Münster. . Zwei Jahre nach der Amokfahrt in Münster mit vier Toten und 30 Schwerverletzten, ist das Verfahren eingestellt. Einige Fragen bleiben ungeklärt.
Nach mehr als zwei Jahren Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Münster das Verfahren zur Amokfahrt in Münster eingestellt: "Die Verfahrensakten sind geschlossen", teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Neue Erkenntnisse seien trotz intensiver Untersuchungen nicht zu Tage gefördert worden, erklärte ein Justizsprecher. "Im Prinzip hat sich erwiesen, was sich bereits in der ersten Woche nach der Amokfahrt abgezeichnet hatte", sagte der Sprecher.
"Wir haben alles daran gesetzt, die Hintergründe aufzuklären, auch im Sinne der vielen Hinterbliebenen der Opfer", versicherte Sprecher Martin Botzenhardt. "Einige Fragen werden weiterhin offen bleiben", sagte er.
Amokfahrt von Münster: Tatmotiv war alleine Suizid
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Was aus Sicht der Ermittler feststeht: Amokfahrer Jens R., ein aus Brilon stammender 48-jähriger Industrie-Designer, der am 7. April 2018 in der Innenstadt von Münster unvermittelt mit einem VW-Bus mit dreifacher Schrittgeschwindigkeit in zwei voll besetzte Restaurant-Terrassen fuhr und dabei vier Menschen tötete und 30 zum Teil schwer verletzte, handelte allein. Sein Motiv sei weder religiös, politisch oder sonstwie extremistisch motiviert gewesen, sondern alleine in seiner Suizidabsicht begründet. "Er hat auch keine Gehilfen oder Mitwisser im Vorfeld der Tat gegeben", teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Die Amokfahrt sei für andere "nicht vorhersehbar" gewesen und habe sich aus Sicht der Ermittler auch nicht abgezeichnet: "Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ermitteln lassen, dass der Beschuldigte im Vorfeld der Tat konkret angekündigt hat", dass er sich und andere Menschen töten wolle.
Amokfahrer schickte Abschiedsbrief an 40 Empfänger
Wenige Tage vor seiner Tat hatte Jens R. zwar ein 60-seitiges Schreiben aufgesetzt, das er Weggefährten und Verwandten zukommen ließ und das rückblickend als eine Art Abschiedsbrief gedeutet werden konnte, berichtet die Staatsanwaltschaft. Das Schreiben - Jens R's "Lebensgeschichte", wie die Staatsanwaltschaft schreibt - sei an mindestens 40 Empfänger gegangen. Aus diesem und aus anderen Schreiben oder Datenträgern hätten sich aber keine Anhaltspunkte ergeben, die auf die Amokfahrt oder den Suizid hingewiesen hätten. Das Fazit der Staatsanwaltschaft: "Es ist kein strafrechtlich relevantes Versäumnis anderer Personen oder Behörden zu erkennen."
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Die Ermittlungen bezogen sich von Anfang an nur auf Amokfahrer Jens R., "es gab keine anderen konkret Beschuldigten, gegen die wir ermittelt hätten", sagt Justizsprecher Martin Botzenhardt. Offen bleibt, ob R. an einer psychischen Erkrankung litt. Die Ermittler vermuten, dass er bei der Tat "psychisch labil" war und dies womöglich bereits seit mehreren Jahren. Als Grund dafür wird eine Wirbelsäulen-Operation vermutet, "die nach Ansicht des Beschuldigten missglückt gewesen sein soll", schreibt die Staatsanwaltschaft.
Materialen zum Bomben-Bau in der Wohnung gehortet
Insgesamt 21 Aktenordner haben die Ermittlungen zu den Begleitumständen der Amokfahrt gefüllt. Ein paar Fragezeichen bleiben. Etwa warum R. die Gaststätten am Denkmal Kiepenkerl in Münster für seine Tat ausgewählt hat. Was man aber weiß ist, dass er kurz vor seiner Amokfahrt am Tatort wohl so etwas wie eine Testfahrt gemacht hatte, wie Videobilder gezeigt hatten.
Mehrere Tote bei Amokfahrt in Münster
Woher R. die Waffe serbischer Produktion hatte, bleibt ebenfalls ungeklärt. Die Waffe selbst sei 'sauber', sie sei zuvor in Deutschland nicht im Zusammenhang mit einer Straftat aufgefallen. Offen bleibt ebenfalls, warum der Amokfahrer in seiner Münsteraner Wohnung Schusswaffen gehortet hatte - und Materialen, aus denen sich Bomben hätten bauen lassen. Entgegen den ersten Befürchtungen nach der Tat, sei in seiner Wohnung in Münster jedoch keine Sprengfalle installiert gewesen. Das Material zum mutmaßlichen Bombenbau hatte R. vermutlich etwa ein bis vier Jahre vor der Tat bei Ebay oder - legal - im Handel erworben.
Mitschuld der Stadt Münster? Justiz sieht keine Gründe
Auch gegen die Stadt Münster werde nicht weiter ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Gegen die Stadt nach der Amokfahrt Strafanzeige wegen "unterlassener Hilfeleistung" durch eine Privatperson gestellt worden. Grund: Fünf der 14 Absperrpfosten am Tatort seien am Tattag entfernt gewesen.
Die Ermittlungen aber hätten ergeben, dass die Pfosten, die Falschparker abhalten sollen, wegen Bauarbeiten entfernt waren und ohnehin nicht als 'Prellbock' oder "Antiterrorpoller" geeignet gewesen seien. Auch der Stadt Münster könne man deshalb kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorhalten. Das Fazit der Staatsanwaltschaft: "Im Übrigen war eine solche Tat bei der Entfernung der Pfosten auch für niemanden vorhersehbar." (dae)