Düsseldorf. Als Kunstberater betrog er Aldi-Milliardär Berthold Albrecht um Millionen, ging ins Gefängnis. Jetzt will Helge Achenbach ein Comeback versuchen.
Die Nacht war kurz, es ist fünf nach sieben, Helge Achenbach gießt den Milchschaum auf seinen Espresso. „Seit ich im Knast war, schlafe ich nicht mehr durch“, erzählt er, setzt sich an den langen Holztisch in der Küche eines ehemaligen Bauernhofs und fährt sich durchs schlohweiße Haar. Die Zeit ist eh knapp, im Terminkalender drängen sich Interviews und Vorträge, zwei Abende zuvor saß er noch in Hamburg bei Markus Lanz im Sessel, gestern plauderte er im Deutschlandradio. Achenbach tingelt durch die Republik, um seine Geschichte zu erzählen, die er nun in einem Buch mit dem Titel „Selbstzerstörung“ (Riva, 19.99 Euro) verewigt hat.
Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt
Achenbach ist der Kunstberater, der den mittlerweile verstorbenen Aldi-Milliardär Berthold Albrecht mit verdeckten Preisaufschlägen bei Kunst und Oldtimern betrog, 2015 zu sechs Jahren Haft und 18,7 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt wurde, 2018 vorzeitig freikam. Acht Kinder von vier Frauen, die letzte Ehe überlebte den Skandal nicht, er chauffiert nicht mehr als Multimillionär den Bentley von Joseph Beuys, sondern als Angestellter den Lieferwagen eines Freundes. Er wohnt bei Enthüllungsjournalist Günther Wallraff in Köln unterm Dach und arbeitet für den Verein „Kultur ohne Grenzen“ auf dem Bauernhof in den Kaarster Feldern bei Düsseldorf mit verfolgten Künstlern. Bruttogehalt: 2000 Euro.
Es gibt uninteressantere Geschichten zu erzählen.
„Ich kriege immer mehr Anfragen von Unternehmen“, erzählt Helge Achenbach, „ich erreiche die Leute, und wenn ich Vorträge über mein Leben und mein Scheitern halte, hab’ ich den Raum in zwei Minuten gepackt. Einer hat sogar geheult.“ Achenbach, der Menschenfänger. Eloquent und charmant. Intelligent und doch kumpelhaft, mit patriarchalischem Gestus, eher rheinisch als westfälisch, obwohl er in der Nähe von Siegen geboren wurde. Sein gewinnender Auftritt ist die Basis seines Geschäftserfolges, den er kühl bilanziert: „Ich hab in 40 Jahren Kunst vermittelt für 750 Millionen Euro, die heute drei Milliarden wert ist.“
Achenbach vermittelt Kunst von Picasso, Richter, Warhol
In seinen besten Jahren versorgt der heute 67-Jährige die Reichen und noch Reicheren von Düsseldorf aus mit Picasso, Richter, Warhol und anderen aus dem Kunst-Olymp, er lockt seriöse Sammler wie „Mick“ Flick oder Frieder Burda an, aber auch reine Trophäenjäger. Auf seiner Freundesliste stehen Namen wie Gursky, Immendorff oder Tony Cragg. Gerhard Richter nennt ihn einen „Filou“, profitiert aber auch von Achenbachs Vermittlungseifer. Bei einem Intermezzo als Präsident von Fortuna Düsseldorf geht Achenbach mit erstaunlicher Naivität baden, in seinen schicken Restaurants versenkt er Millionen, auch wenn es sein Strandlokal „Monkey’s Island“ bis in die Tagesthemen schafft.
Und dann macht die Gier ihn zum Betrüger: Fünf Prozent Provision fand er nicht mehr angemessen für seinen Aufwand. Gesagt hat er es Berthold Albrecht nicht, der Betrug flog bei Buchprüfungen auf. „Ich war ein eitles Arschloch ohne moralischen Halt“, sagt Achenbach knapp. Er habe sich „von diesem irren Markt verrohen lassen“. Und dabei sei er doch von seiner politischen Ausrichtung „immer ein strammer Linker“ gewesen.
Babette Albrecht stehen noch 16,9 Millionen zu
Aber nun sei er zurück und habe viel vor, sagt Achenbach, tippt auf den Buchdeckel vor sich und lächelt vorsichtig. Der Verein „Kultur ohne Grenzen“ sei sein Herzensanliegen, ein weiteres Buch wolle er schreiben, „über andere, die den Kompass verloren haben“, er malt großflächige Bilder. Und sogar eine Rückkehr zur Kunstberatung könne er sich „gut vorstellen“. Er kämen so viele Sammlungen auf den Markt, da könne „was gelingen, und dann kaufe ich mich vielleicht frei“, sagt er. Albrechts Witwe Babette, die ihn 2014 verklagte, stehen indes noch rund 16,9 Millionen zu.
Selbst wenn Achenbach beteuert, dass er demütiger geworden sei nach seiner Hafterfahrung: Es klingt schon wieder schwer nach dem alten Selbstbewusstsein des ewigen Machers, seiner beinahe kindlichen Begeisterung für neue Projekte und dem Drang, stets im Mittelpunkt zu stehen: „Ich bin geltungsbedürftig“, gesteht er in seinem Buch.
Oft genug hat er versichert, wie sehr er den Betrug bereue. Gleichwohl spürt man, dass er mit dem Maß seiner Bestrafung immer noch hadert. In einem Rundfunk-Interview verstieg er sich gar zu der wüsten These, er sei für den Essener Richter „eine interessante Beute“ gewesen, das Verfahren habe auch etwas von einem Klassenkampf gehabt „zwischen der Arbeiterstadt Essen und dem etwas divenhaften Düsseldorf“.
Das Buch ist ein unterhaltsamer Abriss seines Lebens
Auch in seinem Buch, gewiss kein schriftstellerisches Glanzstück, und doch ein unterhaltsamer Abriss eines prall gefüllten Lebens, dringt bei aller Einsicht, einen großen Fehler gemacht zu haben, immer wieder durch, dass er sich ungerecht bewertet fühlt. „Ich bin kein klassischer Betrüger“, sagt er noch einmal am Tisch, und es erfülle ihn mit Wut, wenn er sehe, dass die Gesellschaft den Gedanken der Rehabilitation nicht wirklich lebe.
Die ersehnte Rückkehr scheint in der Tat ein steiniger Weg. Bei einer Vernissage mit Kunst-Popstar Jeff Koons erlebte er unlängst, dass „viele durch mich durchgeguckt haben“. In Robert’s Bistro, über Jahre sein Stammlokal, geht er nicht mehr gerne, „da kennt mich fast jeder“. Doch den Antrieb zum Comeback, den spüre er: „Ich bin am tiefsten Punkt auf einer Skala von Akzeptanz und Glaubwürdigkeit angekommen. Es ist doch ein unheimlich spannender Prozess, ob ich es nochmal schaffe, die Marke Achenbach wieder herzustellen.“ Vielleicht schläft er dann endlich mal wieder durch.