Essen. Echte Betroffenheit über den Hitzetod von Luis wird im Mordprozess gegen den Vater nicht deutlich. Das Gericht warnt auch die Mutter vor Lügen.

Es geht um den qualvollen Hitzetod, den der zwei Jahre alte Luis in der Nacht zum 27. Juli 2019 im Kinderzimmer einer Altenessener Dachgeschosswohnung erleiden musste. Aber bei der Vernehmung seiner Eltern durch das Essener Schwurgericht ist kaum etwas von Betroffenheit zu spüren. Der wegen Mordes angeklagte Vater Benjamin S. (32) schweigt, die 23 Jahre alte Mutter verstrickt sich dagegen in Widersprüche und wird von Richter Jörg Schmitt eindringlich vor einer Falschaussage gewarnt.

Aus Sicht der Anklage ist die Schuldfrage geklärt. Sie sieht allein Benjamin S. in der Verantwortung. Er habe damals für mehrere Tage allein auf die drei gemeinsamen Kinder aufpassen müssen, weil seine Lebensgefährtin ihren neuen Freund in Duisburg besucht habe. Um Ruhe zu haben, soll er schon vorher die Klinke an der Innenseite der Kinderzimmertür abmontiert haben, hinter der Luis schlief.

Luis starb aufgrund der Hitze an Kreislaufversagen

In der qualvollen Hitze bei Außentemperaturen von 30 Grad in der Nacht soll er den Jungen 18 Stunden lang sich selbst überlassen, ihm keine Getränke gebracht haben. Das war für den kleinen Körper nicht zu schaffen, aus dem Zimmer kam er nicht. Laut Obduktion starb er an einem durch die Hitze verursachten Kreislaufversagen, lag am nächsten Morgen tot vor seinem Kinderbettchen.

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"Grausamkeit" wirft die Anklage dem Vater als Mordmerkmal vor. Gegen die Mutter hatte die Staatsanwaltschaft auch ermittelt, das Verfahren aber wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt.

Verurteilung wegen Mordes nicht zwingend

Am Donnerstag liest Richter Jörg Schmitt den Prozessbeteiligten erst einmal vor, welche rechtlichen Hinweise das Gericht erteilt hat. Danach ist eine Mordverurteilung nicht zwingend. Möglich sei auch eine milder zu bestrafende Körperverletzung mit Todesfolge oder eine Verursachung des Todes durch Einsperren.

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Zuvor hat er den Zuhörern, offenbar der Freundeskreis der Mutter, die Regeln vor Gericht verdeutlichen müssen: "Käppi ab, Kaugummi aus dem Mund." Eine junge Frau, die ihren Nachwuchs im Kinderwagen mitgebracht hat, fordert er auf, den Saal zu verlassen: "Dass sie ihr Kind hier füttern, das geht nicht."

Vater schweigt zunächst – Verteidiger: Anklage ist "höchst spekulativ"

Unter den Zuhörern ist übrigens auch die Mutter des kleinen Liam aus Karnap, dessen Vater Ende Oktober 2019 dem Säugling Feuchttücher in den Mund gesteckt haben soll. Offenbar ist sie eine Freundin der Mutter von Luis.

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Der Angeklagte Benjamin S. will sich der Kammer nicht offenbaren. Er werde zunächst schweigen, erklärt sein Verteidiger Bernd Kachur dem Gericht. Er wirbt für den Mandanten und bittet um einen differenzierten Blick: "Hier sitzt jemand, der nicht nur angeklagt ist, sondern auch auf tragische Weise sein Kind verloren hat." Kachur hatte im Vorfeld von einem Unfallgeschehen gesprochen. Jetzt nennt er die Anklage "höchst spekulativ". Im Kern sei zu sagen, dass die Eltern von Luis "beide schwer überfordert" waren.

Hilfe vom Jugendamt nötig

Ein Eindruck, den die 23 Jahre alte Mutter nicht so drastisch bestätigen möchte. Ja, sie hätten Hilfe von Jugendamt benötigt, aber im Grunde hätten die drei Kinder es gut gehabt.

Im Mittelpunkt steht schnell die abmontierte Türklinke. Was wusste die Mutter davon? Eigentlich will sie dazu nichts sagen, doch Richter Schmitt besteht darauf. Das sei die Idee des Vaters gewesen, sagt sie. Sie habe davon nichts gehalten und jeden Abend die Klinke wieder angebracht. Als sie weg war, will sie auch mehrfach bei ihm angerufen und sich nach dem Zustand der Kinder erkundigt haben.

14 Stunden Schlaf der Kinder?

Kritische Fragen versucht sie abzuwehren. Zum Teil ist sie dabei dreist: "Was sind denn das für Fragen?", entgegnet sie dem Vorsitzenden. Dass die Kinder zwischen 17 und 18 Uhr zu Bett gingen und morgens um sieben Uhr sogar geweckt werden mussten, versteht der Familienvater aus seiner eigenen Erfahrung nicht. "14 Stunden Schlaf?" Doch die Zeugin bleibt dabei.

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Schließlich wird Schmitt lauter, droht mit der Vereidigung. Denn der Angeklagte hatte mal gesagt, die Idee mit der Klinke sei ihre Idee gewesen, weil Luis nachts herumlaufe und Messer aus der Küchenschublade nehmen könne. "Das ist gelogen", sagt sie. Und dann hält Schmitt ihr vor, dass sie es war, die im Kindergarten vom Problem mit den Messern gesprochen habe.

Mutter erzählt emotionslos vom Tod des Sohnes

Betroffen macht schließlich, wie emotionslos sie vom Tod ihres Sohnes erzählt. Am Samstagmorgen habe der Angeklagte ihr das telefonisch mitgeteilt. Ihre Reaktion: "Ich habe aufgelegt, weil er oft gelogen hat." Dann habe der Freund ihrer Mutter angerufen, und sie sei direkt nach Essen gefahren: "Da bin ich festgenommen worden."

Sie erzählt noch etwas von einem Horrorfilm in ihrem Kopf, aber Gefühle kommen nicht herüber. Keine Tränen. Am 12. März wird die Verhandlung fortgesetzt, fünf Tage sind geplant.