Ruhrgebiet. NRW zerbricht sich den Kopf, ob wegen des Coronavirus Großveranstaltungen abgesagt werden müssen. Dabei schauen alle auf ein Amt bei den Städten.
Vor Wochen schon hat Li Mailin (Name geändert) aus Bochum ihrer Familie in China ein Paket mit Mundschutzmasken geschickt. Die fürsorgliche Sendung lag lange, sie flog lange, am Wochenende ist sie endlich angekommen bei Mailins Schwester. Doch das Coronavirus ist ja längst weiter. Sagt die Schwester: „Soll ich das Paket jetzt nicht besser nach Deutschland schicken?“
Man weiß es nicht so recht. Am Montag jedenfalls zerbricht sich das Ruhrgebiet, das Land NRW den Kopf darüber, wie es jetzt weitergeht. Wie man umgehen soll mit kommenden Großveranstaltungen, auf denen ein Erkrankter sehr viele andere Menschen anstecken könnte. Und es läuft darauf hinaus, zunächst abzuwarten. Was dabei hilft: Unter der Woche sind Veranstaltungen mit 1000 und mehr Besuchern selten.
„Die Entscheidung muss vom Gesundheitsamt kommen“
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„Solange das Gesundheitsamt nichts absagt, sagen wir auch nichts ab. Wir können das Risiko nicht fachlich einschätzen, die Behörden schon“, sagt eine Sprecherin des Veranstalters „Prime Entertainment“, der in den nächsten Wochen mehrere Konzerte in NRW ausrichtet. Und „die Entscheidung muss vom Gesundheitsamt kommen“, sagt auch eine Sprecherin des Dortmunder Veranstalters „Concertteam“.
In Dortmund gibt die Stadt am heutigen Dienstag dazu eine Pressekonferenz, in Mülheim tagt der Krisenstab, in Bochum berät sich das Gesundheitsamt – wie eigentlich alle in jeder Stadt. „Es ist ein bisschen leben von Tag zu Tag“, sagt der Geschäftsführer einer Veranstaltungs-GmbH, der schon seit Anfang letzter Woche Absagen bekommt: Betriebsfeiern, Tagungen, Produktpräsentationen.
Opernpremiere soll gehalten werden nach vier Jahren Vorlauf
Und es trifft das ganze Land: Während die Messe „Frauensache“ am Samstag in Kalkar, tief im Westen, bisher stattfinden soll, ist die beliebte Lasershow „Hermann leuchtet“ in Detmold, weit im Osten, verschoben. Hermann leuchtet jetzt im September. In Essen ist die für Dienstag vorgesehene Ehrung zweier neuer „Bürger des Ruhrgebiets“ auf Juni verschoben, in Mülheim wackelt die „Medl-Nacht“ am 21. März, eine Sportler-Ehrung mit spektakulärer Show und tausenden Gästen.
Freilich sind Großveranstaltungen Dickschiffe, und wenn sie untergehen, hat das Folgen. Am Opernhaus Dortmund zum Beispiel, 1170 Plätze, ist für Freitag die Premiere der Oper „Die Stumme“ vorgesehen. „Künstler planen bis zu vier Jahre im Voraus, Regisseur, Sängerinnen und Sänger“, sagt Pressesprecher Alexander Kalouti: „Die Disposition im Bereich Oper und Ballett hat zwei Jahre Vorlauf.“ Man kann also nicht einfach sagen: dann halt den Dienstag danach.
Noch keine Absagen in den ganz großen Hallen
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Die Stumme soll aber auf jeden Fall singen. Sollte die Stadt Dortmund Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern absagen, dann „werden wir das Angebot auf unter 1000 begrenzen“, sagt Kalouti. 35 Kilometer weiter westlich, in Essen, wird für den heutigen Dienstag die Entscheidung erwartet, was aus dem Konzert des „London Philharmonic Orchestra“ am Freitag wird, was aus der Premiere von „Don Carlo“ am Samstag. „Don Carlo“, soviel Kalauer muss jetzt auch mal sein, ist die Kurzfassung von „Don Carlos“.
In der Oberhausener König-Pilsener-Arena, im Düsseldorfer ISS-Dome und in der Lanxess-Arena in Köln gab es auch noch keine Absagen. „Wir warten natürlich darauf, was die Behörden machen. Stand jetzt, werden wir weiterhin alle unsere Verträge erfüllen“, sagt ein Sprecher des Kölner Managements. Auch die Dortmunder westfalenhallen sehen „gegenwärtig keinen Anlass, den Veranstaltungs- und Messebetrieb einzuschränken“.
Russische Pianistin müsste nach Konzert in Deutschland zwei Wochen in Quarantäne
Dagegen steht die Essener Oldtimer-Messe „Techno Classica“ nach einem Bericht aus der Fachpresse wohl kurz davor, abgesagt zu werden. Und die Messe Niederrhein hat die bevorstehende „Tattoo Convention“ und den folgenden Trödelmarkt mit Bedauern abgesagt. Auch ein Klavierkonzert am heutigen Dienstag in Essen mit der Pianistin Valentina Lisitsa entfällt: Sie müsste bei der Rückkehr in ihre russische Heimat zwei Wochen in Quarantäne, wenn sie in Deutschland war.
Werfen wir noch einen Blick in die fernere Zukunft, schauen wir mal vier Wochen weiter. Nach Plan sind dann die Freizeitparks „Kernie’s Familienpark“ in Kalkar sowie „Schloss Beck“ und der Filmpark in Bottrop geöffnet. Täglich, und da kommen nicht nur 1000 Leute. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagt Carla Kuchenbäcker von „Schloss Beck“ und beschreibt Desinfektionsmittelspender, die überall angebracht seien
Frau Kuchenbäcker, Sie sind lange im Geschäft, gab es das eigentlich schon mal? „Bei der Maul- und Klauenseuche“, erinnert sich die Chefin: „Damals hatten wir Matten, über die die Leute zur Desinfektion gehen mussten.“ Abgehalten hat das praktisch niemanden, sagt Clara Kuchenbäcker, aber etwas anderes habe sich schon geändert: „Ich denke, die Leute sind heute viel empfindlicher geworden.“