Ruhrgebiet. Schilder statt Menschen und Solo-Demos: Die Klimaaktivisten wollen den #NetzstreikFürsKlima auf die Straße tragen - mit besonderen Protestformen.

Schülerprotest kann man es nicht mehr nennen: Das Coronavirus hat „Fridays For Future“ zwangsentkoppelt vom freitäglichem Unterrichtsboykott. Es ist nur Zufall, dass die Schule zum selben Zeitpunkt zaghaft wieder anläuft, da auch die Klimaschutzbewegung wieder stärker in die Öffentlichkeit tritt - mit einem #NetzstreikFürsKlima. Der fünfte globale Streik an diesem Freitag wird ohne Menschenmassen auf den Straßen auskommen und sich hauptsächlich auf YouTube, Instagram, Facebook und Twitter abspielen. Doch Fridays For Future will auch überraschen mit besonderen Protestformen in der realen Welt.

Wer sagt, dass man Menschen braucht, um einen Platz zu füllen? Warum nicht Protestschilder auslegen? In Essen haben die Aktivisten bereits am Dienstag und Mittwoch selbst gebastelte Demoschilder und Banner gesammelt. Ein Abgabepunkt war im Rüttenscheider Unverpacktladen, ein anderer für zwei Stunden auf dem Willy-Brandt-Platz, was aber nur Eingeweihte über die sozialen Netze mitbekommen haben dürften. Ein einzelner Helfer nahm hier die Schilder entgegen, mit Handschuhen und Maske natürlich. Die Plakate, vielleicht hundert an der Zahl, kommen allesamt am Donnerstag in Quarantäne, bevor etwa zehn Unterstützer sie am Freitag vor dem Rathaus ablegen wollen, zur symbolischen Uhrzeit fünf vor zwölf.

Levi Camatta (14) in einer Essener Ratssitzung.
Levi Camatta (14) in einer Essener Ratssitzung. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Angemeldet ist das als Demonstration. Aber sind die nicht gerade verboten? Jein, es gibt Ausnahmen, aber die Auflagen sind so streng, dass von 102 in NRW angemeldeten Demos bislang nur sieben genehmigt wurden. Der Antrag der Essener FFF-Gruppe wird wohl positiv beschieden, hört man von der Stadt. Neu sind auch die Genehmigungswege, denn zunächst muss die Stadt aus hygienischer Sicht beurteilen, ob die Aktion stattfinden kann, bevor die Polizei, die normalerweise für Demonstrationen zuständig ist, sie genehmigt. Oder eben nicht. Vor Ort, erklärt Polizeisprecher Peter Elke, müsse wieder der städtische Ordnungsdienst prüfen, ob der Seuchenschutz eingehalten wird.

Vorgaben der Wissenschaft gelten auch bei Corona

Die Helfer vor dem Essener Rathaus sollen Handschuhe und Maske tragen und den Sicherheitsabstand zueinander einhalten, erklärt Mit-Organisator Levi Camatta (14). Auch Infomaterial dürfen sie wohl nicht verteilen, aber das spielte auf FFF-Demos noch nie eine große Rolle. „Wir halten uns ja auch in Klimaschutzfragen strikt an die Wissenschaft“, erklärt Camatta. „Das gilt natürlich auch für Corona und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen.“ Das Ziel ist es auch, Bilder zu kreieren, damit es die virtuellen Passanten auf Instagram mitbekommen. „Es ist ein gute Chance, auf Social Media zu zeigen, dass man auch mit Corona viele Menschen hinter sich stehen hat“, erklärt Camatta. Ob es einen Live-Stream geben wird, sei noch unklar. In Berlin, Hamburg und Stuttgart zum Beispiel finden ähnliche Aktionen statt.

Auch sollen sich Unterstützer mit ihrem Demoschild fotografieren, man kann das Bild unter den Schlagworten #NetzstreikFürsKlima und #FightEveryCrisis einstellen oder auch über die zentrale Seite www.fridaysforfuture.de hochladen. Jeder Unterstützer wird dann mit Zähler auf einer Deutschlandkarte angezeigt. Der zentrale Live-Stream der bundesweiten Online-Demo beginnt um 12 Uhr auf YouTube mit Musikprogramm und Redebeiträgen von internationalen Klimaaktivistinnen und Scientists For Future. Kabarettist Eckhardt von Hirschhausen unterhält sich zum Beispiel mit Pflegepersonal über die aktuelle Lage in Krankenhäusern, Clueso stellt hier sogar erstmals seine neue Single „Tanzen“ vor. Doch letztlich hat sich jede Ortsgruppe ein eigenes Programm überlegt.

Jeder ein Mini-Demo

Jason Michalek, Kopf der Oberhausener „Fridays For Future“-Gruppe.
Jason Michalek, Kopf der Oberhausener „Fridays For Future“-Gruppe. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

In Gelsenkirchen machen einzelne Aktivisten oder Zweier-Teams Clean-Up-Aktionen, in Dortmund soll vor dem Rathaus eine ungewöhnliche Mahnwache stattfinden (8-20 Uhr), bei der sich jeweils nur ein Mensch eine Stunde inmitten von Plakaten positioniert. In Oberhausen soll gar jeder Unterstützer seine eigene Mini-Demo bilden. Die Oberhausener Gruppe um Jason Michalek hat zwei Live-Streams organisiert, bei denen Fragen beantwortet werden (11 Uhr auf Instagram) und Fotos der Demo und Redebeiträge laufen (16 Uhr auf YouTube), dazwischen sollen die Teilnehmer einmal mit ihrem Schild um ihren Block ziehen, sollen Fahnen aus dem Fenster hängen oder auch Botschaften mit Kreide auf die Straße malen. Und natürlich Fotos davon machen.

„Auch Slam-Texte können eingesendet werden oder Erinnerungen an vergangene Demos“, erklärt Michalek. Und warum nicht Ladeninhaber fragen, ob man nicht ein Schild für zwei Stunden bei ihnen platzieren darf? „Wenn es draußen steht, wäre das allerdings eine Sondernutzung im öffentlichen Raum“, erklärt der Essener Polizeisprecher Peter Elke.