Duisburg. Henryk Broder soll gesagt haben, Lamya Kaddor habe „einen an der Klatsche“. Sie zeigte ihn an – heute wurde er in Duisburg freigesprochen.
Zehn Minuten, dann war der Prozess mit einem Freispruch vorbei: Publizist und Autor Henryk Broder (73) musste sich am Montag im Duisburger Amtsgericht wegen des Vorwurfs der Beleidigung verantworten. Er soll die Duisburger Religionswissenschaftlerin und Autorin Lamya Kaddor (42) 2016 in einem Interview mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ mit den Worten „die hat einen an der Klatsche“ beleidigt haben. 2000 Euro Strafe sollte er deshalb zahlen. Broder legte dagegen Einspruch ein und musste sich vor Gericht verantworten.
Broder sagt nichts zum Vorwurf
Zum Vorwurf selbst äußerte er sich auch gestern nicht. Der Journalist, mit dem er das Interview geführt haben soll, reiste aus Berlin an und machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Frage, ob die Bemerkung eine Beleidigung oder von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wurde daher nicht erörtert.
Broder „Das war eine Sternstunde der Justiz“
„Das war eine Sternstunde der Justiz“, lästerte Broder anschließend vor dem Saal und grinste: „Ich bin nur enttäuscht, dass es so schnell ging.“ Broders Anwalt Joachim Steinhöfel, der breitbeinige Auftritte schätzt, hatte noch im Gerichtssaal gepoltert: „Das ist ein Trauerspiel, der MSV Duisburg ist drittklassig, ich wünschte, das könnte ich von der Duisburger Justiz sagen.“ Man wisse aus jedem „Tatort“, dass man sauber ermitteln müsse, das sei hier nicht geschehen. Den Strafbefehl gegen Broder hätte es nie geben dürfen, weil es doch keinen Beweis gebe, dass er den Satz gesagt habe, nur weil er in der Zeitung gestanden habe. „Ich würd’ mich in Grund und Boden schämen, das hier ist eine Verschwendung von Steuergeldern.“
Richterin erklärt Steinhöfel die juristischen Spielregeln
Richterin Rita Bohle blieb kühl und sachlich, erklärte Steinhöfel die juristischen Spielregeln. „Es gab eine Anzeige, darauf gab es Ermittlungen, der Angeklagte hatte Gelegenheit sich zu äußern, und hat das nicht getan – nach Lage der Akten muss man dann davon ausgehen, dass es so geschehen ist.“ Die Staatsanwältin bekannte, dass sie es „persönlich für unwahrscheinlich hält, dass der Satz nicht gefallen ist.“ Objektiv fehle aber der Nachweis.
Lamya Kaddor: Broder trägt nichts zur Klärung bei
Lamya Kaddor, die als Zeugin nicht mehr aufgerufen werden musste, sagte der WAZ, dass sie das Urteil natürlich akzeptiere. „Aber dass Herr Broder nicht die Chuzpe hat, etwas zu sagen und zur Klärung beizutragen, passt gar nicht zu ihm.“ Kaddor erklärte zu ihren Motiven, ihr gehe es nicht um Broder, sie wolle „keine Rache“ nehmen. „Aber mir geht es um die konkrete herabsetzende Handlung, darum, dass jemand, der öffentlich beleidigt, dafür auch mal geradestehen muss.“
Sie habe Hassmails und Morddrohungen aus der rechten Szene bekommen, ihren Schuldienst nach 13 Jahren beendet. „Fans von Broder sind mit schuld an solchen Entwicklungen.“ Auf ihre Bemerkung, dass Leute wie Broder sie zum Abschuss freigegeben hätten, soll der Publizist damals eben den beklagten Satz gesagt haben.
Erster Gerichtstermin schnell beendet
Der erste Gerichtstermin im Mai 2019 war schnell beendet: Die Staatsanwältin konnte die Frage nach einem Beweis dafür, dass Broder die in einem Zeitungsinterview zitierte Äußerung tatsächlich getan habe, nicht beantworten. Die Richterin setzte das Verfahren aus. Ein Folgetermin im September platzte, weil eine Zeugin erkrankt war.
Broders Anwalt Joachim Steinhöfel tönt bei Facebook
Broders Anwalt Joachim Steinhöfel tönte schon im Februar bei Facebook: „Ich freue mich schon auf die Niederlage von Lamya Kaddor, die nach Meinung von Henryk Broder einen an der Klatsche hat und das tatsächlich für strafbar hält.“ Steinhöfel hatte damals die erstinstanzliche Niederlage der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (41) vor dem Amtsgericht Berlin zum Anlass für seinen Post genommen. Chebli war von einem 46-Jährigen unter anderem als „islamische Sprechpuppe“ beleidigt worden.