Ruhrgebiet. Wenig Regen, hohe Temperaturen: Auch im Einzugsgebiet der Ruhr ändert sich das Wetter. Das Wasser der Stauseen hat im Sommer die Ruhr gerettet.
Ohne das Wasser der Talsperren hätte die Ruhr im Sommer 2019 an vielen Tagen kein Wasser geführt. Der Wasserversorger „Ruhrverband“ spricht von „60 Prozent aller Tage zwischen Ende Juni und Ende September 2019“ und bezieht sich auf den Pegel Villigst bei Schwerte im Ruhrgebiet. Flussabwärts hätte sie als dünnes Rinnsal wieder Wasser geführt, weil erst dann die Lenne zufließt.
Doch um den Mindestwasserstand in Duisburg an der Ruhr-Mündung in den Rhein zu halten, musste der Ruhrverband mehr als doppelt soviel Wasser einspeisen wie im langjährigen Durchschnitt. Das Ruhreinzugsgebiet habe „das elfte zu trockene Abflussjahr in Folge erlebt“.
„Trockene Winter, das ist die Sorge, die man hat“
Am 27. März 2019 haben die Talsperren der Ruhr noch Oberwasser: gefüllt zu 93 Prozent. Doch von nun an geht’s bergab: Weil auch der Sommer 2019 so trocken ist, ist die Ruhr dringend angewiesen auf Zuflüsse aus den Stauseen.
Das ist zunächst nicht schlimm. „Die Sommer können ruhig heiß und trocken sein. Wenn die Talsperren ihren entsprechenden Füllstand haben, ist das egal“, sagt Gregor zur Strassen, der Mann, der beim Ruhrverband die Talsperren steuert. Er sagt aber auch: „Trockene Winter, das ist die Sorge, die man hat.“ Weil dann nicht genug Wasser nachkommt.
Abflussjahre zählen anders als Kalenderjahre
Nun lässt sich über den Winter 2019/20 naturgemäß noch nichts Seriöses sagen, aber das „Abflussjahr 2019“, das hat der Verband bereits ausgewertet. Temperaturen, Wasserstände, Zuflüsse. Denn ein „Abflussjahr“, muss man wissen, geht immer vom 1. November bis zum 31. Oktober.
Der Grund: Schnee und Eis können bereits im Spätherbst auftreten, eventuell aber erst im nächsten Kalenderjahr als Schmelzwasser wirken. Wasserwirtschaftler ziehen das Abflussjahr also vor, damit sie beide Wettererscheinungen in ein- und derselben Bilanz unterbringen können.
„2019 war der trockenste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen 1927“
Doch zu den Zahlen: Mit 981 Litern Wasser auf den Quadratmeter sei sieben Prozent weniger Regen gefallen als im langjährigen Mittel, so der Ruhrverband. Besonders auffällig waren die Monate Juni bis August: Mit gerade einmal halb so wenig Regen wie üblich „war 2019 der trockenste Sommer seit Aufzeichnungsbeginn 1927“, heißt es. Man habe aber „jederzeit genug Wasser für die überregionale Trinkwasserversorgung und die Erhaltung der Mindestabflüsse an der Ruhr abgeben können“.
Dabei waren die Zahlen zunächst schlecht. Anfang November 2018 waren die Talsperren „aufgrund der extremen Trockenheit seit Februar 2018“ nur zu 48 Prozent gefüllt (Mittelwert: 81 Prozent) und erreichte ihren Tiefpunkt Anfang Dezember mit 42 Prozent. Und dann ein trockener Winter? Doch stattdessen kam, dem Himmel sei’s gedankt, einer der nassesten Winter seit 1929 und jener beruhigende Füllstand von 93 Prozent.
Der Juni war 3,8 Grad wärmer als der langjährige Mittelwert
Das Abflussjahr war auch nicht nur trockener als üblich, es war auch wärmer: Und zwar um 1,2 Grad über dem Vergleichswert der Jahre 1981 bis 2010. Die tagsüber und nachts gemessene und gemittelte Durchschnittstemperatur lag bei 9,8 Grad statt bei 8,6 Grad. 9,8 Grad entspricht dem Wert von 2014, 2016 und 2018, nur 2007 war noch wärmer. „Das bedeutet: Die fünf wärmsten Abflussjahre seit Beginn der Aufzeichnungen 1881“ habe es in den letzten 13 Jahren gegeben. Auch hier war der Juni auffällig: erreichte eine Durchschnittstemperatur von 18,6 Grad und damit 3,8 Grad mehr als den Mittelwert.
Die acht Talsperren, die das Ruhrgebiet versorgen, fassen zusammen mehr als 472 Milliarden Liter Wasser. Ihr Füllstand liegt am 14. November 2019, am Donnerstagmorgen bei 66,7 Prozent – weniger als im Mittel, aber deutlich mehr als im letzten Jahr. Neue Talsperren sind im Einzugsbereich der Ruhr zunächst nicht geplant, die Versorgungssicherheit sei ausreichend, hieß es zuletzt.
Siegen-Wittgenstein denkt an weitere Talsperren nach wegen der Trinkwasserversorgung
Anders im Kreis Siegen-Wittgenstein, wo mögliche neue Standorte für Stauseen untersucht werden sollen. Der Kreistag soll Mitte Dezember abstimmen, ob eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird. „Sollten wir mehrere Hitzesommer mit extremer Regenarmut hintereinander bekommen, wäre unsere Trinkwasserversorgung akut gefährdet“, sagt Landrat Andreas Müller: Man müsse „heute die Weichen dafür stellen, dass auch unsere Kinder und Enkel noch über ausreichend Trinkwasser verfügen“.