Ruhrgebiet. Am Dienstag können die Menschen noch alles einkaufen. Aber erste Geschäfte machen zu. Am Mittwoch wird das meiste geschlossen bleiben.
Vor dem Eckhaus an der Kortumstraße stapelt sich noch die Hoffnung, arbeitet der Neubeginn. Neue Möbel, noch verpackt, sind da gestapelt, und zwei Männer auf hohen Leitern nehmen alte Reklamen von der Fassade. „Neueröffnung 20. März“ klebt an den Fenstern und „Wir freuen uns auf euch“.
Vorfreude ist die schönste Freude. Sie muss noch lange anhalten. „Neueröffnung wird erstmal nichts“, sagt drinnen Peter Poneleit von „Nanunana“, die hier einziehen wollen. „Wir stellen heute noch die Möbel auf und morgen die Ware rein, und dann lassen wir das stehen.“ Bis die Welt sich dreht. „Eigentlich bin ich überrollt von der ganzen Sache.“
Am Limbecker Platz und im Centro haben einige schon am Dienstag zu
Am Dienstag kann man dn Ruhrgebietsstädten dabei zusehen, wie sie schließen. Vormittags sind die allermeisten Restaurants und Geschäfte noch geöffnet, aber das ändert sich im Lauf des Tages langsam, auch, weil weniger Kunden unterwegs sind. In den Einkaufszentren Limbecker Platz in Essen und Centro in Oberhausen haben einige wenige Läden schon am Dienstag nicht mehr geöffnet. „Das macht jeder Laden in eigener Verantwortung“, sagt Centro-Manager Marcus Remark.
Das Ruhrgebiet fährt seine Betriebstemperatur nach und nach herunter, und eigentlich versinnbildlicht das die Tür zu einem kleinen Einkaufszentrum in Bochum ganz gut. Am frühen Morgen gehen die Flügel der Tür noch ganz normal auseinander, wenn man sich nähert. Später hängt dort der Hinweis „Diese Tür ist geschlossen“, verbunden mit der Aufforderung, den andren Eingang zu nehmen – freilich öffnet sich unsere Tür noch immer, obwohl sie auf dem Papier geschlossen ist. Erst ein ganzes Stück später geht sie dann tatsächlich nicht mehr auf.
Städte müssen den Schließungsbeschluss erst noch selbst verfügen
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Warum sind die Geschäfte überhaupt noch geöffnet nach der Ankündigung von Montag, viele Branchen zu schließen? „Wo ich wohne, ist alles auf: Boutiquen auf, Schneider auf, Lottostelle auf, und in der Post sogar eine Warteschlange“, regt sich die Fußpflegerin Antonia Dia auf: „Sind alle verrückt geworden?“
Tatsächlich aber brauchen die Städte diesen Tag, um die Schließung umzusetzen: Sie müssen den Beschluss aus Berlin erst noch in eine „Allgemeinverfügung“ für ihr eigenes Stadtgebiet gießen, damit er gültig wird. Und diese Verfügung im Amtsblatt – sprich: im Internet – veröffentlichen. „Das gilt dann ab Mittwoch“, sagt ein Stadtsprecher.
„Gucken Sie doch auf die Straßen – alle unterwegs“
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Die Stimmung der Menschen, das zeigt eine Zufallsbefragung auf der Straße, ist für ein härteres Vorgehen. „Deutschland hat viel zu spät reagiert“, sagt Dia: „Gucken Sie doch auf die Straßen. Alle unterwegs.“ Felix Bontrup, ein Markthändler, findet „im Prinzip richtig, dass die Versorgung der Menschen durch Märkte und Supermärkte gesichert ist“. Bei der zunächst vorgesehen Regelung für Restaurants aber schüttelt er den Kopf, wonach sie bis 18 Uhr abends öffnen könnten: „Abends kann man sich anstecken, aber morgens nicht? Das ist doch Blödsinn!“ Und dann gibt es auch solche Stimmen, aber sie sind seltener: „Was der ganze Quatsch soll. Das ist doch nur Grippe.“
Der Alltag ändert sich rapide. Vor Verkaufstheken sind plötzlich Linien geklebt, wie nah der Kunde treten darf. Der Biobäcker akzeptiert nur noch Kartenzahlung. Restaurants stellen um auf reinen Lieferservice. Lieber Himmel, das Bochumer Kneipenviertel Bermuda-Dreieck bleibt erstmals in über 40 Jahren dunkel. Und die ersten Apokalyptiker stehen in den Fußgängerzonen und verteilen eigentlich wenig erbauliche Handzettel. Tenor: Das Ende ist nah, rettet euch! Sie wollen Coronaangst ummünzen in Gottesfurcht.
An immer mehr Türen hängen Ausdrucke: „Geschlossen“
Das Ruhrgebiet ist so mulmig wie seit Tschernobyl nicht mehr, als die Menschen auch Tage und Wochen danach nicht wussten, was passiert. „Derzeit keine Sprechstunden“, steht am Gesundheitsamt: „Der Zugang zur Diagnostikstelle ist offen.“ An der Kneipe: „Aus Verantwortung gegenüber euch und unseren Mitarbeitern haben wir bis auf Weiteres geschlossen.“ Am Einkaufszentrum: „Eingang geschlossen.“
Am Escape-Room, wo Kunden sich aus verschlossenen Räumen befreien müssen, geht der ausgehängte Gedanke schon weiter: „Wenn für euch feststeht, dass ihr einen unserer Räume meistern wollt, dann helft ihr uns, indem ihr einen Geschenkgutschein kauft. Er ist drei Jahre gültig.“ Solange wird’s nicht dauern. Hofft man.