Essen. Direkt neben dem Essener Weihnachtsmarkt soll vor einem syrischen Lokal ein 21-Jähriger zugestochen haben. Jetzt steht er vor Gericht.
Der Streit um einen freien Platz in einem syrischen Lokal am Salzmarkt in der Essener City führt jetzt zu einem Prozess vor dem Essener Schwurgericht. Versuchter Totschlag ist angeklagt. Verantworten muss sich der seit 2015 in Deutschland lebende Syrer Ahmad H. aus Altenessen, der mit seinem Messer auf zwei Männer eingestochen haben soll.
Zum Prozessauftakt schweigt der 21-Jährige zunächst zu diesem Vorwurf. Seine Verteidigerin Christiane Theile begründet das damit, dass sie ein Handyvideo von der Tat noch nicht richtig gesehen habe. Sie sagt aber, dass ihr Mandant nicht schuldig sei: "Die Anklage ist sofort zu widerlegen. Er hat mit dem Messer niemanden gestochen."
Sechs Verhandlungstage sind angesetzt
So schnell ist das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Martin Hahnemann zu Beginn einer Beweisaufnahme verständlicherweise nicht mit einem Urteil. Insgesamt sechs Verhandlungstage hat es angesetzt, um die Vorwürfe zu klären.
Die Tat selbst ist vielen Menschen in Erinnerung. Denn direkt nebenan standen zur Tatzeit am 10. Dezember 2019 um 13.30 Uhr die Buden des Weihnachtsmarktes auf dem Essener Kennedyplatz. Die Besucher bekamen mit, wie immer mehr Polizisten zum Salzmarkt stürmten, weil es nach den Stichen vor dem Lokal zu einer Schlägerei mit geschätzt etwas mehr als 20 Beteiligten gekommen war. Dabei hatte sich auch der Angeklagte verletzt, weil ihn ein Gürtel mit Schnalle am Kopf getroffen hatte.
Streit um freien Platz im Restaurant
Als Ahmad H. kurz vorher mit seinem Vater und einem Freund das Lokal betreten hatte, war alles noch ruhig. Das Restaurant war gut besucht, kaum ein Platz frei. Da entdeckte die Gruppe einen Tisch, der gerade frei geworden war.
Der 45 Jahre alte Vater des Angeklagten setzte sich laut Anklage an diesen Tisch, die beiden jüngeren Männer gingen nach draußen zum Rauchen. In dieser Zeit kamen wohl andere Gäste, begleitet von Mitarbeitern des Lokals, an den Tisch und beanspruchten den Platz für sich. Doch der 45-Jährige wollte wohl nicht gehen.
Mit dem Messer zugestochen
Mittlerweile kamen die jungen Männer zurück. Der Angeklagte soll sich direkt eingemischt, gedroht und beleidigt haben. Schließlich soll ihn das Personal nach draußen gedrängt haben. Da soll er vor dem Lokal zum ersten Mal zugestochen und einen Mann im Bauch getroffen haben.
Zunächst soll er dann den Bereich vor dem Restaurant verlassen haben, kurz danach aber zurückgekehrt sein. Als er am Betreten des Lokals gehindert wurde, habe er auf einen weiteren Mann eingestochen, ihn im Brustbereich getroffen. Beide Verletzungen sind laut Anklage zwar nicht sehr tief, sie seien aber potenziell lebensgefährlich, weil der Täter die Wirkung der Stiche gar nicht kontrollieren könne.
Nach dem zweiten Stich ging die Rauferei richtig los. Gäste und Mitarbeiter des Restaurants hatten sich zum Teil mit Stühlen bewaffnet und setzten sich zur Wehr.
Geld für Fluchthelfer zurückgezahlt
Zum Lebenslauf äußert der Angeklagte sich. Die deutsche Sprache beherrscht er sehr gut, eine Ausbildung hat er nicht. "Ich musste jobben, Geld verdienen", sagt er. Denn seine Familie habe die Schulden an die Fluchthelfer zurückzahlen müssen. Für Drogen war wohl etwas Geld übrig, denn eine Blutprobe nach der Tat wies Marihuana nach. "Wenn ich richtig Stress hatte, habe ich einen Joint geraucht", erklärt er.
Opfer-Anwalt Bertil Jakobson versucht, dem Angeklagten goldene Brücken zu bauen. Denn besonders rachsüchtig scheint sein Mandant nicht zu sein. "Sie kommen ja beide aus Aleppo", erklärt er. Bei einer "ehrlichen Entschuldigung und Schmerzensgeld" hat der Verletzte offenbar nichts gegen eine milde Strafe einzuwenden. Aber schuldig sieht der Angeklagte sich ja nicht.