Essen. Keine Anträge, keine neuen Verzögerungen. Offenbar beschleunigt das Coronavirus den Abschluss des “Ehrenmord“-Prozesses in Essen.

53 Sitzungstage hat das Essener Schwurgericht bereits im "Ehrenmord"-Prozess verhandelt, immer wieder kam es zu Verzögerungen. Doch ausgerechnet das Coronavirus sorgt jetzt für Schnelligkeit. Am heutigen Donnerstag um 13 Uhr, es ist der 54. Verhandlungstag, will Richter Jörg Schmitt das Urteil der Kammer verkünden. Bis zu elf Jahre Haft sind von Staatsanwältin Birgit Jürgens gegen die elf aus Syrien stammenden Angeklagten beantragt worden.

Vorgeworfen wird ihnen, am 31. Mai 2018 an der Steeler Straße in Essen einen 19 Jahre alten Landsmann halb tot geprügelt und mit einem Messer verletzt zu haben. Bei der Tat ist auch ein Teil seiner Kopfhaut skalpiert worden, ohne dass dies einem der Angeklagten zugeordnet werden kann. Er überlebte die Tat, sagte auch im Prozess aus, der Anfang 2019 gestartet war.

Drangvolle Enge im Saal

Zuletzt hatte das Coronavirus den Prozess gefährdet. Weil jeder Angeklagte zwei Verteidiger und einen Vertrauensdolmetscher hat sowie zahlreiche Justizwachtmeister die Inhaftierten bewachen, herrschte mit über 50 Menschen im Saal eine drangvolle Enge.

Das Gericht hatte in der vergangenen Woche mit einer Verfügung reagiert, um den Prozess nicht auszusetzen. Wahldolmetscher, die jeweils zweiten Verteidiger sowie viele der Wachtmeister hielten sich am Donnerstag in einem Nebenraum auf. Vier Beschuldigte, die nicht in U-Haft saßen, wurden außerhalb der Anklagebank im Saal platziert. Vor den inhaftierten Angeklagten und den Verteidigern, die jetzt mit größerem Abstand auf der Anklagebank saßen, hatte das Gericht Plexiglasscheiben aufstellen lassen, um eine Tröpfcheninfektion zu vermeiden. Viele trugen Mundschutz und Handschuhe.

Richter mit Masken vermummt

Gespenstisch die Szene, als das Gericht den Saal betrat. Alle Richter hatten sich Gesichtsmasken angezogen. Es ist ja eine Horrorversion, wenn man als Angeklagter nur vermummte Richter sieht, die das Urteil verkünden. Allerdings legten die drei Berufsrichter, zuerst der Vorsitzende Jörg Schmitt, die Masken schnell wieder ab.

Plädiert worden war ja schon an den vergangenen Sitzungstagen, der Großteil der Angeklagten hatte bereits sein "letztes Wort" gesprochen. Zwei blieben übrig. Einer von ihnen hatte aber umfangreiche Ausführungen und viele Beweisanträge angekündigt. Sein Verfahren trennte die Kammer ab, gegen ihn wird am nächsten Freitag verhandelt. "Angesichts des Coronavirus und weil die übrigen Angeklagten Anspruch auf ein schnellstmögliches Urteil haben", hatte sich die Kammer für diesen Schritt entschieden.

Keine neuen Anträge der Verteidiger

Ungewöhnlich für dieses Verfahren: Keiner der Verteidiger hatte dagegen etwas einzuwenden. Aus formalen Gründen mussten Plädoyers und letzte Worte wiederholt werden, aber auch das ging schnell. Die Juristen "nehmen Bezug" auf ihre bereits gehaltenen Plädoyers. Und die Angeklagten können nach einem Jahr U-Haft recht ordentlich Deutsch. Als Schmitt sie fragte, ob sie ihr letztes Wort erneut halten wollten, kam ein deutliches "Nehme Bezug" aus ihrem Mund.

Der Abschluss steht also kurz bevor. Aktuell berät das Gericht, es will aber um 13 Uhr die Entscheidung verkünden. "So ist das beabsichtigt", warnte Richter Schmitt aber vor einer neuen Verzögerung.