollten und mit ihr daheim feiern, müsste diese anschließend für mindestens eine Woche in Quarantäne im Heim, dürfte ihr Zimmer nicht verlassen. „Das würde sie nicht überleben“, ist der Sohn sicher. Schon jetzt habe die wochenlange Isolation im Heim ohne Besuch ihr stark zugesetzt, wie er festgestellt habe. Als alte WAZ-Leserin wisse sie einen Geburtstagsgruß „ihrer Zeitung“ jedoch auch heute noch sehr zu schätzen. Ein Wunsch, den wir gern erfüllen: Die WAZ-Redaktion wünscht Ihnen, liebe Antonie Koslowsky, alles Gute – und bleiben Sie gesund!“