Ruhrgebiet. Orkan „Sabine“ stürmte über NRW. Die große Katastrophe blieb bisher aus, dennoch gibt es viele Probleme.
Um 5 Uhr früh, als die Bahnhofsbuchhandlung endlich aufmacht, haben Kira und Britta sich erst mal Mandalas gekauft, seitdem malen sie, malen sozusagen Zeit tot: Die beiden Frauen aus der Aachener Gegend, gestrandet nach einem Konzertbesuch in Bochum, sitzen in einer geschützten Ecke des Hauptbahnhofs Bochum auf dem Boden, ihr Mitreisender Eduard hat den Rucksack zum Kopfkissen gemacht und schläft. „Da steht man dann da!“, sagt Britta. Sie wissen: Sie werden erst mittags wieder in Aachen sein.
Gestrandete Passagiere verbringen die Nacht im „Aufenthaltszug“
Viele stranden nicht an diesem Montagmorgen an den Bahnhöfen, sie sind gar nicht erst gekommen oder haben ihre Wege umorganisiert. Andere mussten die Nacht im Aufenthaltszug verbringen, wie Pascal Beinke am Hauptbahnhof Dortmund, der am Abend nicht mehr weg kam nach München. Die Nacht sei aber „voll in Ordnung gewesen“. Etwa 10 oder 15 Menschen mehr sind im Zug, haben die Armlehnen hochgeklappt und sich hingelegt.
In der Nacht auf Montag ist der Sturm Sabine übers Ruhrgebiet hinweggezogen, über ganz NRW. Er hat: Bauzäune, Fahrräder, Roller, Mülltonnen und Pflanzkübel umgeworfen, Mobiltoiletten aufgewirbelt, gelbe Säcke verwirbelt, Dachziegel verweht, einige Äste und viel Gezweig abgerissen, doch nur wenige Bäume. Viel Wind um wenig, diese erste Welle des Sturms; eine zweite sollte in der Nacht auf Dienstag folgen.
Feuerwehr im Ruhrgebiet hat mehr als 500 Einsätze
Mehrere Menschen werden durch herabstürzende Gegenstände leicht verletzt, ein 16-Jähriger in Paderborn schwer. In Duisburg verletzt sich ein Feuerwehrmann im Einsatz leicht am Auge, kann aber nach ambulanter Behandlung im Krankenhaus wieder gehen. Um Menschen zu befreien, die im Aufzug eines Hochhauses eingeschlossen waren, begeben sich Feuerwehrleute in Mönchengladbach in Lebensgefahr: Sie müssen über das Dach in den Maschinenraum und sich dabei festbinden, um nicht vom Dach geweht zu werden. Die Feuerwehren im Ruhrgebiet kommen alles in allem auf mehr als 500 Einsätze.
Mehr als 7000 Einsätze sollen es landesweit bis Montagmittag um 12 Uhr gewesen sein, heißt es am Nachmittag in der Bilanz des Innenministeriums. Insgesamt wurden 13 Menschen durch den Sturm verletzt.
In vielen Städten bleiben die Schulen geschlossen, so in Essen, Dortmund, Gelsenkirchen oder Mülheim. Andernorts ist es den Eltern überlassen, ob sie ihre Kinder am windumtosten und verregneten Montagmorgen auf den Schulweg schicken – und viele entscheiden sich dagegen. Zahlreiche Kitas arbeiten nur mit Notbesetzung, und Whats-App-Gruppen der Eltern laufen heiß: „N. bleibt heute doch zuhause, da es gerade hagelt. Könnte jemand Bescheid geben?“
Bäume können unter Spannung stehen - Wälder vorerst nicht betreten
Auch interessant
Und nach dem Sturm ist ja vor dem ersten Waldspaziergang. Deshalb warnt der Sprecher des „Landesbetriebes Wald und Holz“, Michael Blaschke, Spaziergänger und Freizeitsportler, vor dem Betreten der Wälder: „Angebrochene Äste können jederzeit herabfallen, umgestürzte Bäume können auf Spannung stehen.“
Welchen Schaden die Orkanböen landesweit in den Wäldern angerichtet haben, ist am Montag noch nicht abschätzbar. „Die Forstleute müssen sich erst ein Bild von der Lage machen“, sagte Blaschke. Aber auch sie müssten sehr umsichtig vorgehen und gucken, an welchen Stellen sie den Wald überhaupt betreten können.
Erste Sturmnacht verlief an Flughäfen „ruhiger als erwartet“
Die Flughäfen Köln und Düsseldorf melden am Montag übereinstimmend: „Die Nacht war ruhiger als erwartet.“ Dennoch gibt es Probleme. In Köln fallen 23 Starts und 22 Landungen aus, in Düsseldorf streichen die Airlines am Montag 108 Flüge. Und in Dortmund müssen zwei Flieger am Boden bleiben.
Am Vormittag berappelt sich der Bahnverkehr wieder, die Ansage auf den Anzeigetafeln in den Bahnhöfen ändert sich. Statt „Aufgrund des Sturmtiefs Sabine wurde der Zugverkehr eingestellt“ vom frühen Morgen steht dort später nur noch: „Bahnverkehr ist bundesweit eingeschränkt“. 50 Reparatur- und Aufräumtrupps der Deutschen Bahn sind unterwegs und räumen Strecken.
Austauschschüler müssen Ausflug in Dortmund beenden
Für eine Gruppe französischer Austauschschüler kommen sie zu spät. Das „schöne Ruhrgebiet“ wollten sie sich nach Aussage ihrer deutschen Lehrerin ansehen, in Dortmund sind sie gestrandet. Doch die Trauer bei 15- und 16-Jährigen hält sich in Grenzen, seit sie von der Thier-Galerie in der Nähe gehört haben. „Ist bestimmt besser als jedes Museum“, sagt einer der Teenager.
An einer Pommesbude im Bochumer Hauptbahnhof liest sich am Vormittag der Sturm wie ein Filmtitel: „Heute geschlossen wegen Sabine der Sturm.“ Und Britta, Kira und Eduard sind auch weg.