Duisburg. . Hat der Publizist Henryk M. Broder die Duisburger Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor beleidigt? Die Frage sollte heute das Gericht klären.
Henryk M. Broder (72) liebt die Provokation und wird besonders in der rechten Szene dafür gefeiert. Kritiker bescheinigen ihm „beifallsüchtigen Populismus“. Heute stand der Publizist in Duisburg vor Gericht - wegen einer angeblichen Beleidigung. Weil er über die in Duisburg lebende Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (41) auf Anfrage der rechtskonservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ gesagt haben soll, dass sie „einen an der Klatsche“ habe.
Mitschuld an Hass auf Islamwissenschaftlerin?
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Kaddor hatte Broder zuvor in einem Interview des
„Kölner Stadt-Anzeiger“ für eine Flut von Hassmails, Bedrohungen und Beschimpfungen gegen sich verantwortlich gemacht. „Vermeintlich konservative Intellektuelle, die sich entweder dem rechten Rand anbiedern wollen oder selbst völkisches Gedankengut pflegen, tragen eine Mitschuld am Hass auf mich und viele andere!“, klagte die Islamwissenschaftlerin Kaddor.
Die Staatsanwaltschaft wertet Broders Aussage als Beleidigung. Der Angeklagte habe beabsichtigt, seine Missachtung gegenüber der Geschädigten kundzutun und sie in ihrer Ehre zu verletzen, berichtete das Amtsgericht. Am 20. Februar 2018 erließ es einen Strafbefehl über 20 Tagessätze à 100 Euro gegen Broder. Dagegen legte er Einspruch ein, daher kam es heute Mittag zur Hauptverhandlung.
Anhänger sollten nach Duisburg kommen
„High Noon in Duisburg“ schrieb Broder auf dem Internet-Blog „achgut.com“, weil der Prozess um 12 Uhr begann. Er rief dazu auf, möglichst zahlreich in Duisburg zum Prozess zu erscheinen. Darunter hatte er diverse Internetlinks angegeben, die sich kritisch mit Lamya Kaddor befassen. (Weiterlesen: Broder-Foto mit Weidel sorgt für Hohn und Kritik im Netz)
Der Aufruf verfehlte seine Wirkung nicht: Der Andrang war so groß, dass die Sitzung in den großen Schwurgerichtssaal verlegt wurde. Applaus der 100 Besucher brandete auf, als Broder mit seinem Anwalt Joachim Steinhöfel eintraf. „Das ist mir ja geradezu peinlich“, sagte Broder und grinste. In der Verhandlung schwieg er und überließ seinem Verteidiger das Wort.
Anwalt Joachim Steinöfel schätzt öffentlichen Auftritt
Steinhöfel, dessen eigene Internetseite im rechten Spektrum mit großem Wohlwollen betrachtet wird, schätzt den öffentlichkeitswirksamen Auftritt
und griff gleich Oberstaatsanwältin Devren Ermis an. „Ich gebe Ihnen hier die Gelegenheit zur Entschuldigung“, begann er. Nachdem die Angesprochene ihm erklärt hatte, dass er sich zur Sache äußern solle, fragte er, woher sie denn überhaupt wisse, dass sein Mandant den zitierten Satz gesagt habe. Und wenn er ihn gesagt hätte, fiele das ohnehin unter die Meinungsfreiheit. Die Verhandlung sei „ein trauriger Tiefpunkt der Justiz in NRW“, dröhnte Steinhöfel, die Justiz mache sich zum „Handlanger einer Frau, die zur Selbstdarstellung neigt“.
Richterin Rita Bohle brach die Verhandlung ab: Man werde den Journalisten, der Broder zitiert habe, befragen müssen. Dann werde es einen zweiten Termin geben. Ein Buh-Ruf ertönte im Saal, so schnell schon alles vorbei? „Wir haben den Journalisten bisher nicht befragt, weil die Tat ja heute überhaupt erst bestritten worden ist“, erklärte Staatsanwältin Devren Ermis auf WAZ-Nachfrage.
Broder lästert über Lamya Kaddor
Broder wollte auch nach der Verhandlung nicht sagen, ob das Zitat nun richtig oder falsch war. Auf die Frage, warum er denn bei „Junge Freiheit“ keine Gegendarstellung erwirkt habe, sofern er falsch zitiert worden sei, sagte er der WAZ: „Ich mach’ ganz selten Gegendarstellungen.“
Vor der Saaltür genoss er erneut den Beifall der Besucher und fragte „Wie
hat’s Ihnen denn gefallen?“ Es sei alles so kurz gewesen, er habe sich wie in der Mini-Playback-Show gefühlt. „Ich hab’ mich so gefreut, Frau Kaddor zu sehen“, lästerte er und fügte an, dass jemand, der wie sie 107 Anzeigen stelle, „den Anfangsverdacht einer paranoiden Lebenshaltung erfüllt.“
Kaddor selbst hatte abgeschirmt im Zeugenraum gewartet. Sie wurde nicht aufgerufen.
Kaddor: Broder macht eine Showveranstaltung draus
Kaddor wartet abgeschirmt im Zeugenraum. Sie wird nicht aufgerufen und verlässt das Gerichtsgebäude durch einen separaten Ausgang. „Broder
und sein Anwalt haben im Vorfeld das Verfahren zu einer Posse erklärt“, sagt sie später im WAZ-Gespräch, „und das haben sie mit ihrer Inszenierung ja wohl auch umgesetzt.“
Es sei „pures Kalkül, die Leute ins Gericht zu locken, um dann so eine Showveranstaltung draus zu machen, bei der man versucht, die Staatsanwältin lächerlich zu machen.“ Es gehe ihr auch nicht um Broder, „aber mir geht es um die konkrete herabsetzende Handlung, darum, dass jemand, der öffentlich beleidigt, dafür auch mal geradestehen muss.“
„Man hat mir gesagt: Sie gehören vergast“
Dass Broder nun nicht zugebe, dass er das gesagt habe, wofür er vor Gericht stehe, findet sie, sei „ein Armutszeugnis. Dass er so etwas gesagt hat, passte ja in den Kontext seines Wirkens. Er hat mich zuvor bereits genuin dumm genannt.“
Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, §das ich auch oft in Anspruch nehme.“ Kritik an der Sache sei auch richtig, „aber muss man ausfallend gegen die Person werden und immer noch eins draufsetzen?“ Sie könnte über all das lachen, „wenn nicht ich und meine Familie mit zwei kleinen Kindern schon bedroht worden wären. Man hat mir gesagt: Sie gehören vergast.“