Ruhrgebiet. Viele Händler klagen, dass die Kunden nicht einkaufen wollen. Sie haben Angst um Arbeitsplatz und Einkommen, sagt ihr Verband. Und: Das hält an.
Am Donnerstagabend hat Mensing seinen Rückzug aus Velbert im Internet angekündigt, am Wochenende zügig vollzogen: Das Modehaus aus Bottrop hat seine Filiale im schwierigen Einkaufszentrum „Stadtgalerie“ geschlossen. 1,8 Millionen Euro waren investiert, 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche bestückt, 20 Leute beschäftigt – für ein Jahr. Jetzt ist der Ankermieter untergegangen.
„Letztlich war es die Corona-Krise, die zum endgültigen Aus unseres Geschäfts geführt hat“, sagt die Mensing-Sprecherin Sabine Büns. Ein Extremfall, gewiss; doch auch gut zwei Wochen nach der Wiedereröffnung der meisten Geschäfte wollen die Kunden einfach nicht einkaufen.
Handelsverband NRW: „Beschleunigte Eintrübung der Verbraucherstimmung“
Der „Handelsverband Nordrhein-Westfalen“ spricht von einer „beschleunigten Eintrübung der Verbraucherstimmung“. Der Grund: Viele Menschen hielten ihr Geld zusammen, weil sie nicht wüssten, wie es im weiteren Verlauf der Coronakrise und danach weitergeht mit ihrem Einkommen und ihrem Arbeitsplatz. „Die Anschaffungsneigung geht zurück“, sagt der Handelsverband für die nächsten drei Monate voraus. Tatsächlich denken die Städte noch viel weiter: in Wetter darüber nach, ob es wohl verkaufsoffene Sonntage im Herbst geben kann. Und in Bochum diskutieren Parteien gerade darüber, den Weihnachtsmarkt (!) zu verlängern, damit die Händler verdienen.
Ach, die Eindrücke sind unterschiedlich: Am Samstag standen die längsten Schlangen jemals vor Supermärkten und Drogerien; allerdings lag der Andrang zwischen Feiertag und Sonntag. Dann das übliche Ikea-Getümmel, wo die Leute sich freilich nicht nur Möbel kaufen, sondern auch Beschäftigung.
Markthändler freuen sich: Es ist viel voller geworden
Der extreme Zug in Fahrradgeschäfte – ist im Frühjahr immer da, „und dieses Jahr hatten wir vier Wochen Zwangspause mittendrin“, so ein Fachverkäufer. Hier, bei „Balance“, kommen sie einzeln vor die Tür und bitten den nächsten, ebenso geduldigen wie maskierten Kunden herein. Die Schlange ist eine Anakonda: eine Riesenschlange. Auch vor Saturn und Mediamarkt, doch ist auch die Kopfzahl derer begrenzt, die hinein dürfen.
Noch ein Gewinner scheint der Wochenmarkt zu sein. „Sie sind viel voller geworden“, sagt die Feinkost-Verkäuferin Sarah Mattelé in Hattingen. Der Platz ist der Grund: „Es ist alles ein bisschen auseinandergezogen.“ Für Kartoffelhändler Ali Kaya liegt das auch auf der Hand: „Man hat einfach mehr Platz, steht nicht eng zusammengedrückt an der Supermarktkasse Schlange.“
Vielleicht die Hälfte der Leute ist unterwegs, verglichen mit normalen Zeiten
Ganz so ist es im Supermarkt ja auch nicht mehr, aber richtig ist: Gegessen wird irgendwie immer. Die anderen registrieren, dass die Kunden „sehr, sehr zurückhaltend sind“. Deko, Papierwaren, Mode. In Bottrop herrscht der vorsichtige Eindruck, dass es langsam wieder voller wird, doch das kann zusammenhängen mit der Teil-Wiedereröffnung von C&A. Hilfe, wir haben den Laden geschrumpft.
Wer am Wochenende durch die Düsseldorfer Innenstadt gegangen ist, die Einkaufsmeile von NRW schlechthin, hat eine erkennbare Leere in den Boutiquen gesehen. In Bochum ebenso, wo Andor Baltz schätzt, dass „vielleicht die Hälfte der Leute“ unterwegs sei, verglichen mit normalen Zeiten. Das riesige und beliebte Modehaus, das er besitzt, darf nur 800 von 14.000 Quadratmetern öffnen, gerade einmal sechs Prozent.
Schlange, Maske, Abstand: Ordnungsämter loben die Disziplin beim Einkauf
Und dennoch ist die Warteschlange an dem einzigen geöffneten Eingang überschaubar. Die Lust auf einen Einkaufsbummel sei „mit der Maskenpflicht nochmals zurückgegangen“, sagt Baltz und erwartet, dass sich das erst ändert, „wenn es einen Impfstoff oder ein Heilmittel gibt“.
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Dafür spricht die vorsichtige Disziplin der Menschen, was Schlangen, Abstand und Masken angeht. „Sie gucken immer ganz vorsichtig in den Laden, ob sie auch hinein dürfen“, sagt der Buchhändler Ralf Becker in Bottrop. 98 Prozent der Menschen, schätzen manche Ordnungsämter, hielten sich an die Regeln. Und viele sich weiter zurück. „Solange die Kontaktbeschränkungen gelten, wird das auch nicht besser“, sagt Lucia Böhmer, Besitzerin einer Boutique in Bochum: „Ich halte durch. Drücken Sie die Daumen für mich. Ich liebe mein Geschäft.“